Bartholomäus-Kirmes
Dortmunder Traditions-Kirmes: „Lebenslos“ statt einer Niete an der Bude
Kirmesflair: Tempo, Licht und Musik. In den Budengassen pulsiert das Leben – Freude, Vitalität, Wiedersehen. Das kann anstrengen. Ruhe und Inspiration bietet ein Lost Place hinter Kirchenmauern.
Ein Lebenslos statt einer Niete an der Bude. Klares Lebenswasser als Alternative zum rauschenden Konsum am Bierstand. Ein Ruhe spendender Lebensbaum. Und eine Klagemauer für das Lebensleid. Ein „Lost Place“ hinter der Kirchenmauer – auf deren anderer Seite der Rummel tobt.
Samstagnachmittag (27.8.) hinter dem Chorraum der katholischen Kirche St. Magdalena: Unter der gut 120 Jahre alten Blutbuche stehen Liegestühle. Jenseits der Kirchenmauer dröhnen die aktuellen Charts aus den Boxen des Autoscooters. Helene Schulz und Renate Uebelgünn entspannen in den Liegestühlen unter der im Durchmesser mehr als 20 Meter großen Krone des Baums.
„Man hört die Musik nicht“, sagt Renate Uebelgünn. Sie meint das im übertragenen Sinn. „Das ist ganz toll hier, ein Ort der Ruhe und Besinnlichkeit“, erklärt Helene Schulz. Die gewaltige Buche bietet Schutz, Geborgenheit, Schatten. Der „Lebensbaum“ – eins von vier Elementen einer Aktion des Pastoralverbunds Dortmunder Westen zur 661. Bartholomäus-Kirmes.
Er lädt nicht nur zum Innehalten inmitten des Kirmestrubels ein. In den Liegestühlen lässt sich auch vortrefflich über ein „Lebenslos“ sinnieren. In Analogie zu den Eimern der Losbuden in den Kirmesgassen liegen hier grüne Lose in einer Glasschale. Die Losbriefchen enthalten biblische Botschaften zum Leben. Einladungen zum Nachdenken.
Kirmes aus einer anderen Perspektive
Von den Liegestühlen fällt der Blick auf einen kupfernen Weihwasserkessel. „Lebenswasser“ titelt ein laminiertes Schild. Davor steht ein Korb mit Mineralwasserflaschen. Sie tragen das Label des Pastoralverbundes. Wem auf der Kirmes die Kehle trocknet, kann hier seinen Durst stillen.
Wasser hat im christlichen Leben - etwa bei der Taufe - eine zentrale Bedeutung: "Lebenswasser" in Flaschen löscht auf der Kirmes durstige Kehlen. © Uwe von Schirp
Nicht weit entfernt davon aufgeschichtete Natursteine: eine Klagemauer. Zettelchen liegen bereit, um anonym seine Sorgen und Nöte zu notieren und in die Fugen zwischen die Steine zu stecken.
Das Bedrückende ausdrücken, während der Rummel es für Stunden nur vergessen lässt. „Die anonymen Botschaften fließen in den Gottesdienst mit ein“, erläutert Pfarrer Guido Hörnchen.
Gemeinsam mit zehn haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern steht er für Gespräche auf der Aktionsfläche hinter den backsteinernen Mauern des Kirchengrundstücks bereit. Der Teil des Kirchgartens ist in der Regel durch ein Tor verschlossen. Während des Kirmessamstags und -sonntags ist der „Lost Place“ ein Raum, die Kirmes aus einer anderen Perspektive und im Schutz der Mauern des Kirchenhügels zu erleben.
„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“, hat der Pastoralverbund das besondere Angebot getitelt. Und kaum steht das Tor neben dem Seitenschiff am Samstagnachmittag offen, kommen die Besucher. Ihr Weg führt über den Kirchplatz, wo noch die letzten Aufbauarbeiten für das Gemeindefest laufen.
Strickleiter an der Kirchenmauer
Das Fest ist – wie seinesgleichen der evangelischen Christusgemeinde an der Bartholomäuskirche – traditionell Bestandteil der Kirmes und geht bis zum Montag. „Wir öffnen dann um 11.30 Uhr“, sagt Pfarrer Guido Hörnchen. „Ab 12 Uhr gibt es traditionell Erbsensuppe.“
Eine 120 Jahre alte Blutbuche ist ein Lebensbaum. Bei der Bartholomäuskirmes bietet sie Ruhe, Schutz und Schatten. © Uwe von Schirp
Der Weg über den Kirchplatz ist nicht der einzige Zugang zum ansonsten verschlossenen Kirchgarten: An der Backsteinmauer an der Limbecker Straße hängt eine Strickleiter. Laureén Klosa erklimmt die Sprossen und überwindet die hohe Mauer. Die Gemeindereferentin in Ausbildung nimmt das Motto der Aktion wörtlich.
„Ich finde die Idee sehr schön“, sagt Klaus Georg Niedermaier. „Man kommt sonst in den Garten nicht rein.“ Zwei Stühle weiter genießen Helene Schulz und Renate Uebelgünn die Ruheoase. Beide sind Kirmesgängerinnen und Kirchgängerinnen – aus der evangelischen Geschwistergemeinde. „Wir machen da keinen Unterschied“, sagt Helene Schulz. „Wr freuen uns, dass wir uns in der Ökumene gegenseitig treffen.“
Die Bartholomäus-Kirmes in Fotos und Video unter rn.de/dortmund
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