Geschäft in Dortmund schließt nach 110 Jahren „Ständiger Krisenmodus hat mich mürbe gemacht“

Coiffeur Schäfer schließt nach 110 Jahren: „Krisenmodus macht mürbe“
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Am 21. Dezember 2024 mittags schließen sich die Türen für immer: das Ende einer Geschäfts- und Handwerkstradition in bester Lage. Und das Ende einer bekannten Marke. Coiffeur Schäfer im Ortskern von Dortmund-Mengede schließt. In den Herbstferien im Oktober fasste Inhaberin Nina Degen den endgültigen Entschluss - schweren Herzens.

„Ich wollte das selbstbestimmt beenden“, sagt sie. „Nicht zu einem späteren Zeitpunkt, wenn ich es womöglich nicht mehr in der Hand habe.“ Es ist zum einen eine betriebswirtschaftliche Entscheidung. Zum anderen kennzeichnet die Schließung eine Entwicklung, die sie selbst kaum steuern konnte.

„Die Ladenfläche ist für heutige Verhältnisse eindeutig zu groß“, erklärt Nina Degen. 220 Quadratmeter Fläche hat das Ladenlokal an der Ecke Siegburgstraße/Am Amtshaus – mitten im Mengeder Geschäftszentrum, gegenüber des Marktplatzes. Die Geschäftsräume sind Teil des ehemaligen „MeKa“ – des „Mengeder Kaufhauses“.

110 Jahre Handwerkstradition

Nina Degens unvergessener Vater Uli Schäfer hat das Geschäft vor knapp 45 Jahren an der heutigen Adresse eröffnet. Zuvor war der „Salon Schäfer“ in Bahnhofsnähe an der Castroper Straße auf Oestricher Seite. Insgesamt blickt der Familienbetrieb auf eine mehr als 110 Jahre währende Geschichte zurück.

Die heutigen Räume waren in den vier Jahrzehnten mehr als ein Friseursalon mit 14 Bedienplätzen. Kosmetik und Fußpflege bot Schäfer an. Von einst zweien ist heute noch ein Kosmetikplatz übrig. In der Parfümerie konnten die Kunden zudem in einer großen Auswahl von Düften stöbern und sich beraten lassen.

„Die Parfümerie habe ich schon 2022 aufgegeben“, sagt Nina Degen. „Es wurde zusehend schwierig wegen des Preiskampfes.“ Ein kleiner Familienbetrieb hat gegen die großen Ketten und den Online Handel kaum eine Chance.

Blick in eine Nische des Salons von Coiffeur Schäfer in Dortmund-Mengede.
14 komfortable Bedienplätze hat der 220 Quadratmeter große Salon - zu viele und zu viel Fläche für zu wenige Fachkräfte. © Uwe von Schirp

Gemessen an der großen Ladenfläche und den Bedienplätzen macht sich der Fachkräftemangel bei Coiffeur Schäfer besonders bemerkbar. „Mein Papa hatte mehr als 20 Angestellte“, erzählt Nina Degen. „Ich habe noch drei Vollzeit- und acht Teilzeitkräfte.“ Vor allem an Friseurinnen und Friseuren in Vollzeit fehle es.

Und wenn eine Teilzeitkraft nach der Elternzeit wieder arbeiten wolle, dann meistens am Vormittag. „Nachmittags ist dann keiner da.“ Weiterer Nachteil des kleinen Teams: eine eingeschränkte Flexibilität. „Wenn jemand krank wird, muss ich die Kundin oder den Kunden anrufen und den Termin verschieben“, erklärt die Inhaberin. „Drei bis vier Aushilfen wie früher habe ich heute einfach nicht mehr.“

Bleibt der Kostenapparat für die große Betriebsfläche. „Der ist nicht mehr auf die Kundschaft umzulegen“; sagt die 45-Jährige. Selbst wenn allen klar ist, dass die Marke „Coiffeur Schäfer“ nicht zu den ‚Billigheimern‘ der Branche zählt, dürfte es eine Obergrenze geben, was ein Friseurbesuch in Mengede kosten darf.

