Der Westenhellweg in Dortmund soll nach Corona wieder die Hauptschlagader der Stadt werden. Die Vorfreude, den Wandel zu gestalten und hier mehr als nur eine Einkaufsmeile zu entwickeln, ist bereits groß - vor allem weil die Stadt dafür auch ein Citymanagement einsetzen wird.

© Schaper

Nightshopping und grüne Oasen - wie Dortmunds City gerettet werden soll

rnWestenhellweg

Mit der steigenden Impfquote werden immer konkretere Pläne für die Zeit nach Corona geschmiedet. Für den Wandel der Dortmunder City gibt es reichlich Ideen - und bald auch einen Citymanager.

Dortmund

, 29.04.2021, 08:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Mittags auf dem Hansaplatz: Es ist Wochenmarkt - und es scheint fast so wie früher zu sein. Es sind angesichts von Lockdown und Corona-Notbremse erstaunlich viele Leute unterwegs. Dass drumherum alle Geschäfte geschlossen sind, fällt erst auf den zweiten Blick auf.

Tobias Heitmann fällt es jeden Tag auf. Der Geschäftsmann und Cityring-Vorsitzende betreibt sein Kunsthaus Zimmermann & Heitmann an der Wißstraße. Es ist natürlich geschlossen. Und aus seinem Büro im ersten Obergeschoss sieht er auf den menschenleeren Hansaplatz - es sei denn, es ist Wochenmarkt.

Als Vorsitzender der Interessenvertretung der Innenstadt-Kaufleute lässt er dabei auch den Blick in die Zukunft schweifen. „Die City wird nach Corona eine andere sein. Vor der Pandemie gab es 550 Gewerbetreibende innerhalb des Walls. Wenn es schlecht läuft, macht ein Drittel nicht mehr auf“, sagt er.

Dann verweist er auf eine Studie des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Die zeigt, dass die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher sich zunehmend daran gewöhnen, vor allem Bekleidung und Haushaltswaren im Internet zu kaufen.

Stadt Dortmund schafft hauptamtliches Citymanagement

„Spätestens seit letztem Sommer beobachten wir massive Strukturverschiebungen hin zum Onlinegeschäft - auch jenseits der Lockdowns. Unsere Daten legen den Schluss nahe, dass die Krise das Sterben der Innenstädte befördert“, wird Oliver Falck, der Leiter des Zentrums für Industrieökonomik und Technologien, auf der Homepage des Instituts zitiert.

Als Cityring-Vorsitzender will Tobias Heitmann mit dem künftigen Dortmunder Citymanagement vor allem an einer Zielsetzung arbeiten: „Die Leute müssen wieder gerne in die Stadt kommen.“

Als Cityring-Vorsitzender will Tobias Heitmann mit dem künftigen Citymanagement vor allem an einer Zielsetzung arbeiten: „Die Leute müssen wieder gerne in die Stadt kommen.“ © Cityring/Hojabr Riahi

„Wir müssen uns also etwas einfallen lassen, wenn die Menschen wieder in die City und die Geschäfte kommen sollen. Dafür gibt es aber auch viele Ideen und ich bin froh, dass es dann auch einen hauptamtlichen Citymanager von der Stadt geben wird“, sagt Tobias Heitmann.

Jetzt lesen

Bisher ist er als Cityring-Vorsitzender so etwas wie ein ehrenamtlich tätiger Citymanager. Angesichts der Herausforderungen, die nach etlichen Geschäftsaufgaben und angesichts des boomendem Onlinehandels am Westenhellweg warten, ist es eine gute Nachricht, wenn er professionelle Unterstützung bekommt.

„Ja, das ist so“, bestätigt Oberbürgermeister Thomas Westphal, „das Citymanagement wird es noch in diesem Jahr geben.“ Schon in der nächsten Woche, so ist zu hören, soll über das Büro, das den Auftrag dafür bekommt, entschieden werden.

