Bank sperrt Rentnern das Konto Robert und Mitanka Wiedicke sollen Geldwäscher sein

Bank sperrt Konto: Robert und Mitanka Wiedicke sollen Geldwäscher sein
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Bei der Fahndung nach Geldwäschern werden immer häufiger unschuldige Bankkunden Opfer von Transaktionssperren. Durch die Verschärfung des Geldwäschegesetzes melden Banken schon kleinste Unregelmäßigkeiten bei Kontobewegungen an die Zentralstelle Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) des Zolls. Mit unangenehmen Folgen, wie zwei Dortmunder erfahren mussten.

Robert und Mitanka Wiedicke sind beide 77 Jahre alt. Zusammen mit zwei Katzen lebt das Ehepaar in Schüren und bezieht Rente. An ihr Geld kommen die Rentner aber seit Oktober nicht mehr heran, Lastschriften schlagen fehl, Daueraufträge werden zurückgebucht. Warum ist ausgerechnet ihr Konto gesperrt worden?

  • Bei der Geldwäsche wird die Herkunft von illegalen Einnahmen aus beispielweise dem Verkauf von Drogen oder Diebesgut verschleiert.
  • Das ist eine Straftat.
  • Es drohen bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug.
  • Wer eine höhere Geldsumme auf seinem Konto erwartet - beispielsweise durch den Handel mit Kryptowährungen oder als Geschenk der Familie - sollte dies der Bank ankündigen.

Am 13. Oktober will Robert Wiedicke mit seiner EC-Karte Geld vom Automaten abholen – ohne Erfolg. An der Tankstelle sei seine Karte wenig später beim Bezahlvorgang abgelehnt worden, erzählt der Rentner. Zum Glück habe der Mitarbeiter ihm angeboten, am nächsten Tag in bar zu bezahlen.

Zuhause kontrolliert das Paar das gemeinsame Konto bei der Commerzbank. Dabei hätten sie bemerkt, dass Buchungen schon ab dem 11. Oktober zurückgerufen worden seien. „Mein Nachbar hat mir dann 200 Euro gegeben und mich zur Tankstelle gefahren, damit ich da bezahlen kann“, sagt Robert Wiedicke. „Bevor ich da noch Probleme kriege.“

Überweisungen von Unbekannten

Am nächsten Werktag, dem 16. Oktober, fährt der 77-Jährige zur Commerzbank-Filiale in die Innenstadt. Dort habe er zu hören bekommen, dass man ihm nicht helfen könne. Täglich sei er von da an bei der Bank aufgeschlagen, um nach Neuigkeiten zu fragen. Erst nach Tagen erfährt er: Es besteht der Verdacht auf Geldwäsche gegen ihn und seine Frau.

„Wir haben erst mal gelacht“, sagt der ehemalige Stahlhochbauer. So absurd kommt den Rentnern der Vorwurf vor. Dann erinnern sie sich, tatsächlich Überweisungen von unbekannten Menschen erhalten zu haben – sieben Mal 199 Euro. Das Geld habe er auf dem Konto gelassen, weil es ihnen ja nicht gehöre, sagt Robert Wiedicke.

Die Wiedickes gehen zur Polizei und erstatten Anzeige, vielleicht handelt es sich ja um einen Betrugsversuch. Das Aktenzeichen liegt dieser Redaktion vor. Trotzdem tut sich nichts. Am 24. Oktober habe Robert Wiedicke bei der Commerzbank ein Formular unterschrieben, dass das Geld – sieben Mal 199 Euro – an die Absender zurückgebucht werden soll.

Bis zu diesem Zeitpunkt sind schon 13 Tage vergangen. Versicherungen, Miete, Strom, Telefon – alle Vertragspartner muss das Ehepaar kontaktieren und um Aufschub bitten. Sie leihen sich noch einmal Geld, diesmal von einem Neffen. Und jeden Tag fragen sie sich: Können wir heute wieder an unser Konto?

