Burger-Boom hat Dortmunds Gastro-Szene revolutioniert Der Weg vom Fast Food zum Sterne-Gericht

Auf den Spuren des Burger-Booms: Warum er die Gastronomie revolutionierte
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Wir drehen die Zeit zurück in die 2010er Jahre. Burger gibt es plötzlich nicht nur bei Burger King und McDonald‘s, sondern in trendigen Burger-Läden, die von bärtigen Hipstern geführt werden. Überall holen Gastronomen den Burger aus den USA als Trend nach Europa, Deutschland und ins Ruhrgebiet, machen ihn zum Lifestyle-Produkt - eine Revolution für die Gastro-Landschaft. Wer in der Kleinstadt wohnt, fährt extra in die nächste Großstadt, um zum ersten Mal einen „richtigen“ Burger zu essen. Der Patty zwischen zwei Brötchenhälften wird vom reinen Fast Food zum veritablen Gericht.

Wer aber heute die Dortmunder Gastro-News verfolgt, liest reihenweise von Neueröffnungen - und Schließungen. So mancher könnte meinen, der Markt müsse doch längst übersättigt sein - im wahrsten Sinne des Wortes. Stöhnen die Dortmunder immer wieder über das Überangebot an Dönerbuden, beschweren sich viele gleich danach über den Überschuss an Burger-Läden. Zumal sich längst nicht jeder halten kann.

Victoria Lotte-Weber in ihrem damaligen Burger-Restaurant "Buffalo Beef" in Dortmund.
Lang ist’s her: Victoria Lotte-Weber in ihrem damaligen Burger-Restaurant "Buffalo Beef". Der Laden gehörte während des Burger-Booms zu den beliebtesten Adressen in Dortmund (Archivbild) © Dieter Menne (Archivbild)

Wir sind mit Dortmunder Szene-Experten auf Spurensuche nach dem Burger-Boom gegangen und haben gefragt: Warum hat der Burger eine so beispiellose Karriere hingelegt und die Gastro-Szene revolutioniert? Und warum beißt sich der Burger in seiner Entwicklung jetzt selbst in den Schwanz?

Burger-Boom in Dortmund

An den anfänglichen Burger-Boom erinnert sich Michael Dyllong, Sternekoch in Dortmund, im Gespräch mit der Redaktion gut. Er hat gerade ein eigenes Burger-Konzept in Hombruch gestartet und vorher viel in der Dortmunder Burger-Szene recherchiert.

In Dortmund habe alles mit „Pottburger“ an der Kleinen Beurhausstraße 20 in der Nähe des Westparks begonnen. 2014 eröffnet Niklas Mand den ersten hippen Burger-Laden der Stadt.

„Er hat alles richtig gemacht“, sagt Dyllong. Der Sternekoch erinnert sich an „Pottburger“ - und auch daran, dass Mand sein Geschäft 2016 „für viel Geld“ verkaufte. Die Abnehmer: Drei Dortmunder Studenten, die an das Franchise-Potenzial glaubten. „Food Brother“ war geboren. Inzwischen gibt es 21 Filialen. Der Burger-Boom der 2010er Jahre kam in Dortmund damit etwas zeitverzögert an. 2010 ging mit „Hans im Glück“ eines der ersten Franchises in Deutschland an den Start.

Und doch florierte die Szene auch hier. Seit 2017 hält „Olafs“ sich an der Rheinischen Straße und ist damit eines der ältesten Burgerläden in Dortmund. Nach Pottburger/Food Brother wichtiger Akteur in Dortmund: Buffalo Beef im Kreuzviertel. Victoria Lotte-Weber, heute Chefin im „Schönes Leben“, eröffnete den Laden 2016, eigentlich als Projekt für ihre Bachelor-Arbeit über Burger-Franchises. Dass der amerikanische Klassiker sich hervorragend als Franchise-Produkt eignet, habe Food Brother damals eindrucksvoll bestätigt. Aktuell beobachtet sie den Hype um den Smashburger.

Der Burger verdaut sich selbst

Im Gespräch mit den Experten wird klar: Der Burger hat so viele Entwicklungsstufen durchlaufen, dass er sich inzwischen gewissermaßen selbst verdaut hat. Ging es einst mit dem Cheeseburger von McDonald‘s los, schossen durch den Burger-Boom in den 2010er Jahren hippe Burger-Läden „wie Pilze aus dem Boden, das war verrückt“, so Lotte-Weber.

„Die Speisekarten wurden immer individueller. Es ging darum, auszuloten, was alles geht. Das Fleisch stand zunächst im Vordergrund. Dann entstanden die wildesten Kombinationen mit Ziegenkäse, Preissilbersoße, Walnüssen, Spargel und alles Mögliche andere.“ Sie war live dabei, als der Markt immer weiter wuchs, auch durch zahlreiche halal-zertifizierte Läden - gerade im muslimisch geprägten Ruhrgebiet wichtig.

