„Wir müssen viel mehr in Wohnungsbau investieren“ Jens Peick (SPD) im Interview

Jens Peick (SPD): „Wir müssen viel mehr in Wohnungsbau investieren“
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Herr Peick, was würden Sie sagen, ist das drängendste Problem in Dortmund aktuell?

Da ist Dortmund ja nicht sehr unterschiedlich wie die restliche Republik. Ich glaube, wir müssen ganz viel in unsere Infrastruktur investieren, in unsere Straßen, in unsere Schulen, Kinder-Tageseinrichtungen, damit hier alles läuft. Und natürlich haben wir immer noch ein Problem mit dem Strukturwandel. Da ist die Arbeitslosigkeit, die ist fast doppelt so hoch wie im Rest Deutschlands. Da müssen wir was tun.

Zum Thema

Das ist Jens Peick

  • Alter: 43
  • Wohnort: Dortmund
  • Familienstand: verlobt, keine Kinder
  • Beruf: Dipl.-Verwaltungswirt (FH), derzeit Bundestagsabgeordneter
  • Partei: Vorsitzender der SPD Dortmund
  • Vorherige Kandidaturen: Bundestagswahl 2021
  • Wahlkreis: Dortmund I

Es wurde viel beschlossen rund um die Regulierung von Migration in den letzten Monaten und Jahren. Was würden Sie an der aktuellen Migrationspolitik ändern?

Wir haben, glaube ich, schon sehr viel geändert. Da ist mal wichtig zu sagen. Wir haben uns darum gekümmert, dass wir Migration begrenzen, haben uns aber auch klar zum Asylrecht bekannt. Die Zahl der Asylanträge ist im letzten Jahr um 30 Prozent gesunken und wir haben Zugangswege zu Deutschland geschaffen, die es vorher nicht gab.

Fachkräfte-Einwanderung ist wichtig für unser Land, für unsere Wirtschaft. Wir brauchen Fachkräfte und haben da über das Fachkräfteinwanderungsgesetz Möglichkeiten geschaffen, dass Menschen zu uns kommen, und dafür gesorgt haben, dass Menschen sich besser integrieren. Und ich glaube, die Integration ist auch die große Aufgabe für die Zukunft. Die Menschen, die hier sind, müssen ihren Platz in dieser Gesellschaft finden.

Also alles gut, weiter so?

Nein, ich sage, wir müssen viel mehr in der Integration tun. Wir müssen da investieren. Das kostet auch viel Geld. Wir müssen mal auch akzeptieren, dass es Menschen gibt, die hier sind, die kein dauerhaftes Aufenthaltrecht haben, aber vielleicht auch nicht mehr gehen werden oder wahrscheinlich nicht mehr gehen werden, aus vielen Gründen.

Und da müssen wir uns darum kümmern, dass jeder hier Arbeit finden kann, ein entsprechendes Auskommen hat und seinen Beitrag zu unserem Land leistet.

Anderes Thema: Lebensmittel, Miete, Energie: Gefühlt und auch tatsächlich wird alles teurer. Was wollen Sie dagegen tun?

Definitiv. Auch da haben wir reagiert, indem wir sehr viel Geld in die Hand genommen haben, um die Strom- und Gaspreisbremse auf dem Weg zu bringen und Einmalzahlungen. Und wir sehen, dass das Leben weiter teuer ist für die Menschen. Deswegen wollen wir die Mehrwertsteuersatz senken von sieben auf fünf Prozent für Lebensmittel.

Und wir gucken natürlich vor allem, dass die Löhne passen. Wir haben die stärkste Reallohnentwicklung der letzten Jahre. Das ist gut. Das heißt, die Menschen behalten auch mehr Geld in der Tasche. Es sind nicht nur Lohnerhöhungen, sondern auch das, was übrig bleibt, wenn man die Inflation abzieht, ist gut. Aber wir wollen mehr Tarifbindung. Wir wollen noch mal den Mindestlohn erhöhen, weil das ist gerade für die schwächeren Einkommen das Instrument, dafür zu sorgen, dass sie am Ende ihr Leben bestreiten können.

Viele Bürger suchen vergebens eine für sie passende Wohnung oder ein Haus. Nennen Sie Ihre Idee für die Lösung des Problems.

Das ist definitiv eine der drängendsten sozialen Fragen, die wir schon lange adressieren. Deswegen wollen wir die Mietpreisbremse verlängern, die es für die Gebiete gibt, wo es wirklich richtig teuer ist. Dort darf die Miete nur 6 Prozent in drei Jahren gegenüber der ortsüblichen Miete steigen.