Westenhellweg als reine Einkaufsmeile ist wohl Vergangenheit

Einig ist sich der OB mit Tobias Heitmann, dass der City ein Wandel bevorsteht - dass die Krise aber auch eine Chance bedeutet. „Wer vom Sterben der City spricht, ist schief gewickelt. Die City wird eine veränderte Funktion bekommen“, sagt Thomas Westphal.

Jetzt lesen

Der Westenhellweg als reine Einkaufsmeile, wie es ihn seit dem Zweiten Weltkrieg gibt, ist wohl Vergangenheit. Mehr Wohnen, mehr Büros, mehr Nachtleben, mehr Gastronomie, das könnte die Zukunft sein. „Zudem braucht es auch mehr kleine Fachgeschäfte, experimentelle Läden und Handwerksbetriebe in der Stadt“, sagt Tobias Heitmann.

Vier „S“ kennzeichnen das Handlungsprogramm für die City

Mit dem Citymanagement müsse der Weg hinausführen aus der Uniformität, der Austauschbarkeit, die bisher bedeutet habe, dass es in jeder Stadt die nahezu gleichen Geschäfte gibt, so Tobias Heitmann. Die Dortmunder City soll sich in der Sortimentsstruktur künftig klar unterscheiden von der in Bochum oder Essen.

Thomas Westphal spricht von einem „Strukturwandel 2.0“ und von vier „S“, die sein Handlungsprogramm für die City kennzeichnen:

S wie Sichern: Dabei geht es um die Sicherung wirtschaftlicher Existenzen – soweit dies kommunal mithilfe bereits laufender Programme, Fonds und weiterer Unterstützungshilfen möglich ist.

S wie Schöner werden: Dabei geht es um die bauliche Gestaltung, die weiter vorangetrieben werden muss, um Aufenthaltsinseln, Pocket Parks, eine sichtbare Weihnachtsbeleuchtung. Einiges davon ist auch eine Gemeinschaftsaufgabe mit den Gewerbetreibenden der Innenstadt. „Wir können uns unter anderem vorstellen, Flohmärkte zu installieren oder die Cityring-Konzerte auszubauen. Da sind wir für den Neustart bereit. Im Moment aber sind wir im Leerlauf und können nichts planen“, sagt Tobias Heitmann. Es brauche auch „grüne Oasen mit Cafés“ sowie „eine bewachte E-Bike-Station“.

Das ehemalige Kaufhof-Gebäude am Westenhellweg könnte zum Symbol des Neustarts und des Wandels in der Dortmunder City werden

Das ehemalige Kaufhof-Gebäude am Westenhellweg könnte zum Symbol des Neustarts und des Wandels in der City werden. Junge Handelsunternehmen sollen hier einziehen und es sollen in den oberen Geschossen Büros oder sogar auch Wohnungen entstehen. © (A) Schaper

S wie Strukturen ändern: Dabei geht es darum, dem Handel in den Erdgeschosslagen günstigere Mieten anzubieten. „Mit Blick auf die Gesamtrendite ließe sich für die Eigentümer parallel in den oberen Geschossen die Miete erhöhen“, sagt OB Westphal. Für ihn ist es eine der zentralen Fragen für die Zukunft der Innenstadt, die entsprechende Gespräche mit den Eigentümerinnen und Eigentümern nötig mache. In diesem Zusammenhang solle eben das Thema Wohnen für die City an Bedeutung gewinnen. Vorbild soll das Kaufhof-Gebäude werden. „Die Wirtschaftsförderung wird einen Wettbewerb für frische Handelsunternehmen starten, die beispielsweise für den Start dort ein Jahr ohne Miete arbeiten können. Finanziert wird das aus unserem Fünf-Jahres-Programm, bei dem jedes Jahr drei Millionen Euro zur Verfügung stehen“, so Westphal.

