Wenn man in einem Ranking des Gastro-Magazins „Feinschmecker“ landet, ist das schon eine Auszeichnung. Die Zeitschrift kürt unter anderem auch die besten Restaurants und die herausragendsten Neueröffnungen. Eine Platzierung ist unter Gastronomen daher heiß begehrt.
Ein Ranking aus 2024 zeigt, dass guter Kaffee in Dortmund einen hohen Stellenwert hat. Schließlich schafften es gleich drei Dortmunder Lokale unter die 500 besten Cafés und Röstereien. Mit dabei: die Café-Conditorei Hemmer am Ostenhellweg, das Café Strickmann an der Wißstraße und das „Neue Schwarz“ an der Saarlandstraße.

Darauf kommt es bei gutem Kaffee an
Schmeckt der Kaffee hier wirklich gut? Oder haben sich die Testesser vom schönen Ambiente und dem leckeren Kuchen verführen lassen? Und wer brüht die beste Tasse? Wir haben Thorsten Lohbeck gebeten, das für uns herauszufinden. Der zertifizierte Barista leitet seit 2017 die Barista-Kurse in der Kochwerkstatt Ruhrgebiet in Herten.
Er lehrt unter anderem den Umgang mit Siebträgermaschinen und Kaffeemühlen und weiß genau, worauf es bei einem guten Kaffee ankommt. Er ist davon überzeugt: „Nicht die Maschine macht einen guten Kaffee, sondern die oder der Barista.“
Bei unserem Check testen wir jeweils Espresso und Cappuccino. Dabei achtet Lohbeck auf Konsistenz, Optik, Temperatur, Geruch und Geschmack. Zucker ist tabu, „das ist Frevel - Zucker verfälscht den Geschmack.“
Test 1: Neues Schwarz
Als Erstes geht es ins „Neue Schwarz“ in der Saarlandstraße. Dort werden wir bei der Bestellung gefragt, welche Bohne wir möchten. Zum Konzept der Rösterei gehört eine große Auswahl an verschiedenen Bohnen. Wer sich nicht auskennt, wird gern von den Mitarbeitenden beraten. Der Barista hinter der Theke empfiehlt uns die Don Claudio aus Costa Rica, die schmeckt „etwas schokoladiger und weniger sauer“.
Dass der Barista ein Profi ist, fällt Lohbeck beim Espresso sofort auf. „Die Crema schließt gut“, lobt er, soll heißen, man kann umrühren, ohne dass die Crema verschwindet. Das sei ein Zeichen, dass handwerklich gut gearbeitet wurde, sagt der Experte. Nur der Arabica-Anteil in der Bohne ist ihm zu hoch. „In Italien würde man den Kaffee so nicht trinken, höchstens im Norden. Die Bohne ist zu fruchtig.“

Er werde beim nächsten Mal eine weniger fruchtige Bohne mit einem höheren Robusta-Anteil wählen und empfiehlt das allen, die typisch italienischen Kaffee gewohnt sind. Für einen modernen Laden wie das „Neue Schwarz“ sei die Don-Claudio-Bohne allerdings eine typische Wahl.
Man bekomme hier „specialty coffee“ oder „third wave coffee“ - also Kaffee aus der Barista-Bewegung, die sich in den 90er Jahren von Starbucks inspirieren ließ, zunächst italienischen Kaffee in die Cafés holte und sich später von italienischen Konventionen löste. „Man könnte auch sagen: Das sind diese Hipster-Cafés, die irgendwann alle eröffnet haben.“ Ein ähnlicher Vertreter sei das „Bohnenkartell“ mit einer Filiale im Essener Südviertel.
Am Cappuccino hat er nichts zu kritisieren. Hier achtet er genau darauf, wie mit der Milch gearbeitet wurde. Sie sei optimal temperiert worden, lobt er. „Wenn die Milch zu heiß wird, bekommt man den Starbucks-Effekt - die Tasse schmeckt wie heißes Wasser mit Bitterstoffen. Und Starbucks verkackt wirklich jedes Mal.“
Das habe allein mit der Temperatur zu tun, nicht mit der Qualität der Milch. Aus ethischen Gründen empfiehlt er allen Gastronomen Bio-Milch, ein Laie werde aber kaum einen Unterschied zwischen teurer und billiger Milch schmecken, wenn diese perfekt aufgeschäumt wurde, sagt Lohbeck.
Test 2: Café Strickmann
Wir machen uns auf den Weg in die Innenstadt. Das Café Strickmann an der Wißstraße besticht durch sein nostalgisches Flair im 80er-Jahre-Stil. Bekannt ist es vor allem für seine Kuchen und Torten. Aber was kann der Kaffee? Recht prominent zu sehen ist der große Vollautomat, von dem per Knopfdruck Latte Macchiato und Co. in die Tasse fließen. Thorsten Lohbeck ist skeptisch.
„Streng genommen ist das kein Espresso“, sagt er, als die kleine Tasse kommt. „Espresso wird mit Druck hergestellt, den kann die Maschine nicht erzeugen, sie verdichtet den Kaffee nicht wie eine Siebträgermaschine.“ Was da in der Tasse landet, ist also eigentlich eher ein sehr kleiner Kaffee. Der Experte empfiehlt: Mit einem Kaffee Crema treffe man bei solchen Vollautomaten meist die beste Wahl.