Womöglich sei das Friseur-Handwerk für junge Leute nicht attraktiv genug und zu anstrengend: den ganzen Tag stehen und mit Leuten in Kontakt sein, samstags arbeiten. „Dabei hat sich die Bezahlung schon verbessert“, erklärt Nina Degen. „Früher kamen Praktikanten von den Schulen und es wurde ein Ausbildungsvertrag daraus.“

Außenansicht des Hauses in Dortmund-Mengede, in dem der Salon von Coiffeur Schäfer untergebracht ist.
In bester Lage am Mengeder Markt befindet sich seit 45 Jahren Coiffeur Schäfer. Am 21. Dezember schließt der Friseur-Betrieb. © Uwe von Schirp

In einer Pressinformation des Zentralverbandes des deutschen Friseurhandwerks heißt es: „Der Ausbildungsmarkt erholt sich weiter nur langsam von den erheblichen Rückgängen, die mit dem Ausbruch der Coronapandemie einhergingen.“ Unter den weiblichen Auszubildenden zähle das Friseurhandwerk auf Platz 9 nach wie vor zu den Top 10 der beliebtesten Ausbildungsberufe. Gemessen an allen Berufen lagen die Neuverträge 2022 und 2023 nur auf Platz 23.

Die Situation im Mengeder Traditionsbetrieb entstand nicht aus heiterem Himmel. „Erst kam Corona, dann die Energiekrise, nun der Fachkräftemangel“, erklärt auch Nina Degen. Die Lockdowns der Corona-Krise nagten an den Rücklagen. Dann schossen mit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine die Energiekosten in die Höhe. Hinzu, so Degen, komme ein stetig steigender Bürokratie-Aufwand – von neuen Arbeitssicherheitsvorschriften bis Datenschutz-Regelungen.

Inhaberwechsel im Friseurhandwerk

„Ich kann nicht mehr kreativ sein. Dieser ständige Krisenbewältigungs-Modus macht mich mürbe“, sagt die Geschäftsfrau. Was sie ein wenig tröstet: „Ich bin nicht allein.“ Der Zentralverband bestätigt das in seiner Information. Prognosen seien zwar kaum kalkulierbar. Aber auch 2025 werde die Situation der Branche angespannt bleiben. „Insbesondere die Nachwuchs- und Fachkräftegewinnung wird den Betrieben weiterhin große Sorgen bereiten“, heißt es.

In Dortmund seien derzeit 456 Fachbetriebe in die Handwerksrolle eingetragen, berichtet Sonja Raasch, Pressesprecherin der Handwerkskammer Dortmund, auf Anfrage. „Die Zahl der Betriebe in Dortmund ist in den vergangenen Jahren stabil geblieben und bewegt sich zwischen 440 und 460“, schreibt sie. „Im Vergleich zu anderen Gewerken kommt es im Friseurhandwerk häufiger zu Inhaberwechseln.“

Nina Degen und ein Teil ihres Teams im Salon von Coiffeur Schäfer in Dortmund-Mengede.
Nina Degen und ein Teil ihres Teams. Die Chefin ist dankbar, das die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie bis zum Ende unterstützen. © Uwe von Schirp

Nina Degen erklärt, sie habe viele Optionen geprüft, kleinere und gleichzeitig passende Geschäftsräume zu finden. Dabei habe sie viel Unterstützung in ihrem privaten wie geschäftlichen Umfeld erfahren. Es war aber nichts Passendes dabei. Ein anderer Standort als Mengede sei ohnehin nicht infrage gekommen.

„Weil unser Familienbetrieb eine so lange Tradition hat, war es keine leichte Entscheidung“, sagt sie. Um ihre Angestellten mache sie sich angesichts des Fachkräftemangels keine Sorgen – auch wenn die Stammkunden traurig über die Schließung seien. Ein Großteil der Angestellten arbeitet seit 15 Jahren im Betrieb, einige auch schon seit 30 Jahren.

Am vierten Adventssamstag schließt Nina Degen die Tür am Straßeneck ab. Nach mehr als 20 Jahren. Um die Jahrtausendwende trat sie nach ihrer Ausbildung und ersten Berufserfahrungen in Essen in das elterliche Geschäft ein. „Zu dem Zeitpunkt war die Übernahme noch kein Thema“, sagt sie. Die folgte dann im Jahr 2020.

An den Tagen um Weihnachten will sie das Ladenlokal räumen. „Einen Teil des Mobiliars lagere ich ein“, sagt Nina Degen. Vielleicht biete sich zu einem späteren Zeitpunkt doch noch etwas an. Das stehe aber im Moment nicht zur Debatte.

„Derzeit ist der Kopf zu voll, um es vernünftig zu Ende zu bringen“, sagt die sympathische Geschäftsfrau. „Ich bin sehr froh, dass mein Team bis zum Ende noch hinter mir steht und mich unterstützt. Das ist für mich nicht selbstverständlich.“ Im neuen Jahr will sie sich dann erst ein paar Wochen sammeln. „Und überlegen, was ich die nächsten 20 Jahre mache. Das soll ja auch gut sein.“

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 1. Dezember 2024.