Emotionale Achterbahn für Brotmanufaktur in Dortmund „Mein Gott, wer soll das aushalten?“

Nach Rettung der Brotmanufaktur: „Die letzten 14 Tage waren schlimm“
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Immer wieder muss Denise Sippel während unseres Gesprächs kurz schmunzeln oder tief durchatmen. Trotz ihrer insgesamt lockeren Ausstrahlung spürt man, wie sehr sie die letzten Tage mitgenommen haben. Dem sympathischen Lachen weichen hier und da zufriedene Seufzer. Zuerst musste die erfahrene Bäckermeisterin aus der Wichlinghofer Holzofenbäckerei „Brotmanufaktur“ schweren Herzens ihren teils jahrelangen Mitarbeitern sagen, dass es für den Betrieb nicht weitergeht, ehe die erlösende Nachricht der Rettung mindestens mal einen ganzen Stadtteil aufatmen ließ. „Ein Wechselbad der Gefühle war das. Die letzten 14 Tage waren wirklich richtig schlimm“, beschreibt sie selbst das Auf und Ab.

Die Schließung der Brotmanufaktur in Dortmund-Wichlinghofen zum 30. April war eigentlich schon beschlossene Sache. „Nicht stemmbar“ seien die nötigen teuren Renovierungsarbeiten gewesen. Doch finanzielle Hilfe aus der Familie und ein unheimliches Engagement vonseiten der Kunden, angeregt über sämtliche Kanäle wie Facebook und Co., bescherten die Rettung in förmlich letzter Sekunde (wir berichteten).

„Es war wirklich wie in einem richtig kitschigen Film oder Roman, so wie man sich das vorstellt“, blickt Denise Sippel auf die turbulenten vergangenen Tage zurück und ergänzt: „Ich musste meinen Leuten sagen: Wir machen nicht weiter. Und die waren richtig betroffen, weil sie eng mit dem Unternehmen verbunden sind. Am Samstag (27.4., Anm. d. Red.) habe ich dann alle zusammengerufen und gesagt: Wir haben gute Nachrichten, wir machen doch weiter. Diese Erleichterung in den Gesichtern zu sehen und diese Freude. Genial.“

Kunden kamen persönlich vorbei

Die Bäckerei im Dortmunder Stadtteil Wichlinghofen bedient schon seit 2016 ihre Kunden mit handgemachten Leckereien aus dem alten Holzofen. Nicht nur unter den Mitarbeitern herrscht eine fast familiäre Bindung – auch zu den Kunden pflegen Denise Sippel und ihre Kollegen an der Markhege ein enges Verhältnis. „Die meisten Kunden kennt man sehr gut nach so vielen Jahren, die Kinder sieht man aufwachsen“, beschreibt sie mit einem Lächeln im Gesicht. „Erst im Babykörbchen, dann kommen sie in den Kindergarten, dann in die Schule. Wo hat man das so noch, dass man die Lebenswege so mitverfolgen kann?“ schwärmt die leidenschaftliche Bäckermeisterin von ihrem Job.

Die kleine Holzofenbäckerei "Brotmanufaktur" in Dortmund-Wichlinghofen
Die kleine Holzofenbäckerei "Brotmanufaktur" öffnet ab Donnerstag (2.5.) wieder ihre Pforten für die Kunden. © Staab

Umso heftiger hätten alle Seiten die Nachricht der Schließung getroffen. Nicht nur über Facebook teilten zahlreiche Menschen ihr Mitgefühl über das vermeintliche Ende der Brotmanufaktur. „Es wurden unglaublich viele Leute mobilisiert. Die Kunden waren teilweise persönlich bei uns und haben ihr Bedauern bekundet, das war zum Teil sehr emotional. Es haben auch welche geweint“, berichtet Denise Sippel mit tiefer Stimme. Die Leute seien entsetzt gewesen, dass die Holzofenbäckerei schließen müsse. „Da wurde einem wirklich heiß und kalt und ich musste mich auch wegdrehen, weil ich selbst schon Pipi in den Augen hatte.“

Die Bäckermeisterin habe zwar gewusst, dass ihre Bäckerei beliebt bei den Menschen in Wichlinghofen und Umgebung sei, mit solch einer Resonanz habe sie jedoch nicht gerechnet. Mit ihrem eigenen eingerechnet, seien insgesamt 11 Arbeitsplätze gerettet worden. „Das haben wir definitiv den Kunden zu verdanken.“

Diesmal Freudentränen

Als am Wochenende dann die Zettel an die Eingangstür gehängt wurden, die die frohe Kunde der Rettung überbrachten, seien zwar wieder Tränen geflossen, diesmal aber Freudentränen. „Da habe ich auch gedacht: Mein Gott, wer soll das alles aushalten“, beschreibt Denise Sippel schmunzelnd ihre Gedanken. Sie habe sich aber endlich wieder „gut gefühlt“, weil es endlich mal gute Nachrichten gab. Neben der finanziellen Hilfe durch die Familie und dem emotionalen Beistand vieler Kunden sei auch handwerkliche Hilfe angeboten worden.

All das habe nun letztlich dazu geführt, dass die Brotmanufaktur auch in Zukunft nach traditioneller Art und mit Rezepten aus den 50er und 60er Jahren die Kunden glücklich machen kann. „Das kann man kaum alles in Worte fassen“, beschreibt sie immer noch etwas ungläubig, was zuletzt passiert ist, verbunden mit der Dankbarkeit der Kundschaft, die ihr und ihren Kollegen entgegengebracht wurde.

Und: Denise Sippel kann mit ihren Kollegen weiterarbeiten. „Mein Mann macht die Buchhaltung, mein Sohn arbeitet noch im Betrieb. Die anderen Mitarbeiter sind aber auch wie Familie. Sie fangen teilweise mit 16 Jahren bei uns an und sind mir ans Herz gewachsen.“ Gemeinsam mit der Hilfe eines Bauunternehmers – der Kontakt entstand durch einen Kunden – wird nun bald die Renovierung vorangetrieben. Regulär geöffnet hat die beliebte Holzofenbäckerei wieder ab Donnerstag (2.5.), wie gewohnt ab 6 Uhr.