Und wir müssen viel mehr in Wohnungsbau investieren, wir müssen da entbürokratisieren. Viel Wohnungsbau findet deshalb nicht statt, weil wir einfach so viele bürokratische Auflagen haben, dass das zu teuer ist, dass sich das für die Bauherren nicht lohnt. Da müssen wir ran und dann gucken, dass wir sozialen Wohnungsbau fördern.

Glauben Sie, dass es in den letzten Jahren zu wenig sozialen Wohnungsbau gegeben hat?

Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten da ganz viel aufgegeben. Da wurden Wohnungsbaugesellschaften, die in staatlicher Hand waren, sich darum gekümmert haben, dass es bezahlbares Wohnen gibt, verkauft, dem Markt überlassen. Und ich glaube, das war ein Fehler und da müssen wir schon was zurückholen.

Jens Peick beim Interview mit Ruhr-Nachrichten-Redakteur Thomas Thiel im Videostudio des Medienhauses
Jens Peick beim Interview mit Ruhr-Nachrichten-Redakteur Thomas Thiel im Videostudio des Medienhauses © Stephan Schuetze

Trump, Kickl, Le Pen, in vielen Ländern erleben wir gerade ein Erstarken der politischen Extreme. Was wollen Sie dagegen machen?

Am Wichtigsten ist erst mal zu sagen, dass wir echte Lösungen anbieten wollen für die Probleme, die Menschen wirklich bewegen und dass andere nur Scheindebatten aufmachen, manchmal Lösungen für Probleme vorschlagen, die gar keine sind. Es wird mit sehr viel Desinformation gearbeitet.

Für mich ganz persönlich ist wichtig zu adressieren, was die Menschen wirklich bewegt. Das sind die Fragen: Habe ich eine sichere Rente im Alter? Wann kann ich eigentlich in Rente gehen? Wird die Lebensarbeitszeit verlängert oder nicht? Wie sind meine Arbeitsbedingungen? Wie ist mein Gehalt?

Und dass wir weniger über Randthemen diskutieren, die die Gesellschaft immer hervorragend spalten, in SUV-Fahrer und Fahrradfahrer oder in Genderfragen. Jeder ist für die Gleichberechtigung von Frau und Mann, jeder ist für Klimaschutz. Aber in Detailfragen zerstreiten wir uns immer, anstatt das große Ganze im Auge zu behalten.

Deswegen ist mir eher wichtig, dass wir mal das Zusammenführende betrachten und dann echte Lösungen für die Probleme der Menschen anbieten.

Was ist ihr wichtigstes Thema für Ihre Zeit in Berlin, für Ihre möglicherweise nächsten vier Jahre?

Das drängendste Thema, glaube ich, ist die Frage, wie wir Industriearbeitsplätze in Deutschland sichern, wie wir die Wirtschaftsfähigkeit in Deutschland wiederherstellen. Ich war die letzten Tage und Wochen häufig bei Thyssenkrupp, wo ganz viele Menschen hier in Dortmund um ihren Arbeitsplatz bangen, weil sie zu hohe Strompreise zahlen müssen als energieintensive Industrie. Wir müssen dafür sorgen, dass wir eine Strompreisbremse bekommen, dass wir uns darum kümmern, dass wir wettbewerbsfähig bleiben, indem wir - wie auch die USA und China - Geld in unsere Wirtschaft stecken. Und das passiert gerade noch zu wenig.

Sie sagen: „Das war in den letzten Jahren zu wenig.“ Jetzt kann man sagen, ja, warum? Sie waren doch an der Regierung.

Das ist eine berechtigte Frage, die ich natürlich häufig höre. Aber es gehört dazu zur Demokratie, dass man zwar eine von drei Parteien in der Regierung war, wir einen ganz klaren industriepolitischen Kompass haben und ein ganz klares Ziel und Maßnahmen vor Augen, aber dafür eine Mehrheit brauchen. Diese Mehrheit war mit der FDP nicht möglich.

Deswegen ist die Regierung auch gescheitert, weil die FDP an der Schuldenbremse festhalten wollte. Wir glauben, das schadet unserem Land. Wenn wir nicht in die Infrastruktur, in die Wirtschaft investieren, sind das auch Belastungen für die jüngere Generation, für die Zukunft, weil das alles Kosten sind, die irgendwann übernommen werden müssen. Und deswegen kämpfen wir jetzt auch wieder für eine klare Mehrheit für diese Ziele.

Zum Abschluss noch eine persönliche Frage. Wer ist Ihr politisches Vorbild?

Das ist schwierig. Ich glaube, das ist so ein Mix aus ganz vielen politischen Persönlichkeiten: die man aus der Geschichte kennt, die man persönlich getroffen hat, Menschen, die einen hier in in Dortmund geprägt haben, aber natürlich auch große Sozialdemokraten wie Willy Brandt oder Helmut Schmidt.

Herr Peick, vielen Dank für das Gespräch.