S wie Segmentierung: Dabei soll die City stärker in ihren Einzelteilen, einzelnen Quartieren in den Fokus genommen werden. Zum Beispiel müsse man sich etwa das Brückstraßenviertel oder das Rosenviertel nahe dem Ostwall einzeln anschauen, um so in den Teilbereichen die gewünschten Qualitätssteigerungen herbeizuführen.

Einkaufen soll wieder ein Erlebnis werden

„Der Ansatz des Oberbürgermeisters, die einzelne City-Quartiere detailliert in den Blick zu nehmen, hat Charme“, sagt Tobias Heitmann. „Wir müssen Aufenthaltsqualität und auch Exklusivität schaffen. Einkaufen muss wieder ein Erlebnis werden - vielleicht mit Nightshopping, mit Außengastronomie, mit Events. Die Leute müssen gerne in die City kommen.“

Und dann kommt bei Tobias Heitmann ein Nachsatz, der neben dem Immobilienmanagement und gutem Marketing auf die vielleicht schwierigste Aufgabe des künftigen Citymanagers hinweist: „Die Leute kommen nicht gerne in die Stadt, wenn es an jeder Ecke Obdachlose und Bettler gibt. Die Stadt muss sich da kümmern.“

Das stille Betteln vor einem Geschäft ist ordnungsrechtlich nicht zu beanstanden. „Das ist eine gesellschaftliche Frage, die wir zu lösen haben“, sagt Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal.

Das stille Betteln vor einem Geschäft ist ordnungsrechtlich nicht zu beanstanden. „Das ist eine gesellschaftliche Frage, die wir zu lösen haben“, sagt Oberbürgermeister Thomas Westphal. © Schaper

Laut Oberbürgermeister Thomas Westphal „tut sie das bereits. Für Obdachlose gibt es zahlreiche Hilfs- und Unterstützungsangebote. Und das nicht zulässige ‚Aggressive Betteln‘ hat der kommunale Ordnungsdienst im Blick.“

Beschwerden über aggressives Betteln „eher gering“

Nach Erkenntnissen des Ordnungsamtes ist das Beschwerdeaufkommen hier gleichbleibend und eher gering. 2019 wurden 105 Verwarngelder erhoben, zudem gab es 334 Ordnungswidrigkeitsanzeigen wegen aggressiven Bettelns. 2020 waren es 52 Verwarngelder und 235 Ordnungswidrigkeitsanzeigen. Hinweise auf organisierte Bettelbanden mit Schwerpunkt aus Südosteuropa haben sich für das Ordnungsamt bisher nicht bewahrheitet.

Jetzt lesen

„Und das stille Betteln, bei dem Menschen auf dem Bürgersteig mit einer Schale für Geldspenden sitzen oder einen Passanten ansprechen, ist eine gesellschaftliche Frage, die wir zu lösen haben, aber ordnungsrechtlich nicht zu beanstanden“, sagt Westphal mit Blick auf geltende Rechtsprechung.

Die Obdachlosen, die auf dem Westenhellweg ihre Schlafsäcke ausbreiten, schaden nach Ansicht des Cityrings der Attraktivität und dem Image der Dortmunder Innenstadt. Die Kaufleute setzen sich für eine Betreuung der Menschen ein und sind bereit, die Sozialarbeit zu unterstützen.

Die Obdachlosen, die auf dem Westenhellweg ihre Schlafsäcke ausbreiten, schaden nach Ansicht des Cityrings der Attraktivität und dem Image der Innenstadt. Die Kaufleute setzen sich für eine Betreuung der Menschen ein und sind bereit, die Sozialarbeit zu unterstützen. © Schaper

Tobias Heitmann wünscht sich mehr - und zwar nicht mehr Bußgelder oder eine Vertreibung der bedürftigen Menschen, sondern mehr Betreuung. „Wir möchten diesen Menschen helfen, aus ihrer Situation herauszukommen“, sagt er, „denn sie haben sich diese ja nicht ausgesucht. Der Cityring ist bereit, sich einzubringen und Sozialarbeit finanziell zu unterstützen.“