„Da läuft etwas aus dem Ruder“ SPD greift Reul nach tödlichen Einsätzen in Dortmund an

Nach tödlichen Polizeieinsätzen: Deutliche Kritik an Innenminister Reul
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Im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags sind am Donnerstag (27.10.) zwei Polizeieinsätze aus Dortmund, die tödlich geendet sind, diskutiert worden. Bevor es um den Fall des erschossenen 16-jährigen Mouhamed D. und den Tod eines 44-Jährigen ging, hatte man über einen weiteren tödlichen Einsatz aus dieser Woche gesprochen.

Christina Kampmann, Sprecherin der SPD-Fraktion, nahm den jüngsten Fall aus Zülpich bei Bonn, bei dem ein 31-Jähriger von der Polizei erschossen worden war, und die Fälle aus Dortmund zum Anlass, um NRW-Innenminister Herbert Reul zu kritisieren.

„Die Zahl der tödlichen Polizeieinsätze sollte für uns alle ein Grund zur Sorge sein“, sagte sie. Das lege die Annahme nahe, „dass in Ihrem Verantwortungsbereich etwas aus dem Ruder läuft“, sagte Kampmann an den Minister gerichtet.

Reul verspricht Aufklärung

Reul wies diesen Vorwurf von sich. „Es ist nicht so, dass wir eine besondere Auffälligkeit haben“, sagte der Innenminister. Im noch laufenden Jahr gebe es in Nordrhein-Westfalen fünf tödliche Polizeieinsätze, bei denen Beamte die Schusswaffe eingesetzt haben, teilte Gerrit Weber, Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium, mit. Von 2015 bis 2021 habe die Zahl der tödlichen Schusswaffeneinsätze jeweils zwischen drei und fünf gelegen.

Zum Fall Mouhamed D. sagte Reul: „Den Dortmunder Fall aufzuklären, ist nicht mein Job gerade. Das liegt gerade beim Staatsanwalt und das ist auch richtig so.“ Er wiederholte sein Versprechen: „Da wird ordentlich und sorgfältig gearbeitet - und zwar offen in alle Richtungen. Das wird sauber geklärt.“

„Wesentliche Fragen offen“

Damit ging Reul auch auf die fraktionsübergreifende Kritik an der Dauer der Ermittlungen ein, die auch Christina Kampmann teilt. „Nach knapp drei Monaten sind wesentliche Fragen noch immer offen, die zur Beurteilung des Falls immanent sind“, sagte sie in Richtung des Ministers. „Sie haben Aufklärung versprochen, Herr Reul. Ich verstehe nicht, warum Sie sagen, Sie wären für die Aufklärung nicht zuständig.“

Der Innenausschuss des Landtags in Düsseldorf
Der Innenausschuss des Landtags hat sich zum zweiten Mal innerhalb von acht Tagen getroffen. © Kevin Kindel (Archiv)

Neuigkeiten erfuhren die Abgeordneten zum Fall Mouhamed D. im öffentlichen Teil des Ausschusses nicht. Während der Sitzung wurde aber ein Papier herumgegeben, das im nicht öffentlichen Teil diskutiert werden solle. Wesentlich neue Details sind darin offenbar aber ebenfalls nicht enthalten, denn Marc Lürbke von der FDP veranlasste es zu der Aussage, dass das doch alles schon in den Medien gestanden habe.

Erst kürzlich waren neue Details zum Fall Mouhamed D. in Dortmund bekannt geworden. So haben Ermittlungen des Landeskriminalamtes ergeben, dass nur aus einer Waffe auf den 16-Jährigen geschossen worden war. Außerdem haben toxikologische Untersuchungen ergeben, dass Mouhamed D. weder Drogen noch Alkohol im Blut hatte.

Erkenntnisse dazu, wie der 16-Jährige das Messer gehalten haben könnte, das er in der Hand hatte, gebe es noch nicht, teilte Reul mit. Auch die Auswertung eines Telefonmitschnitts stehe noch aus.

Tödlicher Einsatz mit Taser

Im Fall des 44-Jährigen, der am 19. Oktober nach einem Dorstfelder Polizeieinsatz im Krankenhaus gestorben war, seien zwei Stromstöße durch einen Taser abgegeben worden, berichtete ein anwesender Oberstaatsanwalt.

Der 137 Kilogramm schwere und 1,99 Meter große Mann habe zuvor einen Polizisten mit Schlägen gegen den Kopf verletzt und dann versucht, mit einem Streifenwagen davonzufahren. Bodycams seien bei dem Einsatz gegen den 44-Jährigen nicht eingeschaltet gewesen.

Bei der Obduktion war festgestellt worden, dass der Mann schwer herzkrank und alkoholisiert war. Ein Zusammenhang zwischen seinem Tod und dem Taser habe nicht zweifelsfrei geklärt werden können, hatte die Staatsanwaltschaft Dortmund mitgeteilt.

Taser für 7 weitere Behörden

Reul sagte, man wolle vorurteilsfrei prüfen, ob das, was mit dem Taser erreicht werden solle, auch möglich sei: „Wir gucken uns das an, bevor wir den Taser komplett ausrollen.“

Aktuell sind elf Polizeibehörden in NRW mit den Elektroschock-Pistolen ausgestattet, sieben weitere sollen bis zum Ende des Jahres folgen. Dortmund war eine von vier Behörden, in der der Taser zuerst getestet worden war. Der 44-Jährige ist der erste Tote im Zusammenhang mit einem Taser-Einsatz in NRW.

Meistens reicht die Androhung

Nach den insgesamt rund 700 Taser-Einsätzen der nordrhein-westfälischen Polizei seit vergangenem Jahr mussten drei Menschen im Krankenhaus behandelt werden, teilte NRW-Innenminister Herbert Reul mit. In einem der drei Fälle hatte der Betroffene erhebliche Mengen Drogen konsumiert, im zweiten Fall habe eine Verletzung aus einer vorangegangenen Schlägerei behandelt werden müssen und im dritten Fall habe der Verdacht eines epileptischen Anfalls vorgelegen.

In rund 75 Prozent der Einsätze sei es bei der Androhung des Einsatzes des Elektroschockgeräts geblieben, dieses sei aber nicht ausgelöst worden. Auch gegen Mouhamed D. waren zwei Elektro-Taser eingesetzt worden, bevor er erschossen wurde.

Video aus dem Landtag unter RN.de/Dortmund

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