Ein Burger von „Five Guys“ liegt neben einer Portion Pommes und einem Getränkebecher.
Ende 2019 zog eine Filiale des amerikanischen Burger-Franchise „Five Guys“ an den Dortmunder Westenhellweg. © Five Guys

Dann die Veredelung des einstmaligen Fast Foods: Sterneköche interessierten sich für den Burger. So ist Frank Rosin zum Beispiel bekennender Burger-Fan. Paul Kondring brachte mit „Royal Burger“ einen mit 24-Karat-Gold verzierten Burger an den Dortmunder Ostwall. Die Gastronomie gibt es inzwischen nicht mehr.

Vielmehr scheint sich der Kreislauf des Burgers aktuell zu schließen: Mit dem puristischen Smashburger, der meist nur aus einem plattgedrückten Patty und Käse besteht, geht es quasi wieder an den Anfang zurück. Der Inhaber von Yaja‘s Smashburger in der Dortmunder Innenstadt bezeichnete seinen Imbiss in einem Gespräch mit der Redaktion selbst als „Luxus-McDonald‘s“.

Wie bewerten Gastronomen den aktuellen Hype um den Smashburger? Sternekoch Michael Dyllong glaubt nicht, dass er sich langfristig in Dortmund halten wird. „Dafür ist der Dortmunder nicht bereit. Der will viel Fleisch und auf einem Smashburger ist zu wenig drauf.“ Für so wenig Fleisch sei der Dortmunder nicht bereit, einen vergleichsweise hohen Preis zu zahlen.

Eine Hand hebt die obere Brötchenhälfte eines Burgers hoch. Belegt ist er mit verschiedenem Gemüse und Soßen.
Stand beim Burger zunächst das Fleisch im Vordergrund, etablierten sich schnell auch vegetarische und vegane Varianten. © Rebekka Wölky

Laut Victoria Lotte-Weber spiele der Smashburger vor allem für junge Leute eine Rolle. Sie glaubt, dass der Food-Trend aktuell für einen Aufschwung in der Burger-Szene sorgt. Unrecht hat sie damit offenbar nicht: In diesem Jahr haben in Dortmund neun reine Burger-Läden eröffnet, drei davon bieten Smashburger an (Stand: 16.11.).

Der Burger gehört nach Dortmund

Ein Highlight unter den Neueröffnungen: Dyllong lässt sein Daichi-Sushi von Hombruch nach Kirchhörde ziehen und startet am Hombrucher Standort ein neues Burger- und Rippchen-Konzept. Brauchte Dortmund wirklich ein weiteres Burger-Restaurant?

Befindet man sich im Zentrum von Dortmund und sucht man in der Lieferando-App nach Burgern, spuckt der Lieferdienst immerhin ganze 108 Lokale aus. Darunter sind auch Fast-Food-Riesen wie McDonald’s, Franchises wie Food Brother sowie Imbisse und Restaurants, bei denen neben Burgern viele weitere Gerichte auf der Karte stehen. Mehr Treffer hat nur die Pizza (133, Stand: 25.11), sogar der Döner hat mit 77 Treffern deutlich weniger als der Burger.

Yaja‘s Smashburger an der Reinoldikirche in Dortmund.
Yaja‘s Smashburger eröffnete im Frühling 2024 in der Dortmunder Innenstadt. © Yasmin Mende

Dyllong ist davon überzeugt, dass sein Konzept trotzdem seinen Platz hat, zumal es im Dortmunder Süden ein deutlich kleineres Angebot gibt. Er habe sich durch die meisten Burger in Dortmund probiert und eines festgestellt: „Viele machen ihr Fleisch nicht selbst. Sie bekommen es fertig geliefert oder lassen es auftauen. Heißt: viele Zusatzstoffe, viele Convenience-Produkte.“ Auch bei beliebten Burger-Läden in Dortmund sei er teilweise enttäuscht worden. Darüber, welche das waren, hält er sich lieber bedeckt.

Er ist davon überzeugt, dass am Ende nur die Gastronomien überleben, die auf Qualität setzen - auch, wenn die mehr kostet. „Wir haben lange gebraucht, bis wir die perfekte Mischung für das Fleisch hatten, wussten, wie viel Fett sein muss und welche Teile vom Rind am besten sind. Das kann ein Laie nicht herausfinden“, so der Sternekoch. Ein Burger, auf dem Dyllongs Name steht, dürfte jedenfalls noch einmal andere Kunden anlocken, als eine Imbiss-Bude.

Seine Idee ist ein gutes Beispiel für die These von Victoria Lotte-Weber: „Der Burger ist gesellschaftsfähig geworden. Seit dem Burger-Boom ist der Burger auch in normalen Restaurants nicht mehr von der Speisekarte wegzudenken - selbst Omas essen sie. Das wäre früher undenkbar gewesen.“

Dadurch, dass er Burger eine kreislaufartige Entwicklung durchlaufen hat, hat er sich in jeder Gesellschaftsschicht etabliert. Auch wenn auf dem Weg viele Lokale schließen mussten: Die Burger-Konzepte sind geblieben.

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 29. November 2024.

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