Kniehoch stehen die Gräser auf dem zehn Hektar großen Areal am Dortmund-Ems-Kanal. Wo in den vergangenen Jahren noch Mais und anderes Getreide wuchs, erstreckt sich in diesem Sommer eine riesige Wiese. Auf dem Areal an der Stadtgrenze von Waltrop-Leveringhausen und Dortmund-Groppenbruch will die Stadt Waltrop das Industriegebiet „Im Dicken Dören“ realisieren.
Allen Protesten der Groppenbrucher Anwohner sowie Einwänden von Umweltverbänden und der Stadt Dortmund zum Trotz, ist das Vorhaben nun vorerst „in trockenen Tüchern“. Der Rat der Stadt Waltrop fasste am 20. Juni den Satzungsbeschluss. Mit der (noch ausstehenden) Veröffentlichung im Amtsblatt erhält er Rechtskraft.
Das Areal liegt nur rund 200 Meter vom Wohngebiet an der Groppenbrucher Straße entfernt. Zwischen den Gärten und der Fläche fließt der Groppenbach – die Stadtgrenze von Dortmund und Waltrop. Früher war das Areal am Kanal eine Bergehalde. Über Jahrzehnte wurde es zuletzt landwirtschaftlich genutzt. Das Groppenbachtal ist ein regionaler Grünzug.
Keine Annäherung
Die Stadt Waltrop will im künftigen Industriegebiet den Spezial-Lkw-Hersteller Langendorf ansiedeln. Das Waltroper Traditionsunternehmen hat seit seiner Gründung seinen Standort am Rande der Innenstadt. Da der kleinteilige Stammsitz einer modernen Produktion nicht mehr genüge, sucht Langendorf seit Jahren ein neues Firmengelände.
Seit 2018 lief das mehrstufige Planverfahren. Das Ruhrparlament änderte im Herbst 2020 den Regionalplan. Waltrop änderte seinen Flächennutzungsplan. Nach Stellungnahmen und Eingaben wurde der Bebauungsplan Nummer 92 mehrfach ausgerollt, bis der Stadtrat nun vor der Sommerpause den Satzungsbeschluss fasste.
Informationsabende für die Groppenbrucher Anwohner und eine Online-Planungswerkstatt im Frühjahr 2021 führten zu keiner Annäherung. Das Dortmunder „Aktionsbündnis gegen das Industriegebiet Im Dicken Dören“ bleibt bei seiner Ablehnung.

Im Zentrum der Kritik stehen höhere Belastungen durch Lärm, Luft und Licht. Die Anrainer würden bei einer Ansiedlung von Langendorf in einer Insellage zwischen Industriegebiet und Autobahn A2 leben. Sie fürchten einen weiteren Verlust an Lebensqualität. Einen „aktiven Lärmschutz“ durch Schallschutzwände hatte auch die Stadt Dortmund in ihrer Stellungnahme zum Bebauungsplan gefordert.
Das lehnten die Waltroper Stadtverwaltung und Politik in den letzten Beratungsrunden im Planungsausschuss und im Rat indes kategorisch ab. „Wir waren da zunächst gar nicht so stark drauf eingegangen, weil wir dachten, dass klar sei, dass eine solche Wand, zumal auf einer Brücke, unverhältnismäßig ist“, sagte Andrea Suntrup vom Fachbereich Stadtentwicklung gegenüber der Waltroper Zeitung.
Im Extremfall müsse für den Bau der Wand sogar eine neue Brücke gebaut werden. Wegen der anhaltenden Forderungen aus Dortmund holte die Stadt Waltrop eine Kostenschätzung ein. Der Bau einer Schallschutzwand und Sicherungen in der Statik würden Kosten von insgesamt 1,5 Millionen Euro erzeugen. Das sei entschieden zu hoch, so Andrea Suntrup.
Stefanie Hugot vom Groppenbrucher Aktionsbündnis lässt das Kostenargument nicht gelten. „Ich weiß nicht, ob es rechtskonform ist, etwas abzulehnen, nur weil es zu teuer ist.“ Die Stadt Waltrop bietet stattdessen den Eigentümern von 16 Häusern an der Groppenbrucher Straße und der Stofferstraße an, sich an den Kosten für den Einbau von Schallschutzfenstern zu beteiligen. Kostenpunkt: maximal 135.000 Euro. „Das ist nicht hinnehmbar“, sagt Stefanie Hugot.

Sie verweist auf das Lärmschutz-Gutachten im B-Plan-Verfahren: „Das bestätigt, die Lärmschutzwerte werden überschritten.“ Das Aktionsbündnis habe mittlerweile einen Gutachter eingeschaltet, der Experte auf diesem Gebiet sei. Der Gutachter prüfe, ob eine Klage gegen den Bebauungsplan Erfolg haben kann.
Die Bürgerinitiative hat während des gesamten Planungszeitraums angekündigt, gegebenenfalls juristisch gegen das Industriegebiet vorzugehen. Stefanie Hugot ist selbst Diplom-Ingenieurin für Raumplanung. Die Fachfrau sagt: „Ein Gewerbegebiet neben einem reinen Wohngebiet anzusiedeln, ist auch über eine Stadtgrenze hinweg planungsrechtlich überdenkenswert.“
Derweil hängt neben der Zufahrt zum „Dicken Dören“ an einem Bauzaun ein Transparent der Kramer-Firmengruppe. Das Waltroper Unternehmen zählt auf seiner Internetseite Erd- und Tiefbau zu seinen sieben Kompetenzbereichen.
Womöglich ist das Transparent ein Hinweis, dass die Bauvorbereitung für das Industriegebiet beginnt, sobald der Satzungsbeschluss im Amtsblatt veröffentlicht ist. Ein Jahr hat das Aktionsbündnis dann Zeit, Klage einzureichen. Ob sie Aussicht auf Erfolg hat, wird die laufende Prüfung durch den Gutachter zeigen.
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