Es war eine Diskussion, die man sich hätte sparen können. Dennoch war sie nicht ohne Brisanz. Im Kulturausschuss des Dortmunder Rates ging es am Dienstag, 15.11., einmal mehr um die Auslastungszahlen beim Dortmunder Schauspiel. Das wird seit der Spielzeit 2020/21 von Intendantin Julia Wissert verantwortet.
Julia Wissert habe „wieder eine ganz schlechte Performance abgeliefert“, kritisierte Joachim Pohlmann, ehemaliger Oberbürgermeister-Kandidat, heute sachkundiger Bürger für die CDU-Fraktion im Kulturausschuss. Er bezog sich allerdings auf die Zahlen aus der ersten Spielzeit 2020/21, die vor allem von der Corona-Pandemie geprägt war.
Die Auslastung im Schauspiel lag mit rund 25 Prozent deutlich unter der von Oper, Ballett sowie Kinder- und Jugendtheater. Insgesamt hatte das Theater Dortmund eine Auslastungsquote von 44,6 Prozent.
Programm umgestellt
Die geringe Auslastung im Schauspiel war bereits Anfang 2022 und im letzten Sommer ein Thema für die Politik. Julia Wissert hatte daraufhin das Programm für die laufende Spielzeit neu justiert. Dazu liegen noch keine Zahlen vor.
Das hinderte aber Pohlmann nicht daran, die Kritik der CDU zu erneuern. Warum erreiche Wissert das Publikum nicht, trotz gestiegenem Marketing-Etats, fragte Joachim Pohlmann und forderte, „die gelb-rote Karte für Frau Wissert ins Protokoll zu schreiben“.

Diese Kritik reichte für Dominik De Marco, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sich zu der überzogenen Feststellung hinreißen zu lassen, „ich weiß nicht, ob da unterschwellig Rassismus mitspielt.“ Julia Wissert ist die erste schwarze Intendantin einer deutschen Bühne.
Eine Anschuldigung, die Joachim Pohlmann nicht auf sich sitzen lassen wollte: „Ich verbitte mir diesen Rassismusvorwurf. Ich war in der Auswahlkommission. Ich habe Frau Wissert mit ausgesucht. Sie ist engagiert, aber es funktioniert nicht. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“ Wisserts Programm gehe an 80 Prozent der Stadtbevölkerung vorbei.
Vorwurf verbeten
Auch die Grünen zeigten sich überrascht, dass „Frau Wissert von manchen Menschen so angegangen wird“, so Ausschussmitglied Oliver Stieglitz. Gleichzeitig räumte er ein, „dass die Besucherzahlen besser sein könnten“, dankte aber Julia Wissert und ihrem Team für ihr Engagement.
Stadtdirektor und Kulturdezernent Jörg Stüdemann betonte noch einmal, der von der Verwaltung vorgelegte Bericht stamme aus der abgelaufenen Saison. „Heute liegen wir bei einer Auslastung von mehr als 30 bis 40 Prozent.“ Julia Wissert habe vor der Herausforderung gestanden, in einer wegen Corona nicht bespielbaren Theatersituation ein Haus mit einem neuen Konzept vollzumachen.
Lächerlicher Vorwurf
Pohlmanns Vorwurf, Julia Wissert erreiche mit ihrem Programm 80 Prozent der Stadtgesellschaft nicht, sei „völlig falsch“, sagt der Kulturdezernent; denn nur fünf bis zehn Prozent der Stadtbevölkerung erreiche man überhaupt als Theaternutzer. „Wenn Frau Wissert es schaffen würde, 20 Prozent anzusprechen, wäre sie im Best of der deutschen Theater.“
Fazit: Es war am Ende eine Diskussion zum falschen Zeitpunkt. Und es war eine unsachliche Diskussion, vor allem, was den lächerlichen Rassismusvorwurf betrifft, mit dem man auch die Arbeit von Julia Wissert herabwürdigt; denn allein um den Erfolg oder Nichterfolg ihrer Arbeit geht es. Man kann nur alle Beteiligten dazu aufrufen: Bitte die entscheidenden Fakten abwarten - und mehr Sachlichkeit in der aufgeregten Diskussion.
Julia Wissert selbst hat Texte zum strukturellen Rassismus im Theater verfasst. Und 2017 entwickelte sie zusammen mit der Anwältin Sonja Laaser die Anti-Rassismus-Klausel – einen vertraglichen Zusatz für Werkverträge in Kulturinstitutionen.
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