Neue Babyklappe in Dortmund soll Leben retten Neugeborenes im Müll bewegte Initiatorin zur Idee

Neue Babyklappe geplant: Fenster gibt es schon am Klinikum und in Castrop
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Eine Babyklappe kann Leben retten. Auch wenn es traurig ist: Seit dem Jahrtausendwechsel, als in Hamburg die erste Babyklappe Deutschland eingerichtet wurde, wurden schon mehr als 300 Neugeborene über diesen Weg abgegeben. Ihre Mütter erhoffen sich dadurch Anonymität, aber auch Sicherheit für das Baby.

Als vor vielen Jahren in Herne ein Neugeborenes tot in einem Mülleimer gefunden wurde, da war Elisabeth Grümer aus Castrop-Rauxel tief getroffen: Wer kann einem kleinen Kind so ein Leid zufügen? Und wie viel Kummer, wie viel Druck, wie viele Ängste, wie viel Kälte oder wie viel Wut muss eine Mutter in sich haben, dass sie ihr eigenes Baby verwahrlosen lässt oder sogar tötet?

Diese Nachricht aus den Medien ließ die 77-Jährige bis heute nicht los. Das ist der Grund, warum die Frohlinderin initiativ wurde: Sie lässt über eine Stiftung unter ihrem Namen in den nächsten zwei Jahren ein Kinderhospiz am Stadtrand von Dortmund bauen. Es wird auch eine Babyklappe bekommen. Die zweite in Dortmund.

Eine Babyklappe in Stuttgart. Deutschlandweit soll es über 100 solcher Fenster geben. Genaue Daten dazu sind aber nicht verfügbar. Die Anonymität ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Prinzips.
Eine Babyklappe in Stuttgart. Deutschlandweit soll es über 100 solcher Fenster geben. Genaue Daten dazu sind aber nicht verfügbar. Die Anonymität ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Prinzips. © dpa

Etwa zehn Kinder gelangten auf diese Weise in Dortmund in die Obhut von Menschen, die sich um sie kümmern können. Die einzige Dortmunder Babyklappe gibt es an Wilhelmstraße an der Rückseite der Kinderklinik des Klinikums. „Wir halten den Standort der Babyklappe für gut geeignet, denn die Klappe befindet sich direkt an der Kinderklinik, aber in einem Bereich mit sehr wenigen Passanten“, sagt Klinik-Sprecherin Susanne Riese auf Anfrage unserer Redaktion. Auch wenn das Klinikum mitten in der Stadt liegt, gleich südlich vom Innenstadt-Wall.

Komme die Einrichtung zum Einsatz, werde das bewusst nicht aktuell nach außen kommuniziert: Man will damit dafür sorgen, dass niemand Rückschlüsse auf die Mutter ziehen kann.

Babyklappe im Hospiz-Keller

Ein Baby anonym abzugeben, wird im geplanten Kinderhospiz Sonnenherz im Stadtteil Westrich, direkt an der Stadtgrenze zu Castrop-Rauxel, ebenfalls gut möglich sein. Elisabeth Grümer, die sich gerade erst über die letztendliche Genehmigung des Kinderhospizes freute, zeigt im Gespräch mit unserer Redaktion auf die Baupläne des Architekten Klaus Winkelmann: Im Kellergeschoss des 6,3-Millionen-Euro-Bauwerks, das von hinten auf Erdgeschoss-Höhe liegt, wird es eine Klappe geben.

Wird dort ein Baby von außen eingeschoben, ertönt im Schwesternzimmer ein Alarmsignal. Im Kinderhospiz werden 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt und neun Betten im Erdgeschoss für bald sterbende Kinder sein: Es wird in drei Schichten gearbeitet und immer jemand vor Ort sein. Kinderkrankenschwestern und andere Pädiatrie-Fachkräfte.

Elisabeth Grümer, Anke Grundmann-Tresp, Monika Mondrik von der Grümer-Stiftung und Hospiz-Leiterin Marlena Pöhls (v.l.) freuen sich: Baustart für das Kinderhospiz Sonnenherz ist Ende Oktober 2024.
Elisabeth Grümer, Anke Grundmann-Tresp, Monika Mondrik von der Grümer-Stiftung und Hospiz-Leiterin Marlena Pöhls (v.l.) freuen sich: Baustart für das Kinderhospiz Sonnenherz ist Ende Oktober 2024. © Tobias Weckenbrock

