Es ist der stärkste Pfeiler, auf dem die Betreuung unserer Kinder ruht. Aber er ächzt unter einer finanziellen Last, die andere ihm aufbürden. In NRW und in Dortmund sind die meisten Kitas keine städtischen Einrichtungen, sondern werden von sogenannten freien Trägern – also zum Beispiel Awo, Kirchen oder Elterninitiativen – betrieben. 178 davon gibt es in Dortmund, die Stadt unterhält 109.
Aber hohe Energiepreise, steigende Löhne für Erzieher und unzureichende Unterstützung von Land und Kommunen bringen diese freien Träger in Existenznot. Wir haben mit Mirja Düwel, Geschäftsführerin des Unterbezirks Dortmund der Arbeiterwohlfahrt – dem größten freien Kita-Träger in Dortmund – über Ursachen und Konsequenzen dieser Kita-Krise gesprochen.
Anlass des Gesprächs: Die Arbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege hatte in einem Brief ans NRW-Familienministerium von einer „bestandsgefährdenden Situation“ für viele Kita-Träger geschrieben. Es gebe massive Geldsorgen, auch wegen der Tariferhöhung im Öffentlichen Dienst. Denn diese hat Vorbildfunktion für die anstehenden Tarifverhandlungen für die Sozialberufe.
Das weiß auch Mirja Düwel: „Ende Mai läuft der zwischen dem Arbeitgeberverband Awo NRW und Verdi vereinbarte Tarifvertrag aus. Im anstehenden Tarifstreit wird sich Verdi an der Einigung für den Öffentlichen Dienst orientieren. Und auch unsere Mitarbeitenden erwarten jetzt eine spürbare Summe mehr.“ 3000 Euro Inflationsausgleich – verteilt auf acht Monate – und ab 1. März 2024 zehn Prozent mehr Lohn bekommt eine Erzieherin im Öffentlichen Dienst.
3,75 Millionen Euro Mehrkosten
1800 Mitarbeiter arbeiten in den Betrieben der Awo Dortmund. 400 davon im Kita-Bereich. Sie betreuen 1600 Kinder. Allein für den im Öffentlichen Dienst schon durchgesetzten Inflationsausgleich wären – würde er auf die Dortmunder Awo-Beschäftigten übertragen – bei umgerechnet 1250 Vollzeitstellen Mehrkosten in Höhe von 3,75 Millionen Euro fällig.
Für freie Träger eröffnet sich da eine gefährliche „Zwickmühle“, wie Düwel sie nennt: „Zum einen haben wir Fachkräfte-Mangel und müssen uns um jede Arbeitskraft bemühen – und die schauen natürlich ganz genau hin, was die Kolleginnen in Dortmund demnächst bei Fabido verdienen.“ Der Mangel an qualifiziertem Personal hat jetzt schon Folgen. Die Awo wird bald eine weitere Kita – die 21. in Dortmund – am Phoenix-See eröffnen – aber: „Es ist fraglich, ob wir gleich mit allen Gruppen öffnen können“, sagt Mirja Düwel.
„Zum anderen droht uns die Situation, dass wir unsere Angebote nicht mehr auskömmlich finanzieren können. Wir stellen uns jetzt nicht hin und sagen: Wir müssen schließen. Aber wenn es so bleibt, ist ein akutes Liquiditäts- und grundsätzliches Finanzierungsproblem zu befürchten“, lautet ihr alarmierender Ausblick.
Zuschläge und hohe Gas-Kosten
Zumal noch weitere nicht selbstverschuldete finanzielle Verpflichtungen bereits auf den Träger einprasseln. Zum einen hat die Awo auch das Ergebnis der Tarifrunde des vergangenen Jahres nachgeholt: Verdi hatte sich Mitte 2022 für den Öffentlichen Dienst auf Zuschläge für Sozial- und Erziehungsberufe geeinigt. 130 bzw. 180 Euro monatlich bekommen Beschäftigte seit Juli 2022 mehr. Die Awo hat zum 1. Januar nachgezogen. Kostenpunkt: ca. 850.000 Euro für das Jahr 2023.
Zum anderen leidet auch die Awo unter Inflation und hohen Energiepreisen. „Wir mussten letztes Jahr auf dem Höhepunkt der Energiepreise neue Verträge abschließen, jetzt zahlen wir für alle Awo-Betriebe 1,5 Millionen Euro mehr im Jahr, trotz Strom- und Gaspreisbremsen“, erklärt Mirja Düwel. Allein diese drei Punkte – Inflationsausgleich, Zuschläge und Energiepreise – summieren sich also auf mehr als 6 Millionen Euro Mehrkosten.
Elternvertreter wie Daniela Heimann vom Kita-Landeselternbeirat hatten die Befürchtung geäußert, dass Träger deswegen aus Tarifverträgen aussteigen, Beschäftigte dann kündigen und Eltern mit den daraus entstehenden Problemen alleine gelassen werden. Sie würde sich daher wünschen, „dass man sehr konstruktiv darüber berät, wie man Finanzierungslücken schließen kann.“
„Wir wollen nicht schlechter zahlen als der Öffentliche Dienst“, stellt Mirja Düwel klar. „Ich stelle mich gerne der Konkurrenz. Wir bieten viel Gestaltungsspielraum in den Kitas, sind gut vernetzt in den Stadtvierteln und arbeiten toll mit den Eltern zusammen. Aber diese Konkurrenz muss auf den gleichen Ausgangsbedingungen beruhen.“
Zu geringe Zuweisungen
Es sei notwendig, dass bei solchen Tarifabschlüssen wie zuletzt die Situation der freien Träger mitgedacht werde. „Und es ist wichtig, dass die Öffentliche Hand, weiß, was Inflation und der Tarifabschluss für die Wohlfahrtsverbände bedeuten – und das Land sich immer fragt: Können da noch alle Träger mithalten? Und wenn die Zuweisungen nach dem NRW-Kinderbildungsgesetz zum 1. August noch nicht einmal um 3,5 Prozent steigen, aber eine Lohnsteigerung um 10 Prozent auf uns zukommt, ist das nicht der Fall.“ Denn dann bröckelt der zentrale Pfeiler der Kinderbetreuung.
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