Impfskandal von Recklinghausen Richter erwägen zügiges Urteil – Anwälte protestieren

Corona-Impfskandal: Richter erwägen Teilurteil gegen umstrittenen Arzt
Lesezeit

Knapp fünf Monate nach dem Prozessbeginn um mutmaßlich knapp 600 Corona-Scheinimpfungen durch einen Arzt (67) im Recklinghäuser Paulusviertel haben die Richter beschlossen, das Verfahren aufzuteilen. Und wollen womöglich zeitnah ein erstes Teilurteil verkünden. Die Verteidiger protestieren.

Rein formal laufen ab sofort bei der 12. Strafkammer am Bochumer Landgericht gegen den Naturheilkundler zwei Strafprozesse. Einer mit aus Sicht des Gerichts rund 200 entscheidungsreifen Fällen, zu denen möglicherweise ab dem 16. Juni die Beweisaufnahme geschlossen und dann an einem weiteren Termin ein erstes (Teil-)Urteil gegen den umstrittenen Arzt verkündet werden könnte.

Und ein anderer mit den restlichen, noch weiterhin aufzuklärenden Fällen. Stand jetzt sind hier noch zehn weiteren Verhandlungstagen bis zum 29. August terminiert.

Der angeklagte Arzt, der vor seiner Festnahme im Mai 2022 bei Verwandten in Dortmund-Oespel gewohnt hat, sitzt nach wie vor in U-Haft. Mitangeklagt wegen Beihilfe ist seine Ehefrau (56) aus Herten, die seinerzeit in der Praxis mitgearbeitet hat.

Der Arzt hatte zu Prozessbeginn unter Tränen ein Geständnis abgelegt, später auf Anraten seines zwischendurch neu hinzugezogenen Anwalts dann aber einen radikalen Kurswechsel vollzogen. Das Geständnis („Ich bereue mein Verhalten sehr und bin darüber zutiefst beschämt“) wurde zurückgezogen. Eine offizielle Verständigung über eine Maximalstrafe (bei Geständnis maximal dreieinhalb Jahre Haft) wurde aufgekündigt.

Substanzlos Krawall machen?

Seit dem Quereinstieg des bekennend impfkritischen Anwalts im Februar geht die Verteidigungsstrategie erkennbar keinem Konflikt aus dem Weg. Mit unterschiedlichsten Begründungen wurden reihenweise Befangenheitsanträge gegen das Gericht gestellt, die die zuständigen Prüfungsrichter jedoch allesamt als unzulässig oder unbegründet abschmetterten.

Sinngemäß hieß es zuletzt, es gebe Anlass, zu prüfen, ob die neue Verteidigung einfach nur substanzlos Krawall machen will und letztlich im Kern nichts anderes vorhabe, als den Prozess zu verschleppen.

Keine Antikörper bei Blutproben

Durch das angedachte Teilurteil über rund ein Drittel der angeklagten Fälle wollen die Bochumer Richter womöglich ein Zeichen setzen. Denkbar sind während eines laufenden Verfahrens auch noch weitere Teilurteile. Ganz zum Schluss muss dann aus den verhängten Einzel-Urteilen eine Gesamtstrafe gebildet werden.

Staatsanwältin Nina Linnenbank wirft dem Arzt mindestens 589 Corona-Scheinimpfungen bis Januar 2022 vor. Der 67-Jährige soll Original-Chargenaufkleber in die Impfpässe von Patienten geklebt, tatsächlich aber keine Injektion durchgeführt und die Vakzine vernichtet haben. In 201 Fällen waren bei Patienten Blutabnahmen angeordnet und durchgeführt worden. In allen Fällen hatten sich im Blut keine SARS-CoV-2-Antikörper finden lassen.

Vergleich mit Oskar Schindler

Der Haftbefehl gegen den Arzt stützt sich auf Fluchtgefahr. Die Staatsanwaltschaft hatte Indizien für ein scheinbar bevorstehendes Absetzen auf die Insel Sansibar (Tansania) ermittelt. Im Anschluss an die Razzia in seiner Praxis (im Januar 2022) soll der Arzt binnen kurzer Zeit erst seine Wohnung gekündigt und dann das Praxisinventar via Kleinanzeigen zu Bargeld gemacht haben.

Für Unruhe im Prozess hatte vor Wochen ein bekannt gewordener anwaltlicher Vergleich des Arztes mit „Oskar Schindler“ gesorgt, den der Mediziner offenbar schmeichelnd zur Kenntnis genommen haben soll. Er und seine Frau sollen zudem während eines Gefängnis-Besuchsgesprächs die Ausgrenzung von Ungeimpften durch Corona-Maßnahmen mit der Judenkennzeichnung durch den gelben Stern verglichen haben.

Impfskandal von Recklinghausen: Arzt beklagt politischen „Showprozess“ – Gericht kontert

Corona-Impfskandal von Recklinghausen : Wollte der Arzt (67) nach Sansibar fliehen?

Skandal um Scheinimpfungen : Arzt zieht Geständnis zurück – Vergleich mit „Oskar Schindler“