Bei regelmäßigen Übungen probt der Dortmunder Rettungsdienst den Ernstfall; bei Bedarf wird den Probanden auch ein Mund-Nasenschutz aufgesetzt. © Archiv

Coronavirus

Warum Sanitäter und Pfleger oft ohne Mundschutz arbeiten

Bei der Dortmunder Feuerwehr sowie in Kliniken und Seniorenheimen tragen längst nicht alle Mitarbeiter einen Mundschutz.

Dortmund

, 05.04.2020 / Lesedauer: 4 min

Sprachlich ist er in aller Munde, tatsächlich drauf aber keineswegs: der Mundschutz. Viele Dortmunder wundern sich, dass in Krankenhäusern oder Seniorenheimen längst nicht alle Mitarbeiter einen solchen Schutz tragen und auch die Einsatzkräfte der Feuerwehr sowie ihrer Rettungsdienst-Partner meist oben ohne unterwegs sind.

Städte mit Mundschutz-Pflicht

Und das, obwohl einige Städte bereits eine Mundschutz-Pflicht ausgerufen haben und inzwischen auch das Robert Koch-Institut der Meinung ist, das Tragen einer Maske könnte das Risiko einer Übertragung mindern. Doch wie sehen das die Dortmunder Experten? Und gibt es überhaupt noch ausreichend Schutzmaterial?

Im Klinikum Dortmund richte sich das Tragen von Schutzkleidung nach dem Einsatzbereich des Personals, erläutert Klinik-Sprecher Marc Raschke. Dort, wo Patienten mit Covid-19 oder auch nur dem Verdacht auf eine Infektion lägen, gehöre eine professionelle Schutzausrüstung dazu.

Marc Raschke, Sprecher des Klinikums Dortmund, sieht den Trend zum Mundschutz in der Bevölkerung kritisch. © Privat

Die Frage, über welche Kapazitäten an Masken oder Schutzanzügen das Klinikum derzeit verfüge, möchte Raschke eigentlich nicht beantworten. Nur so viel: „Man darf davon ausgehen, dass ausreichend da ist und wir zu den ersten gehören, die neues Material bekommen.“

Zum allgemeinen Trend zur Maske bezieht Raschke hingegen klar Stellung: „Wir sehen es nach wie vor kritisch, sollte jeder Mensch in Deutschland einen Mundschutz tragen.“ Denn einerseits würden einfache Masken nicht bündig abschließen und so keinen echten Schutz bieten, andererseits bedürfe es beim Tragen einer gewissen Erfahrung.

Trügerische Sicherheit

Mangele es jedoch an dieser Kenntnis, komme es schnell zu einem unsachgemäßen Umgang: „Die Menschen haben ein Fremdkörpergefühl im Gesicht, fassen den Mundschutz häufig an oder nehmen ihn ab. Und trotzdem verspüren sie eine trügerische Sicherheit.“ Wichtig sei vielmehr, dass weiterhin Abstände eingehalten und die Hände häufig gewaschen würden.

Beim Dortmunder Rettungsdienst sind bei Einsätzen mit Verdacht auf Corona zusätzlich zur normalen Schutzkleidung ein Einmalanzug, ein Mund-Nase-Schutz und eine Schutzbrille vorgeschrieben. Ohnehin werden bei sämtlichen Einsätzen Einmal-Schutzhandschuhe getragen.

Dr. Hans Lemke, ärztlicher Leiter des Dortmunder Rettungsdienstes, plädiert beim Einsatz von Schutzmasken für Augenmaß. © Archiv

Dass Bürger aber generell mit Mundschutz in der Öffentlichkeit unterwegs sind, sieht Dr. Hans Lemke, ärztlicher Leiter des Dortmunder Rettungsdienstes, skeptisch: „Denn ein normaler Mund-Nasenschutz bietet keinen echten Schutz, wenn ein Gegenüber mich beispielsweise anhustet. Es kann dann trotzdem zur Übertragung von Aerosolen kommen.“

Teilchen werden eingeatmet

Eine Meinung, die Lemke mit vielen Virologen teilt: Je weiter eine Person von einer anderen entfernt stehe, umso feiner würden Aerosole, also feste oder flüssige Teilchen in der Luft. Und diese Teilchen atmeten die Träger einer einfachen Maske dann seitlich ein, so die Experten. Lemke stößt ins gleiche Horn: „Ein Schutz für die Umwelt ist nur gegeben, wenn der Infizierte selbst die Maske trägt.“

Schon in der Feuerwehr-Leitstelle würde überprüft, ob bei einem Einsatz der Verdacht auf eine Infektion bestehe. „Ist das der Fall, dann sind FFP-2-Masken erforderlich“, sagt Lemke. Und seien sich die Einsatzkräfte vor Ort unsicher, ob es sich um eine Infektion handele, bekäme der Patient eine einfache OP-Maske aufgesetzt: „Zum Schutz des Teams.“

Obwohl noch ausreichend Schutzmasken für die nächsten 14 Tage vorhanden seien und regelmäßig Nachschub bestellt würde, komme die angeforderte Menge laut Lemke momentan auch in Dortmund nicht an. Gerade deshalb gelte es, die ohnehin schon knappen Ressourcen nicht unnötig zu verschwenden.

Noch keine verbreitete Corona-Lage

Denn mit mehreren Dutzend Patienten in den Dortmunder Krankenhäusern, von denen etliche beatmet würden, könne man in Dortmund nicht von einer verbreiteten Corona-Lage sprechen. „Jeder ist gefordert, die vorhandenen Materialien mit Augenmaß einzusetzen - auch und gerade mit Blick auf den Fall, dass die Zahlen in der Zukunft noch deutlich steigen sollten.“

Martin Kaiser, Geschäftsführer der städtischen Seniorenheime, sieht im Mundschutz ein Zeichen der Solidarität. © Knut Vahlensieck/RN

“Genug ist nicht genug“, zitiert Martin Kaiser, Geschäftsführer der städtischen Seniorenheime Dortmund, mit Blick auf die Schutzausrüstung einen Songtitel von Konstantin Wecker. In der jetzigen Situation sei zwar noch ausreichend vorhanden, „aber wir sind mit großer Kraft dabei, weitere Ausrüstung zu bestellen.“ Gerade bei Masken und Anzügen kein leichtes Unterfangen.

In den acht städtischen Pflegeheimen sei bislang zwar noch kein Corona-Fall aufgetreten, dennoch verfügten die Einrichtungen über persönliche Schutzausrüstungen, bestehend aus professioneller Maske, Einweghandschuhen, Schutzkittel und -brille. „Und sollte es zu einem Krankheitsfall kommen“, sagt Kaiser, „dann können unsere Mitarbeiter damit umgehen.“

In den mittlerweile für Besucher geschlossenen Heimen folge man den Empfehlungen des Robert Koch-Institutes: „Wenn unsere Mitarbeiter einen Mundschutz tragen möchten, dann können sie das gerne tun.“ Verpflichtend sei eine solche Maske nicht, doch sieht der Geschäftsführer darin - übrigens auch in der Öffentlichkeit - „ein Stück Solidarität.“

Ernsthafteste Bedrohung

“Wir tun alles Menschenmögliche, um unsere Bewohner zu schützen“, fährt Kaiser fort. So werde penibel auf Hygiene und Abstand geachtet - innerhalb wie außerhalb der Heime. Die sensible Lage sei sowohl dem Personal als auch ihm selbst vollauf bewusst, sagt der 65-jährige Kaiser: „Das ist die ernsthafteste Bedrohung, die ich in meinem Berufsleben mitgemacht habe.“

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