Händler-Sprecher will Drogenkonsumraum aus City raushaben „Gibt es sonst nirgendwo“

Cityring-Chef zu Junkies und Obdachlosen: „Das gibt es sonst nirgendwo“
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Regelmäßig kursieren unter den Händlern Bilder von den Hinterlassenschaften der Drogenkranken und Obdachlosen, die vor den Geschäftseingängen am Westenhellweg und am Hansaplatz übernachtet haben. Sie zeigen Ekliges: Erbrochenes, Fäkalien, Spritzen.

„Wenn die Menschen vor den Türen nur schlafen würden, gebe es doch kein Problem“, sagt Tobias Heitmann. Er ist selbst Chef der Galerie „Zimmermann & Heitmann“ am Hansaplatz und vertritt als Vorsitzender des Cityrings gegenüber der Stadtverwaltung die Interessen der Kaufleute.

In dieser Funktion wird er nicht müde, die mittlerweile seit zwei Jahren schwelende Diskussion um den Standort des Drogenkonsumraums direkt hinter der Thier-Galerie wachzuhalten. „In ganz Nordrhein-Westfalen - und wahrscheinlich sogar in ganz Deutschland - gibt es keinen Drogenkonsumraum so nah an einer Einkaufszone. Das gibt es sonst nirgendwo“, sagt Tobias Heitmann.

Er stützt sich dabei auf eine vergleichende Überprüfung mit anderen Städten in NRW, die die Thier-Galerie vorgenommen hat. „Es wurde festgestellt“, bestätigt Torben Seifert, der neue Manager des Einkaufszentrums, „dass Dortmund die landesweit einzige Stadt ist, in der ein Drogenkonsumraum so zentral in der Innenstadt liegt.“

Über 200 Menschen täglich

200 bis 250 Menschen kommen täglich in das sogenannte Kontaktcafé „Kick“ am Grafenhof im Gebäude des Gesundheitsamtes in der City. Träger dieser niederschwelligen Einrichtung, die „für alle Drogen gebrauchenden Menschen offen“ ist, ist die Aidshilfe Dortmund.

Der Westenhellweg in Dortmund soll weiter eine attraktive Einkaufsmeile bleiben. Deshalb drängen die Händler auf einen anderen Umgang mit Obdachlosen und Drogenkranken. Der Drogenkonsumraum soll dringend verlegt werden.
Der Westenhellweg soll weiter eine attraktive Einkaufsmeile bleiben. Deshalb drängen die Händler auf einen anderen Umgang mit Obdachlosen und Drogenkranken. Der Drogenkonsumraum soll dringend verlegt werden. © Joscha F. Westerkamp

Dessen stellvertretende Geschäftsführerin Katharina Schütten sagt: „Corona hat Auswirkungen gehabt und viele Menschen in prekäre Lebenslagen gebracht. Außerdem gibt es eine große Drogenszene in Dortmund. Wir sind eine wichtige Anlaufstelle und es ist richtig, dass wir da sind, wo wir sind.“

Mit dem Umbau des früheren Gesundheitsamtes zog der Drogenkonsumraum im Jahr 2020 nach 18 Jahren vom Eisenmarkt um zum Grafenhof. Seitdem wollen Tobias Heitmann und die Händlerinnen und Händler nicht einsehen, warum es nicht auch etwas weiter entfernt von der Einkaufszone einen geeigneten Standort für die „in der Tat wichtige“ Anlaufstelle für Drogen gebrauchende Menschen gibt.

Image der City wird geschädigt

Während es für Katharina Schütten nur etwa fünf bis zehn Extremfälle sind, die Probleme machen und von keiner Sozialhilfe erreicht werden, sind für Tobias Heitmann die Auswirkungen so groß, dass sie das Image der Dortmunder City deutlich schädigen. „Es sind ja nicht nur die Händler, die um ihr Geschäft fürchten. Auch die Kunden stören sich an den vielen Obdachlosen, Drogenkranken und der Kriminalität in der City“, sagt er.

Armut ist sichtbar in der Dortmunder City. Obdachlose und Drogenkranke schlafen vor den Geschäften. Vor allem ihre Hinterlassenschaften ärgern die Händler.
Armut ist sichtbar in der Dortmunder City. Obdachlose und Drogenkranke schlafen vor den Geschäften. Vor allem ihre Hinterlassenschaften ärgern die Händler. © Oliver Schaper (Archivbild)

Nach der Mitgliederversammlung, die zu Beginn des Monats begleitet von einer Protestaktion der Initiative „Schlafen statt Strafen“ im Schwerter Freischütz stattfand, drängt der Cityring nun auf neue Konzepte im Umgang mit Obdachlosen und Drogenkranken. „Wir möchten, dass Lösungen gefunden werden und zum Beispiel Alternativstandorte zum jetzigen Drogenkonsumraum geprüft werden oder auch eine dezentrale Angebotsstruktur diskutiert wird“, so Tobias Heitmann.

Für ihn ist „Wohnen auch Menschenwürde“ und er verweist daher zum Thema Obdachlosigkeit auf ein Erfolgsmodell aus Finnland. „Dort hat man es geschafft, dass es fast keine Obdachlosen mehr gibt. Man hat Obdachlose ohne Voraussetzungen und mit der Hilfe von Sozialarbeitern in Wohnungen gebracht“, sagt Tobias Heitmann.

„Housing first“ heißt das Konzept, das er sich in Dortmund als Ersatz für Nacht-Unterkünfte und Kurzzeit-Unterbringungen, wünscht, die nicht aus der Obdachlosigkeit helfen.

Zum Betteln in die City

Bei der Aidshilfe Dortmund reagiert man skeptisch. Wohnraum für Obdachlose sei kaum zu finden. Die Lage habe sich total verschärft. Und in einem anderen Konzept im Umgang mit Drogenkranken sieht die stellvertretende Geschäftsführerin Katharina Schütten auch keine Lösung: „Diese Menschen wären auch in der City, wenn wir nicht da wären. Weil in der City die substituierenden Ärzte sind und weil dort viele Menschen sind und man betteln kann. Die meisten Probleme tauchen aber in der Tat außerhalb unserer Geschäftszeiten, also nach 16 Uhr auf. Die Öffnungszeiten auf die des Handels auszuweiten, wird gerade diskutiert.“

Katharina Schütten betont, dass es einen regelmäßigen Austausch mit der Stadtverwaltung gebe. Für die Aidshilfe sei es möglich, die Öffnungszeiten zu verlängern und dafür die Zahl der 6 bis 8 Mitarbeiter aufzustocken. „Das müsste geplant werden, aber wir tun, was wir können“, sagt sie.

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