
Joachim Palm wohnt zur Miete in dem Haus am Körner Hellweg 97. © Tim Schulze
Brände, Drogen, Prostitution: „Das ist kein normales Haus“
Körner Hellweg 97
Zweimal binnen einer Woche hat es im Dachgeschoss am Körner Hellweg 97 in Dortmund gebrannt. Offenbar nur die Spitze des Eisbergs. Mieter Joachim Palm erzählt von dramatischen Missständen in dem Haus.
Der Qualm hat sich verzogen. Doch der Geruch des Rauchs ist am Montag noch da. Er steigt einem in die Nase, sobald Mieter Joachim Palm die Haustür am Körner Hellweg 97 aufschließt. Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche hatte es am Sonntagabend (14.8.) in dem Mehrfamilienhaus in Dortmund-Körne gebrannt. Wieder in einer Wohnung in der vierten Etage unter dem Dach.
Die Wohnung ist komplett ausgebrannt. Es ist nicht dieselbe wie die, in der das Feuer am Samstag (6.8.) ausgebrochen war. Sie liegt leicht versetzt gegenüber, auf demselben Flur. Die Tür zu dem Flur sei seit dem Brand vor einer Woche eigentlich verschlossen gewesen, sagt Joachim Palm. Er habe dort aber schon seit Freitag (12.8.) Bewegungen registriert. Die Sache kommt ihm seltsam vor.
Ein Dutzend Brände
Wie so vieles am Körner Hellweg 97. „Das ist kein normales Haus", sagt Joachim Palm. Er erinnert sich an rund ein Dutzend Brände in den vergangenen vier Jahren.
Palm erzählt von Drogengeschäften und einer Prostituierten, die in einer der Wohnungen illegal gearbeitet habe. Er spricht über angeblich psychisch Erkrankte, die immer wieder randalieren würden. Schon oft habe er die Polizei gerufen.
Auf der zuständigen Wache in Körne sei das Haus mit seinen 66 Wohnungen als häufiger Einsatzort bekannt, teilt die Pressestelle der Polizei Dortmund dazu auf Anfrage mit. „Die große Menge und hohe Fluktuation an Mietern wird als ein Faktor gesehen, der zu dieser Tatsache beiträgt.“ Die Polizei berichtet von rund 90 Einsätzen im Zeitraum 1. Januar 2021 bis 30. Juni 2022. Am häufigsten rückten die Beamten demnach wegen Ruhestörung (14 Mal) zu der Adresse aus. Jeweils zwölf Einsätze gab es wegen Streitigkeiten und Körperverletzungsdelikten.
Joachim Palm führt durch das Treppenhaus, dessen Wände mit Markern bekritzelt wurden. Im Dachgeschoss sind die Wände und die Decke teils schwarz vom Ruß.
Palm hat eine Taschenlampe dabei, leuchtet in den Flur, der gegenüber dem liegt, wo es zuletzt zweimal gebrannt hat. Dort befindet sich seine Wohnung. Palm zeigt auf die Decke im Flur. „Es gibt hier kein Licht", sagt er. Nachts sei es stockdunkel. Und das sei gefährlich, wenn die Bewohner mal wieder wegen eines Feuers raus müssen. So wie am Sonntagabend.
Komplexe Eigentumsverhältnisse
„Ich hatte richtig Angst“, sagt Joachim Palm. Er habe sehen können, wie die Flammen aus dem Fenster des Dachgeschosszimmers stiegen. „Ich wollte nur schnell raus aus dem Haus.“ Zwei Menschen wurden mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus gebracht. Joachim Palm geht es gut.

Das Treppenhaus im Dachgeschoss. Links und rechts gehen die Flure zu den Appartements ab. © Tim Schulze
Der 64-Jährige erzählt von komplexen Eigentumsverhältnissen in dem Haus. Es gebe mehrere Vermieter, einen Wohnungseigentumsverwalter und einen Eigentümer, dem inzwischen die allermeisten der Wohnungen gehören. Erst nach der Übernahme des zuletzt Genannten habe sich die Situation in dem Objekt so stark verschlechtert.
Drogenhändler informiert die Hausgemeinschaft per Handzettel
Ein 35-Jähriger, dem nach eigenen Angaben drei Appartements gehören, bestätigt: „Vor drei bis vier Jahren war noch alles ruhig und gepflegt.“ Nach dem Eigentümerwechsel habe sich die Mieterstruktur stark verändert.
Er gibt einen Einblick: Ein Drogenhändler habe die Hausgemeinschaft per Handzettel darüber informiert, dass er vorübergehend nicht verfügbar sei. Das habe ihm einer seiner Mieter berichtet, so der 35-Jährige, der seinen Namen nicht veröffentlicht wissen möchte.
Erst nach einem Feuer im August 2020, bei dem vier Autoreifen im Keller des Hauses gebrannt hatten, sei das Treppenhaus komplett renoviert worden. „Aber dann ging es wieder von vorne los“, sagt Mieter Joachim Palm. Der Hausflur sei schon kurz danach wieder bekritzelt gewesen, ergänzt der 35-jährige Wohnungseigentümer.
Auch Vincenzo Del Sorbo hatte Angst. „Ein bisschen“, sagt er und lächelt. Der 62-Jährige lebt erst seit einem Monat in dem Haus. „Und es hat schon zweimal gebrannt“, ergänzt er, als könne er es nicht fassen.
Für Student Dannie, dessen Appartement direkt unter dem liegt, in dem es jetzt gebrannt hat, hat der Feuerwehr-Einsatz unangenehme Folgen. „Das Wasser ist in meine Wohnung gelaufen“, berichtet der 25-Jährige, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte. Sogar sein Bett sei nass.
Erneut ein technischer Defekt?
Weil die Wohnung bei dem Brand am Sonntagabend so stark zerstört wurde, sei die Arbeit der Brandermittler schwierig gewesen, teilt die Pressestelle der Polizei Dortmund auf Anfrage unserer Redaktion mit. Ursächlich sei „höchstwahrscheinlich ein technischer Defekt“ gewesen, so ein Sprecher.
Zumindest gebe es keine Hinweise auf ein Fremdverschulden. Auch bei dem Brand vor einer Woche hatte die Polizei einen technischen Defekt als Ursache angegeben. Kabel in der Decke hätten einen Schwelbrand ausgelöst, hieß es.
Der Mann, dem laut Joachim Palm und dem 35-jährigen Wohnungseigentümer die meisten Wohnungen in dem Haus gehören, hat bei einem Anruf unserer Redaktion gleich wieder aufgelegt. Danach ging er nicht mehr ans Telefon.
Der Firma Liegenschaftsverwaltung Stefan Schöbel, die als Eigentumsverwalter auftritt, teilt auf Nachfrage unserer Redaktion schriftlich mit, dass sie keinen Einfluss auf die Mietsituation in dem Haus habe. Dafür seien die jeweiligen Wohnungseigentümer zuständig. Die Brandschäden werde man „gemäß ordnungsgemäßer Verwaltung“ bearbeiten und abwickeln.
Der Mann, den Joachim Palm als seinen Vermieter angegeben hat, lehnte ein Gespräch mit unserer Redaktion über die Situation in dem Haus ab.
1985 in Bochum geboren, Ruhrgebiets-Liebhaber und BVB-Fan. Nach journalistischen Stationen in Braunschweig und Borken jetzt zurück im Pott. Auf der Suche nach tollen Geschichten über interessante Menschen aus Dortmund.
