„Bombenfund macht fassungslos“ Klaus Langanki kritisiert Stadt Dortmund: „Lebensgefährlich!“

„Lebensgefährlich!“: Klaus Langanki kritisiert Stadt wegen Bombenfund
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Für Jens Kasprczak von der Stadt Castrop-Rauxel war das ein relativ schlichter Einsatz: Er ist zuständig für das Thema Kampfmittelbeseitigung im Ordnungsamt, stand ab nachmittags mit Kollegen an der Nierhausstraße / Ecke Oestricher Straße und sperrte ab, bis um 17.43 Uhr die Kampfmittelbeseitigung meldete: Zünder und Detonator abmontiert und gesichert, Bombe entschärft.

Seine Kollegen aus Dortmund mussten darüber hinaus noch für eine Evakuierung von vier Wohnhäusern sorgen. Betroffen waren nur 30 Bewohner, von denen nicht einmal alle zu Hause waren. Business as usual, würden Betriebswirte sagen. Ein Blindgänger von so vielen. Doch für den Dortmunder Klaus Langanki birgt er Zündstoff. Und auch die Stadt Dortmund meldet: Der Bauherr hat hier geschlampt.

Fast 60 Hektar groß ist das ehemalige Kraftwerks-Areal. Hier soll sich vor allem Logistik ansiedeln. Mengeder Politiker kritisieren weiterhin ein für sie unzureichendes Verkehrsgutachten. Jetzt wurde an der Nierhausstraße (l. am Bildrand) ein Blindgänger gefunden.
Fast 60 Hektar groß ist das ehemalige Kraftwerks-Areal. Hier soll sich vor allem Logistik ansiedeln. Mengeder Politiker kritisieren weiterhin ein für sie unzureichendes Verkehrsgutachten. Jetzt wurde an der Nierhausstraße (l. am Bildrand) ein Blindgänger gefunden. © Kevin Kisker (Archiv)

Für den Baggerfahrer auf der Baustelle auf dem einstigen Kraftwerksgelände war die Lage einigermaßen brisant: Er buddelte in der Erde und hatte am Dienstag (10.12.2024) plötzlich einen 250-Kilo-Sprengkörper auf der Schaufel. Das kann schon mal in einer Katastrophe enden, wenn es ganz schlecht läuft. Es gab jedenfalls schon Unfälle mit Todesfolge im Nachkriegs-Deutschland, weil eine Bombe durch das Aufschlagen einer Baggerschaufel detonierte. Jede Vorsicht ist also angebracht und bei Entschärfungen absoluter Standard.

„Es macht mich fassungslos, dass der Blindgänger nicht bereits im Vorfeld entdeckt worden ist und erst bei Bauarbeiten zu Tage kam“, merkt Klaus Langanki an. Er ist Anwohner auf der anderen Seite des großen Geländes zwischen Dortmund und Castrop-Rauxel in der kleinen Kreuzloh-Siedlung auf Dortmunder Stadtgebiet, verfolgte unsere Berichterstattung von der Entschärfung am Dienstag und meldete sich Mittwochabend. Aufgebracht und anschuldigend.

Viele Bewohner der kleinen Siedlung, in der er lebt, sind ohnehin vom Projekt LogPoint Ruhr alles andere als begeistert. Hinter ihren Hinterhöfen entsteht ein großer Gewerbepark mit riesigen Hallen und einer hohen kalkulierten Zahl an Lkw-Fahrten von und zum Autobahnzubringer. Mit Argwohn und Skepsis schauen einige zum Beispiel auf die Verkehrsplanung über die Straße Langenacker.

Bei einer Anwohnerinformation zur Entwicklung des Geländes im Februar 2021 sei auch die Frage nach Kampfmitteln und Blindgängern gestellt worden, sagt Langanki. Ob es Hinweise auf Bombenfunde gebe. Man habe lediglich eine lapidare Antwort bekommen wie: „Die Stadt Dortmund geht nicht von bedrohlichen Situationen aus.“

„Versprochen und nicht eingehalten“

Klaus Langanki findet das unerhört angesichts des Vorfalls von Dienstag: „Da ist eine bedrohliche, vor allem für die Bauarbeiter lebensgefährliche Situation entstanden. Und das reiht sich ein in eine Reihe von Punkten, die in diversen Runden unter Beteiligung der Anwohner versprochen und nicht eingehalten wurden“, meint der Anwohner.

Er zählt auf: eine Sperrung des Langenackers für den Durchgangsverkehr; die überfällige Sanierung der Straße, bei der der EUV Castrop-Rauxel auf dem Teil Oestricher Straße wenigstens Kaltasphalt aufgetragen habe; eine Missachtung von konstruktiven Vorschlägen zur Verkehrsführung wie zum Beispiel einer Fußgängerampel an der Einfahrt zum Segro-Gelände; einer Nutzung der alten und verwahrlosten Bahntrasse als sicheren Fuß- und Radweg. „Sämtliche Versprechen wurden nicht gehalten und unsere konstruktiven Vorschläge einfach ignoriert. Die Posse um den Breitbandausbau lassen wir mal außen vor“, so Langanki.

