Hier im Wald merkte Marco van der Kooi, dass er nichts mehr riecht. Nach seiner Covid-19-Erkrankung ist er längst noch nicht der alte. © Björn Althoff

Mit Video-Interview

Covid mit 49: „Man denkt im Rettungswagen: Ist das meine letzte Fahrt?“

Sportlich, kerngesund, nie krank – dann kam Corona. Marco van der Kooi (49) aus Dortmund über Geschmacksverlust, Fieberschübe, Husten-Attacken und die Todesangst, die im Krankenwagen kam.

Dortmund

, 29.12.2020 / Lesedauer: 5 min

Er merkte es im Wald. Auf seiner täglichen Runde hatte er nichts mehr gerochen. Hatte er gemerkt, dass es nass war – das ja. Aber diese tiefen Aromen aus dem Herbstwald? Nichts!

Schlapp hatte sich Marco van der Kooi ja schon vorher gefühlt. Muskelkater, dachte er, bestimmt von der Gartenarbeit. Er, der 49-Jährige, der nie krank ist. Der Spinning-Trainer, der auch drei Stunden Sport treiben kann. Der gelernte Hotel- und Restaurant-Fachmann, der Anfang 2020 auf einem Event in Amsterdam noch 36 Stunden durchgearbeitet hatte. Er, der Nichtraucher, der 12- oder 14-Stunden-Schichten beim Catering locker wegsteckt.

„Meine Frau hat gefragt: Was hasse?“ Van der Kooi wusste keine Antwort, legte sich direkt wieder hin nach der Waldrunde ohne Geruch. „Ich habe fast 24 Stunden geschlafen und ich war immer noch fertig.“

Wie ein Vorschlaghammer auf der Brust

Der Husten. Dieser „unproduktive Husten“. Van der Kooi und seine Frau Tina Kroll sitzen im Esszimmer im Haus am Rande des Naturschutzgebiets Grävingholz‘, zwischen Dortmund-Eving und Brechten, und erinnern sich an diese Momente, als die leichte Sorge langsam zur Todesangst wurde.

„Als wenn dir einer einen Vorschlaghammer auf die Brust gerammt hat“, sagt er. „Normalen Husten kennt man, aber sowas kennt man nicht“, sagt sie.

Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Fieberschübe. „Mir war heiß und kalt gleichzeitig.“ Dazu dieser Geruchs- und Geschmacksverlust.

„Man spürt Kohlensäure, aber man schmeckt nichts“

Bittere Medizin? Wie Wasser. Gewürzkuchen? Van der Kooi nahm die Konsistenz wahr, aber nichts Süßes.

Ausgerechnet er, dem Kochen und Grillen und detailliert Zubereiten so viel bedeutet. Der im Sommer 2020 noch in der „Küchenschlacht“ im ZDF zu sehen war, den dort erst ein Missgeschick die Final-Teilnahme kostete.

Ausgerechnet ihm hatte das Coronavirus den Geschmack gestohlen: „Man trinkt eine Zitronenlimo, man spürt eine andere Kohlensäure als beim Mineralwasser auf der Zunge, aber man schmeckt nicht das Süße.“

Zu spät für den Test – dann wurde es schlimmer

Am Freitag war er so spät bei der Hausärztin, dass der Corona-Test noch nicht rausgehen konnte zum Labor. Über das Wochenende wurde sein Zustand immer schlechter. Zuhause hielt man sich strikt an Quarantäne.

Van der Kooi war isoliert, denn man hatte eine große Sorge: die 76-Jährige anzustecken oder die 18-Jährige, die Diabetes hat, also auch vorerkrankt und Teil einer Covid-19-Risikogruppe ist.

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Erst brachte van der Koois Frau ihm den Tee noch „in Vollmontur – mit Maske und Handschuhen“. Als sein Husten immer schlimmer wurde und die Fieberschübe immer stärker wurden, stellte sie nur noch den Teekocher in die obere Etage.

Auch wenn das emotional wehtat: Hauptsache nicht anstecken.

Neue Medikamente – dann sackte er Kreislauf ab

Genau die richtige Entscheidung. Das Virus sprang nicht über, nicht einmal auf die Frau. Am Montag war das Ehepaar bei der Hausärztin in Brambauer. Zum Testen, obwohl doch eigentlich allen längst klar war: Das muss Covid-19 sein, die Krankheit, ausgelöst vom Coronavirus.

Die Testergebnisse kamen am Dienstag auf die App: er positiv, sie negativ.

Am Dienstagabend lag er nur noch apathisch im Bett. Man rief einen Krankentransport, doch der hielt seinen Zustand nicht dramatisch genug für eine Klinik.

