Melissa Müller mit den Fotos aus Südafrika. © Jörg Bauerfeld
Sozialer Dienst
19-Jährige flüchtet aus dem Paradies – mit dem letzten Flug aus Kapstadt
Neun Monate freiwillige soziale Arbeit in Südafrika. Für Melissa Müller (19) aus Dortmund ging ein Traum in Erfüllung. Doch das Ende des großen Abenteuers kam abrupt, endete fast im Chaos.
Unzählige Fotos auf dem Rechner, daneben ein großes Fotobuch, das dokumentiert, was Melissa Müller in den letzten Monaten alles erlebt hat. Die 19-Jährige hatte sich nach dem Abi zu einem freiwilligen sozialen Dienst entschieden.
Südafrika sollte es sein. Es wurde ein Trip, den die Hombrucherin nie vergessen wird. Im positiven wie im negativen Sinne. „Ich würde gerne wissen, wie es meinen Schülern geht“, sagt Melissa Müller und schaut auf die Fotos.
Überstürze Abreise
Denn: Südafrika musste sie am 22. März überstürzt verlassen. Zwei Monate vor dem eigentlichen Ende ihres sozialen Dienstes. Zusammen mit weiteren Freiwilligen aus Deutschland, die in Südafrika in sozialen Projekten arbeiteten, ging es nach Kapstadt und von dort, praktisch mit einem der letzten Flieger vor dem Lockdown, wieder zurück nach Deutschland.
Wartenden Touristen im Flughafen von Kapstadt. © Müller
„Wir haben erst gedacht, wir kommen hier nicht weg“, sagt Melissa Müller. Der hastig gebuchte Flug für den 24. März war schon abgesagt, auf der Warteliste für den Rückflug am 22. März stand die junge Frau aus Dortmund auf Platz 75.
„Wir hatten über Condor gebucht, das war wohl unser Glück. Wir wurden vorgesetzt und durften mit“, sagt die 19-Jährige, die erleichtert war, als sie wieder deutschen Boden unter den Füßen hatte.
Gruppenfoto vor der Schule in Hermanus. © Müller
Doch die Zeit auf dem afrikanischen Kontinent möchte sie auf keinen Fall missen. Denn die junge Frau hat sich ein bisschen verknallt in das Land am Kap. Ein Land mit atemberaubenden Landschaften, boomenden Städten, daneben aber auch Townships, in denen die Ärmsten der Armen leben.
100 Kilometer entfernt von Kapstadt
Und gerade mit den Kindern der Ärmsten hat Melissa Müller mehrere Monate gearbeitet. In einer Art Förderschule in Hermanus, einer Küstenstadt rund 100 Kilometer östlich von Kapstadt. „Ich habe mich nach dem Abi entschieden, ein freiwilliges soziales Jahr zu machen, weil ich auch mal ein Land besuchen wollte, wo es die Menschen nicht so gut haben wie wir. Da zu helfen, wo auch Armut herrscht“, sagt die 19-Jährige.
Melissa (r.) mit einer weiteren Freiwilligen und Schülern der Förderschule. © Müller
Beworben hat sich die Dortmunderin bei Weltwärts, dem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Zusammen mit elf weiteren Freiwilligen ging es dann im August 2019 nach Kapstadt und weiter nach Hermanus. Für neun Monate war der Aufenthalt geplant.
„Wir waren fünf Mädchen aus Deutschland, die in der Förderschule mit gearbeitet haben“, sagt Melissa Müller. „Die Schule war auf einem großen Gelände mit Farm. Dort haben wir auch gewohnt.“
Kinder aus schwierigen Verhältnissen
Von Montag bis Freitag von jeweils 8.30 bis 14.30 Uhr halfen die Freiwilligen in der Schule und dem angeschlossenen Kindergarten mit, als Hilfslehrerinnen sozusagen. „Die Kinder kamen alle aus sehr schwierigen Verhältnissen, hatten Förderbedarf. Die Schule war für viele ein echter Rückzugsort.“
Melissa auf einem Schulausflug mit den Kindern aus Hermanus. © Müller
Dann musste noch in der täglichen Pflege mit angepackt werden. Bei Kindern, die schwere Behinderungen hatten. „Wir haben uns um ein Kind speziell gekümmert“, sagt Melissa.
Freizeit gab es in den ersten Wochen nicht sehr viel. Zeit blieb dann aber doch, um sich das Land anzuschauen. „Wir sind viel gewandert, in Südafrika gibt‘s tolle Wanderwege.“ Über Weihnachten war Melissas Mutter zu Besuch, da war noch alles gut, Corona weit entfernt.
Zwei Monate später sah die Sache schon anders aus. „Wir haben das schon mitbekommen, das mit der Corona-Pandemie. Da haben wir noch geglaubt, das wird nicht so schlimm“, sagt die 19-Jährige.
„Konnten uns noch nicht einmal verabschieden“
Damit war dann im März 2020 Schluss. „Wir haben einen Anruf von unserer Organisation bekommen, dass wir sofort nach Kapstadt kommen sollten, um nach Deutschland zurückzufliegen.“
Die Südküste Südafrikas. © Müller
Hals über Kopf ging es los, „wir konnten uns noch nicht einmal verabschieden“, sagt Melissa. Richtig chaotisch wurde es dann in Kapstadt. „Wir wussten nicht, wie und wann wir fliegen konnten.“
In Gedanken in Südafrika
Am Flughafen habe ein heilloses Durcheinander geherrscht. „Viele Touristen wollten zurück, aber von einem auf den anderen Tag wurde ja der Flugverkehr eingestellt. Das war schon sehr krass.“ Am Abflugtag habe die Gruppe von morgens an am überfüllten Flughafen gewartet. Am späten Nachmittag kam dann die Erlösung. „Wir durften mit“, erzählt Melissa.
Zurück in Deutschland, lässt sie Südafrika aber nicht los. Sie macht sich Sorgen um die Menschen dort. Wegen der medizinischen Versorgung und weil ihre Schützlinge wieder zurück in die Slums mussten. Aber Melissa möchte noch mal zurück nach Südafrika – wenn es vorbei ist mit Corona.
Bis es so weit ist, bleiben Melissa Müller nur die Fotobücher und der PC – und dann ist da noch das Studium, soziale Arbeit soll es sein.
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