Jens Kasprzak ist zuständig für das Thema Kampfmittelbeseitigung im Ordnungsamt der Stadt Castrop-Rauxel. Hier steht er am Dienstag auf der Nierhausstraße an der Ecke Oestricher Straße. Der Blindgänger wurde rund 400 Meter weiter die Straße runter entschärft.
Jens Kasprzak ist zuständig für das Thema Kampfmittelbeseitigung im Ordnungsamt der Stadt Castrop-Rauxel. Hier steht er auf der Nierhausstraße an der Ecke Oestricher Straße. © Tobias Weckenbrock

Dieser Fall aber übertreffe alles. „Ein wichtiger Hinweis der Anwohner wird ignoriert. Dass es im Ruhrgebiet bei Bauarbeiten, insbesondere auf einem so exponierten Industriegelände zu Bombenfunden kommen kann, muss doch jedem klar sein“, meint der Dortmunder. „Es verstärkt sich der Eindruck, dass Politik und Verwaltung hier schlampig arbeiten, um dieses Prestigeprojekt des ehemaligen Wirtschaftsförderers und heutigen OBs Thomas Westphal durchzuboxen, weil noch vor der Kommunalwahl im September erste vorzeigbare Ergebnisse hermüssen.“

Einzig die Vertreter der Bezirksvertretung Mengede nähmen die Sorgen und Ängste der Anwohner ernst. „Dem Rest der Amtsträger scheint dies egal zu sein“, sagt Langanki. Er fordert die einzig richtige Konsequenz: „sofortiger Baustopp und erneute, diesmal sorgfältige Kampfmitteldetektierung“.

Stadt: Bauherr beantragte Maßnahme nicht

Aber was hat man denn zur Sicherheit getan? Die Stadt Dortmund antwortet am Freitag auf unsere Anfrage: Bereits 2011 im Zuge der Abrissarbeiten habe der Eigentümer des Grundstücks eine Luftbildauswertung für das ganze Areal beantragt. 14 Blindgänger-Verdachtspunkte habe man ausgemacht und einen „diffusen Kampfmittelverdacht“ auf der ganzen Fläche. Bis 2014 habe man alle konkreten Verdachtspunkte abgearbeitet, mehrere Blindgänger mit Zünder entschärft und geborgen.

Außerdem habe man dem Eigentümer mitgeteilt, das Absuchen von Baugruben und der zu bebauenden Flächen nach weiteren Kampfmittel sei auch danach noch erforderlich. „Diese erforderlichen Flächenabsuchungen sind im Zusammenhang mit der derzeit dort stattfindenden Baumaßnahme durch den Bauherrn allerdings nicht im Vorfeld beim Ordnungsamt beantragt worden“, sagt Pressereferent Christian Stein. Das Ordnungsamt habe erst durch den „Spontanfund“ der amerikanischen 250-Kilogramm-Fliegerbombe am Dienstag (10.12.2024) Kenntnis von den bereits begonnenen Erdarbeiten erlangt.

„Daraufhin wurden alle weiteren erdeingreifenden Arbeiten durch das Ordnungsamt der Stadt Dortmund untersagt, bis die erforderlichen Maßnahmen der Kampfmittelbeseitigung durchgeführt worden sind“, so Pressesprecher Christian Stein. Anstehende Maßnahmen würden nun mit Blick auf den aktuellen Zustand der Fläche zwischen Bauherrn, Kampfmittelbeseitigungsdienst und Ordnungsamt abgestimmt.

So sieht ein Blindgänger mit 250 Kilo aus dem Zweiten Weltkrieg aus. (Symbolfoto)
So sieht ein Blindgänger mit 250 Kilo aus dem Zweiten Weltkrieg aus. (Symbolfoto) © privat

Einen Baustopp forderten manche Anwohner ohnehin schon wegen einer unzureichenden Verkehrsplanung. Abgesehen davon, dass ein Logistikpark mit einer einzigen richtigen Zufahrt eine Fehlplanung sei, kollabiere die Kreuzung am Königshalt zur Rush Hour schon jetzt. Kritiker unterstellen den Verkehrsplanern, sich die reale Lage vor Ort nie angesehen zu haben, sondern nur auf Berechnungen und Modelle zu verweisen.

Ganz zu schweigen davon, dass der Langenacker in der Kreuzloh-Siedlung extrem marode sei, aber die Stadt so gut wie nichts unternähme, außer einen Bruchteil der Hunderten von Schlaglöchern behelfsmäßig zuzukippen und Tempo-10-Schilder aufzustellen. Eine Geschwindigkeit, an die sich hier so gut wie niemand halte.

Regelmäßig vertreten Jörg Sandmeier, Andreas Birkholz und Nenad Nemarnik (v.r.) die Interessen der Anwohner von Langenacker und Kreuzloh in Fragen rund um den Bau des Segro Parks Dortmund.
Regelmäßig vertreten Jörg Sandmeier, Andreas Birkholz und Nenad Nemarnik (v.r.) die Interessen der Anwohner von Langenacker und Kreuzloh in Fragen rund um den Bau des Segro Parks Dortmund. © Segro/von Schirp (Montage)

Statt sich um die grundlegenden, die zentralen Fragen der Menschen zu bemühen, habe stattdessen nun die Bezirksvertretung stundenlang über dem richtigen Straßennamen der Erschließungsstraße gebrütet. Sie sei politisch ohnehin ein zahnloser Tiger, heißt es aus der Kreuzloh-Siedlung, aber auch darüber hinaus, zumindest hinter vorgehaltener Hand.

Die Stadt erklärt noch, dass trotz „fachgerechter Untersuchung und Beräumung“ noch vollständig auszuschließen sei, dass sich weiterhin Kampfmittel im Verborgenen befänden. Es könne auch weiterhin zu spontanen Zufallsfunden kommen. Man minimiere mit den beschriebenen Maßnahmen nur das Restrisiko, immerhin deutlich, so Christian Stein von der Stadt-Pressestelle.