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Am Mittwoch verschrieb die Hausärztin noch weitere Medikamente: „Sie hat sich wirklich super gekümmert, das können Sie ruhig schreiben“, unterstreicht van der Koois Frau. Aber die Inhalation schlug nicht an – ganz im Gegenteil. Der Kreislauf sackte zusammen.

Erster Eindruck in der Klinik: Der sieht besser aus

Am Donnerstag schrieb die Hausärztin eine Einweisung. Das Ziel: das Klinikum Dortmund, Standort Nord, die Lungenklinik am Fredenbaum. „Das war die einzige Klinik, die ihn aufgenommen hat“, unterstreicht Tina Kroll.

Marco van der Kooi sagt: „Da sitzt man im Rettungswagen und denkt: Das kann meine letzte Fahrt sein.“

In der Klinik sei man erst erstaunt gewesen: Dieser 49-Jährige sieht doch viel besser aus als die allermeisten anderen Covid-19-Patienten. Nach der Computertomografie und dem Durchchecken der Blutwerte wusste man aber, van der Kooi hätte keinen Tag später kommen sollen.

Graue Flecken auf mehr als einem Drittel der Lunge

Das CT-Bild zeigte graue Flecken auf mehr als einem Drittel der Lunge. Ob sie alle wieder verschwinden werden, ob van der Kooi zum 50. Geburtstag im Februar wieder ansatzweise der Alte sein wird – das ist unklar.

In der Klinik tat man jedoch alles dafür. Fünf Tage Remdesivir – das Mittel, das auch Donald Trump erhielt – dann zehn Tage Cortison, damit der Körper sich im gut gemeinten Kampf gegen das Virus nicht verausgabt.

Marco van der Kooi lag im Lungenzentrum des Klinikums Dortmund am Fredenbaum. © Schaper

Dazu Sauerstoff, verabreicht durch Schläuche in der Nase. Immerhin kein Beatmungsgerät, kein Anschließen an die Geräte, mit denen man die richtig kritischen Verläufe in den Griff zu kriegen versucht.

Komplett isoliert im Krankenhaus-Zimmer

Van der Kooi war isoliert: „Man sieht gar nichts. Drei Mal am Tag kommt eine Schwester kurz rein in voller Montur – Kittel, Mundschutz, Handschuhe – um Blut abzunehmen, eine Spritze zu setzen. Und dann ist sie wieder weg. Das Essen wird im Vorraum abgestellt, auch mit der Bitte, das wieder dahin abzustellen.“

Alles richtig so, findet der 49-Jährige: „Die machen da Hochleistungsarbeit.“

Sein Kontakt zur Frau bestand aus vielen, vielen Videotelefonaten. Besuch empfangen durfte van der Kooi nicht. Einmal sah er sie kurz – als sie den Koffer unten an der Klinik abgegeben hatte mit seinen Sachen.

Nach Corona: die komplette Bettwäsche weggeworfen

Und heute, einige Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus?

Der Körper kämpft noch gegen das Virus. Corona ist ja nicht komplett weg. Das Herz und die Leber sind angegriffen worden. Nachts schwitzt van der Kooi.

Immerhin in neuer Bettwäsche. Alles, in dem er als Infizierter gelegen hatte, warf die Frau in den Müll. Eine Daunendecke könne man schließlich nicht bei 90 Grad waschen.

„Diese Krankheit wünsche ich meinem schlimmsten Feind nicht“, sagt van der Kooi heute.

Einkaufen und Gartenarbeit? Zu viel für einen Tag

Ein Arbeitskollege sei mit 62 Jahren während der ersten Welle gestorben. Dem habe man ein Antibiotikum gegeben und gesagt: Naja, wird schon wieder. Man lag falsch. Ein anderer Bekannter habe es überstanden, aber „total Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren“.

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Er selbst sei mittlerweile „bei 65 Prozent“, schätzt van der Kooi selbst. „Nur ein Event am Tag geht“, sagt seine Frau: entweder der Einkauf im Supermarkt oder eine halbe Stunde Gartenarbeit.

Woher die Infektion? Das bleibt unklar

„Man macht sich Gedanken: Wo hat man’s hergeholt? Welche Kontakte habe ich gehabt in der Woche vorher? Wir können es nicht nachvollziehen.“

Doch irgendwie beim Einkaufen? Ist man doch irgendwie angehustet worden? Hatte ein Jogger im Grävingholz das Virus im Atem und van der Kooi hat es dann eingeatmet? Man wird es nie erfahren.

„Die Ungewissheit, wo es herkommt“, sagt van der Kooi, „das macht einem richtig Angst.“Im Video-Interview erzählt Marco van der Kooi von seiner Erkrankung unter rn.de/dortmund

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