Nach fast vier Wochen nehmen sich die Rentner einen Anwalt und kontaktieren unsere Redaktion. „Ich fühle mich wie eine Verbrecherin“, sagt Mitanka Wiedicke. „Das ist erniedrigend, die Commerzbank peitscht ihre Kunden.“ Währenddessen taut in der Küche Gulasch auf, das zwei Jahre lang eingefroren war.

Um über die Runden zu kommen, hätten sie sich mittlerweile 700 Euro geliehen. Das quält den 77-jährigen Dortmunder: „Ich kann nachts nicht mehr schlafen. Ich hatte noch nie Schulden, mein ganzes Leben lang nicht.“ Robert Wiedicke stockt. „Das ist das Schlimmste.“

„Jeder kann betroffen sein“

Ihr Anwalt ist spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht. Die Wiedickes hätten nichts falsch gemacht, sagt Dr. Jochen Strohmeyer: „Jeder kann betroffen sein. Es gibt zunehmend bundesweit Fälle von Kontosperrungen, vorrangig bei Privatbanken.“ Seit einer Änderung des Geldwäschegesetzes 2021 sind die Verdachtsmeldungen bei der FIU sprungartig gestiegen.

Vor allem bei unregelmäßigen, überraschenden Geldeingängen sind Banken demnach verpflichtet, die Transaktionen kritisch zu hinterfragen. „Das können schon die Einzelüberweisungen von der Mutter mit 50 Euro sein, dann ist es egal, ob ich Anwalt bin oder jahrelanger Kunde.“ Es folgt: die Transaktionssperre.

Oftmals werde den Kunden gar nicht mitgeteilt, warum sie nicht mehr auf ihr Geld zugreifen können. Das Dortmunder Ehepaar habe das Glück: „Im Gesetz steht, dass die Banken das nicht sagen müssen.“ Dann werde lediglich auf einen Computerfehler verwiesen. Dabei hätten Bareinzahlungen oder Überweisungen aus dem Ausland dazu geführt, dass man in den Verdacht der Geldwäsche geraten sei.

Wenn es ein Verdachtsmoment gibt, meldet die Bank den Vorgang der FIU. Von dort werde der Fall an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Die solle prüfen, ob es im Zusammengang mit dem Konto oder dem Kontoinhaber weitere Indizien für Geldwäsche gebe. Nach drei Tagen könne die Bank das Konto wieder freigeben, wenn die Staatsanwaltschaft nichts Gegenteiliges entscheide. „Das passiert aber ganz oft nicht“, sagt der Rechtsexperte. „Und wir wissen nicht wieso.“

Bank halte sich an Vorschriften

Laut Gesetz darf der Bank durch die Verdachtsmeldung kein Nachteil entstehe. So würden die Anwaltskosten vom Gericht sogar dem Kontoinhaber auferlegt, berichtet der Anwalt. Nichtsdestotrotz gebe es die gesetzliche Pflicht, das Konto wieder freizugeben, vor allem da sich die Wiedickes sogar schriftlich erklärt hätten.

„Es braucht aber den Anwaltsdruck“, sagt Jochen Strohmeyer. „Wir haben in unserer Kanzlei eine Quote von 20 bis 30 Prozent an Fällen, wo wir sogar eine einstweilige Verfügung beantragen müssen.“ Der Commerzbank habe er im Auftrag seiner Mandanten eine Frist bis 8. November gesetzt. Nichts geschah. Jetzt folge der Gang ans Gericht.

Die Commerzbank sagt, sie halte sich ausnahmslos an die gesetzlichen Anforderungen, die in den letzten Jahren deutlich verschärft wurden. Man sei bemüht, etwaige Einschränkungen für Kundinnen und Kunden soweit wie möglich zu begrenzen.

Zum konkreten Fall verweist eine Sprecherin uns gegenüber auf das Bankgeheimnis. Das wundert den Anwalt nicht: „Nicht mal wir dürfen die Unterlagen einsehen“, sagt Jochen Strohmeyer. Robert und Mitanka Wiedicke wollen sich jetzt ein zweites Konto zulegen – bei einer anderen Bank.

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