In der Babyklappe des Klinikums hat „eine Mutter die Möglichkeit, das Kind dort anonym und sicher in ein Wärmebett zu legen“, sagt Sprecherin Susanne Riese. „Wenn die Klappe von außen wieder zugezogen wird, verriegelt sie sich automatisch. Über einen Kontakt wird ein Alarm ausgelöst und eine Kinderkrankenschwester kümmert sich umgehend um das Baby.“

So wie in Dortmund-City wird der Ablauf auch in Westrich sein. Für die Mütter liegen an einer Babyklappe in der Regel Stempelkissen und Karten bereit, mit denen sich Abgebende einen Fußabdruck des Kindes sichern können. „Damit kann sich die Mutter im Zweifel später ‚ausweisen‘, wenn sie das Kind wieder zurücknehmen möchte“, erklärt Klinik-Sprecherin Susanne Riese. Melde sie sich nicht innerhalb von acht Wochen, werde das Baby an Adoptiveltern vermittelt.

Nach den Plänen von Architekt Klaus Winkelmann wird an der Stadtgrenze zwischen Castrop-Rauxel und Dortmund ein Hospiz für Kinder gebaut. Das Sonnenherz soll 2026 eröffnet werden. An dieser Stelle wird ein Babyfenster eingebaut.
Nach den Plänen von Architekt Klaus Winkelmann wird an der Stadtgrenze zwischen Castrop-Rauxel und Dortmund ein Hospiz für Kinder gebaut. Das Sonnenherz soll 2026 eröffnet werden. Auch ein Babyfenster wird es dort geben. © Tobias Weckenbrock

Klappe Teil des Bauantrags

„Unser Hospiz hat alles, was man braucht“, sagt Elisabeth Grümer. „Wenn Sie sich mal umhören, wie viele Kinder abgegeben werden oder notleidend sind, dann muss man doch zu dem Entschluss kommen, dass das nur gut sein kann.“ Es störe die Abläufe im Kinderhospiz jedenfalls nicht. Darum sei die Klappe Teil des nun genehmigten Bauantrags gewesen.

Baubeginn für das Kinderhospiz Sonnenherz wird am 29. Oktober 2024 sein. 2026 soll es in Betrieb gehen. Nach rund neun Jahren Planungszeit ist Elisabeth Grümer eine Last abgefallen, erklärte sie in der vergangenen Woche.

Dr. Michael Glaßmeyer und Schwester Gabi an der Babyklappe des Rochus-Hospitals: Hier wurde 
im August 2009 ein Baby abgegeben.
Dr. Michael Glaßmeyer und Schwester Gabi an der Babyklappe des Rochus-Hospitals in Castrop-Rauxel: Hier wurde im August 2009 ein Baby abgegeben. © Gabi Regener (2009)

Die Information, dass es auch im St. Johannis-Hospital der Katholischen St. Paulus-Gesellschaft in Dortmund eine Babyklappe gebe, stimmt nicht. Bei einer ersten Internet-Recherche zu diesem Thema stieß unsere Redaktion auf der Website babyklappe24.de auf diese Information. Das „JoHo“ dementierte. Man wolle sich beim Betreiber der Internetseite, auf der Babyklappen in Deutschland aufgelistet sind, melden, um das zu korrigieren.

In Castrop-Rauxel betreibt das St. Rochus-Hospital ein Babyfenster. Dort kümmern sich Pflegekräfte der Neugeborenen-Station oder Hebammen der Entbindung um die „Findlinge“. Es wurde 2008 unter anderem auf Betreiben des damaligen Chefarztes Dr. Michael Glaßmeyer in Zusammenarbeit mit der Caritas eingerichtet. „Nach der Erstversorgung des Kindes wenden wir uns direkt an die Polizei und das Jugendamt“, erklärte er zum Verfahren. Die Behörde übernehme nach wenigen Tagen die Verantwortung für das Neugeborene.

Bis 2018 wurden dort zwei Jungen eingestellt. Aktuelle Zahlen vom Rochus haben wir angefragt. Eine Antwort steht noch aus.

Vor zehn Jahren ist auch eine neue rechtliche Option für Mütter in Not hinzugekommen, über die die Website geburt-vertraulich.de informiert: Es gibt für Schwangere die Möglichkeit einer vertraulichen Geburt bei einer Hebamme oder im Krankenhaus. So können Frauen ihr Kind medizinisch, sicher und vertraulich zur Welt bringen. Sie werden von einer Beraterin, die an eine gesetzliche Schweigepflicht gebunden ist, begleitet. Vor und auch nach der Geburt, wenn sie es wünschen.