Was ist das drängendste Problem in Dortmund?
Aus meiner Perspektive ist Kinderarmut das drängendste Problem in Dortmund. In Deutschland wächst jedes fünfte Kind in Armut auf, hier in Dortmund fast jedes dritte. Im NRW-Vergleich sind wir, was die Höhe von Kinderarmut angeht, auf Platz 5. Da ist man nicht gerne so weit oben auf der Liste. Durch die Krisen der vergangenen Jahre hat es sich noch verschärft und dem muss jetzt endlich strukturell begegnet werden. Denn Armut hat wahnsinnig viele Nachteile. Armut begrenzt, ist beschämend, macht krank, verhindert Zukunftsperspektiven - sowohl individuell, auch als für unsere Gesellschaft. Das Thema Kindergrundsicherung war in der vergangenen Regierung schon ein großes Thema. Das muss jetzt wieder aufgenommen und auch konsequent umgesetzt werden. Gleichzeitig muss man auf die Bedürfnisse und Wünsche von Kindern und Jugendlichen stärker eingehen. Es braucht mehr Partizipationsmöglichkeiten. Wir müssen sie mehr in die Prozesse einbeziehen. Kinder- und Jugendparlamente sind da gute Beispiele, aber auch zum Beispiel ein Wahlalter ab 16.
Das ist Hannah Rosenbaum
- Wahlkreis Dortmund II
- Alter: 36
- Wohnort: Dortmund
- Familienstand: ledig
- Beruf: politische Geschäftsführerin der Hagener Ratsfraktion
- Partei: Vorsitzende der Dortmunder Grünen
- Vorherige Kandidaturen: keine
Zuletzt ging es viel um die Regulierung von Migration. Was würden Sie an der aktuellen Migrationspolitik ändern?
Wir müssen da vollständig den Ton ändern. Wenn man sich unsere Vergangenheit und Gegenwart betrachtet und auch wenn man in die Zukunft schaut: Deutschland ist und bleibt ein Einwanderungsland. Dadurch kommen bestimmte Herausforderungen mit und bestimmte Aufgaben. Anstatt Scheindebatten zu führen, müssen wir diesen Problemen endlich begegnen. Man muss Möglichkeiten schaffen, Arbeitsmigration zu erleichtern - Anerkennung von Zeugnissen, von Berufsabschlüssen und Berufserfahrung. Da muss man auch kreative Lösungen finden, damit Menschen möglichst schnell in Arbeit kommen. Gleichzeitig müssen Menschen, die hier hinkommen, weil sie geflüchtet sind und hier das Recht auf Asyl genießen - an dem wir auch nichts ändern wollen - schnell in die Gesellschaft integriert werden, durch Aufhebung von Arbeitsverboten und Stärkung von Integrationsmaßnahmen. In der Vergangenheit hatte sich auch gezeigt, dass die Kommunen da schon richtig viel leisten, da muss man nur noch stärker unterstützen. Dann können wir auch allen Menschen ein gutes Leben hier in Deutschland ermöglichen - ohne Schlagbäume an den europäischen Grenzen.
Lebensmittel, Miete, Energie, alles wird teurer. Was wollen Sie dagegen tun?
Die große soziale Frage hat die letzten Wochen, Monate und Jahre bestimmt, die Menschen sind sehr verunsichert. Da ist es Aufgabe von Politik, neue Sicherheit zu schaffen. Es gibt verschiedene Bausteine, an denen man da ansetzen kann, um Menschen das Leben zu vereinfachen. Einer der grundlegenden Punkte ist eine faire Bezahlung, gute Löhne. Die Anhebung des Mindestlohns ist ein guter Punkt, weil sich das auch auf weitere Löhne auswirkt, aber auch auf die Menschen, die eben weniger verdienen. Die haben 15 Euro durchaus verdient, und zwar sofort und dann kontinuierlich angepasst. Darüber hinaus muss man mehr Leute durch ein Tariftreuegesetz in Tarifverträge bekommen - das wurde auch in der Ampel diskutiert, hat es leider nicht mehr geschafft. Ein Projekt, das man mit in die Zukunft nehmen sollte. Ein weiterer Baustein ist das Deutschland-Ticket. Ich glaube, nie hat etwas ÖPNV so attraktiv und günstig gemacht. Das schont den Geldbeutel und sollte erhalten bleiben.
Es geht auch darum, wie ich überhaupt eine Wohnung finde. Nennen Sie uns da eine Lösung.
Der Preis spielt bei Wohnungen eine große Rolle. Ich komme aus der Nordstadt, im Vergleich zu anderen Stadtteilen sind da die Wohnungspreise vielleicht noch moderat. Aber wenn man sich die Entwicklung in den vergangenen Jahren anschaut, sind sie dort geradezu explodiert. Es ist einer der Stadtteile mit den am meisten steigenden Mieten und solchen Entwicklungen muss man begegnen. Die Mietpreisbremse hat es ja auch noch in die Verlängerung geschafft. Die muss angegangen und ausgebaut werden, damit sie noch ein schärferes Schwert wird und Mieterinnen und Mieter vor steigenden Mieten schützt. Gleichzeitig muss es gelingen, neue Wohnungen zu bauen. Die Gelder für sozial geförderten Wohnungsbau müssen ausgebaut werden. Da muss man vielleicht auch an die Bauordnungen ran, damit man unbürokratisch kreative Lösungen finden kann - man kann Gebäude ja auch aufstocken. Genau solche Dinge müssen vereinfacht werden, um schnellstmöglich neuen Wohnraum zu schaffen.
Jetzt schauen auf die ganze Welt: Trump, Kick, Le Pen - in vielen Ländern erstarken die politischen Extreme. Was wollen Sie dagegen machen?
Das besorgt uns alle sehr. Mein erster Schritt ist zu prüfen, ob die AfD nicht verboten gehört. Sie ist ja das deutsche Pendant zu den entsprechenden Personen, die gerade genannt wurden. Wenn man sagt: „Wir entzaubern die durch irgendwelche Diskussionen“, da frage ich mich: Was haben wir die ganzen letzten Jahre denn gemacht? Da müssen jetzt Maßnahmen ergriffen werden, um mit den Mitteln des Rechtsstaats dagegen vorzugehen. In weiten Teilen ist die AfD in vielen Bundesländern als gesichert rechtsextrem eingestuft - da muss sich eine Demokratie auch wehren können. Zum anderen müssen wir in unserem Sprachgebrauch aufpassen - in der Politik, aber auch in anderen Kreisen - dass wir nicht die Narrative von der AfD ungefiltert in unseren Sprachgebrauch übernehmen oder - wenn man sich einige demokratische Kolleginnen anschaut - sogar nochmal verschärft wiedergeben.

Wer ist Ihr politisches Vorbild?
Ein direktes Vorbild habe ich nicht, aber ich mag den Austausch mit Claudia Roth immer gerne. Das ist immer schön, wenn sie uns hier in Dortmund besucht.
Danke für das Gespräch.