CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat im Bundestagswahlkampf betont, keine neuen Schulden aufnehmen zu wollen. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse solle Bestand haben. Nicht einmal einen Monat nach der Wahl die Kehrtwende: CDU und SPD haben sich auf eine Reform der Schuldenbremse und ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur geeinigt. Mit einer Verdopplung des Anteils für Klimaschutz-Investitionen sind CDU und SPD auch den Grünen nochmals deutlich entgegengekommen, um die notwendige Zweidrittel-Mehrheit zu erreichen. Doch unumstritten ist das Finanzpaket, über das Dienstag (18.3.) im Bundestag entschieden wird, auch bei den Dortmunder Parteien und deren Wählern nicht - insbesondere was die im Wahlkampf getätigten Aussagen angeht.
Junge Union unzufrieden mit Finanzpaket
Die Dortmunder CDU kann zwar nicht direkt mitstimmen, denn sie hat keinen Abgeordneten im Bundestag. Doch vor allem die Junge Union äußert Kritik am Richtungswandel ihres Parteivorsitzenden Friedrich Merz und hat ein Stellungspapier gegen ihren Parteichef formuliert. Die stellvertretende Parteichefin der Dortmunder CDU Sarah Beckhoff hat daran als Bundesvorstandsmitglied der Jungen Union mitgewirkt:
Sie sehe es zwar positiv, dass Merz Europas Verteidigungsfähigkeit wiederherstellen wolle - aber bitte nicht über neue Schulden. „Es wird Zeit, Versprechen zu halten“, heißt es in dem Papier eindeutig. Die Junge Union hat andere Vorschläge: Sie fordert eine Verdopplung des Anteils der Verteidigungsausgaben, der ohne Reform der Schuldenbremse noch aus dem regulären Bundeshaushalt gezogen wird. Merz will jenen Anteil auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts begrenzen, Beckhoff und die JU fordern zwei Prozent. Die Finanzierung der Bundeswehr solle außerdem über eine „Verteidigungsumlage“ gestärkt werden.
CDU-Wähler sehen Vertrauensbruch
Und auch die 500 Milliarden Sonderschulden für Infrastruktur - wie etwa Schulen, Brücken und Straßen - lehnt Beckhoff ab. „Ein Sondervermögen setzt einen Sonderfall wie eine Pandemie oder einen Angriffskrieg voraus. Infrastruktur ist dagegen der Regelfall staatlicher Daseinsvorsorge“, begründet Beckhoff dies in dem Papier der Jungen Union.
Zudem seien die Begriffe „Infrastruktur“ und „Investition“ nicht klar definiert und beinhalteten quasi „alles außer Tierfutter“. Sie befürchtet zudem, dass weitere Schulden zum Absinken der regulären, über den Bundeshaushalt finanzierten Investitionen führten.
Unklar, was unter Infrastruktur fällt
Die Kritik, so ihr Eindruck, werde auch in der gesamten Dortmunder CDU geteilt - allerdings gebe es eine auffällige Zurückhaltung. „Es wird vieles abgewartet. Dass man Kompromisse eingehen muss, kann jeder nachvollziehen: Die Frage ist nur - ist man da nicht ein bisschen zu weit gegangen?“ Vor allem bei den CDU-Wählern werde der Wandel beim Thema Schulden als Vertrauensbruch wahrgenommen. „Viele sagen mir: Wenn ich nochmal wählen würde, würde ich euch nicht noch einmal meine Stimme geben.“
Der Dortmunder Parteichef Sascha Mader sieht das differenzierter: Mehr Schulden für die Verteidigung aufzunehmen, das sei unkritisch. Beim Thema Infrastruktur werde aber befürchtet, dass verwässert werden könnte, was genau darunter verstanden wird. „Wenn es um den Zustand der Brücken auf der A45 / Sauerlandlinie geht, gibt es dafür bei uns eine große Akzeptanz.“ Wenn damit auch die soziale Infrastruktur, also beispielsweise das Bürgergeld, gemeint sei, gebe es aber keine Unterstützung der Union.
SPD spricht von Täuschung der CDU-Wähler
Die beiden Dortmunder Sozialdemokraten, die sowohl im bisherigen als auch im künftigen Bundestag vertreten sind, werden dem gewaltigen Finanzpaket zustimmen. Sabine Poschmann betont: Die SPD stehe zu dem, was sie bereits vor der Wahl gesagt habe. Es brauche jetzt Zukunftsinvestitionen in den Bereichen Infrastruktur, Klimaschutz und Verteidigung. Es sei ein „gutes und wichtiges Paket für unser Land“.
Und auch ihr Fraktionskollege Jens Peick ließ per Mail mitteilen: „Ich werde zustimmen. Wir stehen vor großen Herausforderungen: Unsere Wirtschaft und Infrastruktur müssen wir auf Vordermann bringen.“ Der Sozialdemokrat lobt die Grünen, die zeigen würden, dass sie ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht würden.
Kritisch äußert er sich zur CDU: „Jetzt nach der Wahl ist auch die CDU/CSU bereit, mit dem Sondervermögen Infrastruktur und der Reform der Schuldenbremse die notwendigen finanziellen Spielräume zu schaffen - besser spät als nie. Damit wird aber auch deutlich, dass Friedrich Merz die Wählerinnen und Wähler mit seinen Aussagen im Wahlkampf getäuscht hat.“
Grüner: „Es fühlt sich komisch an“
„Ich werde zustimmen, weil das Ergebnis, wie wir es nachverhandelt haben, gerechtfertigt ist.“ Mit diesem verschachtelten, aber inhaltlich klaren Satz geht Markus Kurth in seine letzte Sitzung als Teil des Deutschen Bundestags.
Der Grünen-Abgeordnete aus Dortmund, der seit 2002 im Parlament sitzt und bei der Wahl 2025 nicht mehr antrat, sieht es gewohnt sachlich: Einen „Schönheitspreis“ werde man mit der Abstimmung nicht gewinnen, aber das sei einerseits das Ergebnis des „machttaktischen Handelns des Herrn Merz“ und andererseits eine Notwendigkeit, weil sich Deutschland und Europa nicht mehr auf Rückhalt im Weißen Haus verlassen könnten.
Er habe in der Fraktionssitzung der Grünen schon Kritik geäußert. „Es fühlt sich komisch an“, nach der Wahl mit alten Mehrheiten zu agieren. Dennoch: Inhaltlich richtig sei die Abstimmung.