Auch der Cappuccino genügt seinen Ansprüchen nicht. Der Milchschaum sei „viel zu dicht - dafür aber cremig und das mögen die Leute.“ Moderner sei der weniger feste Schaum, der in die Crema eingearbeitet wird, wie beim „Neuen Schwarz“. Noch ein Kritikpunkt: „Der Kaffee hat keine Power. Er ist unstrukturiert, hat kein Mundgefühl. Der schmeckt wie Filterkaffee mit Schaum.“
Schaut man sich im Café Strickmann um, blickt niemand so skeptisch in die Tasse wie Lohbeck. Viele bestellen ein Kännchen Kaffee, begleitend zum Star des Cafés: dem Kuchen. In der Tat lobt das Gastro-Magazin „Feinschmecker“ besonders die Kuchen und Torten im Strickmann. Auch wir probieren ein Stück Apfel-Zimt-Streusel-Kuchen - und sind restlos begeistert. Der Fokus liegt ganz eindeutig auf hochwertigen Backwaren.
Test 3: Café-Conditorei Hemmer
Ähnlich verhält es sich in der Café-Conditorei Hemmer am Rande des Ostenhellwegs. Auch dieses Lokal ist bekannt für das gemütliche 80er-Jahre-Ambiente und wird vom „Feinschmecker“ ebenso für den Kuchen angepriesen. Ein Geschmackstest an einem Rahm-Streusel-Kuchen mit Aprikosen zeigt schnell: absolut zu Recht. Was ergibt der Kaffee-Check?
Auch wenn hier ebenfalls ein Vollautomat steht, ist der Kaffee-Experte diesmal weniger skeptisch. Denn hier wird der Espresso nett angerichtet mit einem kleinen Glas Wasser gereicht - „das gehört eigentlich zum guten Ton, wird aber nicht mehr so oft gemacht.“

Allerdings: „Die Espressotasse ist viel zu voll, das ist eigentlich ein Doppio, also ein doppelter Espresso.“ Im Geschmack ließen sich kaum Nuancen herausschmecken. „Viele Bitterstoffe, wenig Geschmack. Ohne Zucker kann man den nicht trinken, sonst kippt die Oma um.“ Möglicherweise könne das an der Voreinstellung des Vollautomaten liegen. Sei zum Beispiel das Wasser zu heiß eingestellt, könne das den Kaffee bitter machen.
Der Cappuccino kommt besser weg. Zwar sei der Milchschaum auch hier zu dicht, „aber der ist lecker und dem normalen Gast wird das schmecken.“ Dass überhaupt so viel dichter Schaum auf dem Cappuccino liegt, sei eine überholte Technik, die gerade bei jüngeren Kunden und Kaffee-Gourmets weniger beliebt sei. „Trotzdem ist der Kaffee hier insgesamt wirklich in Ordnung. Eine typische Tasse, wie man sie auch in einem guten Wiener Hotel bekommen würde.“
Kaffee in Dortmund
Für Kaffee-Gourmets dürfte die Wahl klar sein. „Die Zubereitung im ‚Neuen Schwarz’ hat mich begeistert, das war perfekt“, sagt der Barista. Dies sorge auch dafür, dass Dortmunds Stellenwert als Kaffee-Stadt im Ruhrgebiet gestiegen sei. „Dortmund liegt auf Platz 1, nur Bochum kann da noch heranreichen.“
Dass Cafés wie das Strickmann und das Hemmer den Fokus mehr auf Kuchen als auf Kaffee legen, sei völlig verständlich. „Am Ende ist es sowieso eine Geschmacksfrage. Alles hat seine Daseinsberechtigung und jeder bevorzugt etwas anderes.“ Thorsten Lohbecks Glaubenssatz: „Hauptsache Kaffee, denn: Kein Koffein ist auch keine Lösung.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 20. Dezember 2024.