NSU-Untersuchungsausschuss
Berger-Morde: Mängel bei den Ermittlungen
Vor mehr als zehn Jahren tötete der Rechtsradikale Michael Berger in Dortmund und Umgebung erst drei Polizisten und anschließend sich selbst. Am Donnerstag waren diese Taten erstmalig Thema im NSU-Untersuchungsausschuss in Düsseldorf. Das Bild, das dort von der damaligen Ermittlungsarbeit der Polizei skizziert wurde, war verheerend.
Die Ausschuss-Mitglieder im Saal des NSU-Untersuchungsausschusses.
Michael S., heute 55 Jahre alt, war damals, ab dem 15. Juni 2000, der Leiter der zuständigen Mordkommission. An den Tattag kann er sich noch gut erinnern, am Mittag wurde er zum ersten Tatort gerufen. Ein Polizist in Dortmund tot, eine Beamtin schwer verletzt, das war die Ausgangslage. Im Laufe dieses schwarzen Tages stellte sich nach und nach die gesamte Katastrophe heraus: Nach der Tat in Dortmund tötete Berger zwei weitere Polizisten in Waltrop und anschließend offenbar sich selbst in Olfen.
Waffenarsenal
Die Ermittler fanden sowohl im Fahrzeug Bergers weitere Waffen, sie fanden Waffen in seiner Wohnung und ein Schnellfeuergewehr im Haus seiner Eltern, sie fanden umfangreiche Nazidevotionalien und Verbindungen in die rechtsextreme Szene. Nur einen ausreichenden Anlass, diesen Spuren konsequent nachzugehen, den fanden sie offenbar nicht.
Es habe, sagt der Beamte S., ergebnislose Versuche gegeben, herauszufinden, woher das Waffenarsenal stammte. Laut einem Aktenvermerk der Staatsanwaltschaft war eine weitere Untersuchung der Herkunft der Waffen nicht notwendig, da sie für das Verfahren nicht relevant sei. Der Täter war bereits tot.
Warum die damalige Freundin Bergers nicht vernommen wurde, weiß S. nicht. Es sei eine Freundin ermittelt und ein entsprechendes Vernehmungsgesuch sei nach Niedersachsen gestellt worden. Richtig ist, dass die Beamten eine Ex-Freundin gefunden hatten, mit der Berger Anfang der 90er-Jahre liiert war. Aber eben nicht die aktuelle. Auf die Berichterstattung unserer Redaktion angesprochen, gibt S. an, er wisse nicht, „welche Dame da ausgegraben worden ist“. Auch weiß er nicht, warum die beiden Brüder Bergers nicht vernommen wurden. Für die Mordkommission schien die These bestimmend gewesen zu sein: Berger war ein psychisch kranker Einzeltäter, hatte wenige Freunde und sein Motiv bestand darin, dass er Polizisten hassen würde, da die Ex-Freundin, die die Beamten gefunden hatten, ihn vor einem knappen Jahrzehnt mit einem Polizisten betrogen habe.
Keine Beunruhigung
All die Verweise in die rechtsradikale Szene beunruhigten offenbar nicht: Allein in den Kontakten in Bergers Handy fanden sich neun Mitglieder des „Nationalen Widerstandes Ruhrgebiet“. Nach der Tat tauchten in Dortmund kleine Flyer auf, „3:1 für Deutschland – Berger war ein Freund von uns“. Es gab acht Tage nach der Tat ein Treffen von Neonazis in Olfen. Und es gab, unter anderem, ein Fax der Polizei aus Brandenburg. Dort war ein Zug beschmiert worden: „Drei Stellen frei bei der Polizei in NRW.“
Diese Spur war nicht von Belang, der Täter war bereits ermittelt. Und alle anderen Spuren seien Ansätze gewesen, die in der Zuständigkeit der damaligen Staatsschutzabteilung, ebenfalls angesiedelt im Polizeipräsidium Dortmund, gelegen hätten. Sie sei wie die Mordkommission Teil der damals gegründeten BAO (Besondere Aufbauorganisation) gewesen und hätte zusammengefasst Folgendes beigesteuert: Erkenntnisse über Berger im staatsschutzrechtlichen Sinne seien nicht bekannt, er sei 1989 Mitglied der DVU gewesen und habe schriftlich Interesse an der NPD geäußert.
Warum kein Vertreter der Mordkommission bei einer Nachbesprechung im Polizeipräsidium am 4. Dezember dabei war, bei der immerhin 39 Beamte als auch der Staatsschutz anwesend waren, weiß S. nicht. „Da“, sagt er, „müssen Sie jemand anderen fragen“.