Das Gästebuch ist voll mit prominenten Unterschriften: Wladimir und Vitali Klitschko waren hier, Chris de Burgh sogar zweimal, Sängerin Ireen Sheer, Friedrich Küppersbuch, Peter Krauss, Chris Andrews und das gesamte Schiedsrichterteam des Champions-League-Spiels des BVB gegen Real Madrid. Jetzt droht die Kulisse, in der diese illustre Gesellschaft speiste, in den Müll zu wandern.
Die „Trattoria Mille Miglia“ am Niederhofer Kohlenweg gibt es nicht mehr; auch das Automobilmuseum ist Geschichte. Aber die Kulisse für das jahrelange Promi-Stelldichein steht noch, und sie ist etwas ganz Besonderes: Hand angelegt an die zauberhafte Kulisse des italienischen Städtchens Brescia hat ein Kunstmaler, der fünf Jahre lang in Rom in der Sixtinischen Kapelle die Decke mit restauriert hat - und ein Einrichtungsteam aus Rom, das den Auftrag hatte, Brescia nach Wichlinghofen zu bringen. Es gelang offenbar so gut, dass ein Kellner, der in der Trattoria arbeitete und aus Brescia stammte, sich nach eigenem Bekunden hier wie zu Hause fühlte.
So berichtet es Adolf Edler von Graeve, der mit seiner Familie Restaurant und Museum betrieben hat. 1999 öffneten sich hier zwischen Wellinghofen und Wichlinghofen die Türen: Feines italienisches Essen mit dem Blick auf blank polierte Karossen von Jaguar, Ferrari, Horch oder Mercedes. Es lief jahrelang gut; oft unbemerkt von den Menschen im Stadtteil, die nicht immer registrierten, wer sich hier alles in ihrer Nachbarschaft tummelte.

Problem Brandschutz
Und dann, eines Tages, bekam die Familie unangemeldet Besuch. Adolf Edler von Graeve erinnert sich daran ungern: Die Leute seien unfreundlich gewesen. Ihre Botschaft: Die Brandschutzbestimmungen würden nicht erfüllt. Dabei hätten sie seinerzeit alles getan, was für den Brandschutz erforderlich war. Aber die Bestimmungen hatten sich offenbar geändert. „Wir hätten 400.000 Euro investieren müssen“, sagt Edler von Graeve. „Damit waren das Restaurant und das Museum gestorben“, sagt er. Seit Ende 2022 ist das Restaurant nun geschlossen; nur noch Freunde kamen gelegentlich zu Besuch.
Inzwischen hat die Familie sich damit arrangiert, alles habe seine Zeit, sagen Adolf Edler von Graeve und seine Frau Ursula. In diesen Tagen sind sie dabei, zu packen zu sortieren. Vieles haben sie schon verschenkt oder verkauft. Vasen, Deko, Stühle und Tische. Aber eines steht immer noch standhaft: die Kulisse der römischen Einrichtungsexperten mit der italienischen Stadt. Sollte sich niemand mehr finden, dann wandert das raumumfassende Kunstwerk – zusammengesetzt aus 2,50 mal 1,50 Meter großen bemalten Holzpaletten – wohl in Müll. Das tut weh. Und die Zeit drängt: Es sind nur noch wenige Tage, dann übergibt die Familie die Schlüssel an eine Dortmunder Baufirma. Adolf Edler von Graeve rechnet mit dem Abriss des Gebäudes, in dem früher mal die Firma Kodak zu Hause war, und damit, dass hier Wohnungen gebaut werden sollen.
Wieso ausgerechnet Brescia?
Warum es ausgerechnet Brescia nach Wichlinghofen schaffte, das liegt an Adolf Edler von Graeve: 20 Jahre lang ist er die „Milli Miglia“ gefahren, „die weltweit bekannteste Oldtimer-Ralley“, sagt er. Start sei immer in Brescia gewesen, dann ging die Fahrt Richtung Rom und schließlich weiter über Pisa, Mailand und wieder zurück nach Brescia. Hier wurden die Wagen auf dem „Piazza della Vittoria“ gecheckt. Den gibt es nun auch in der Wichlinghofer Kulisse. Sogar der Fußboden ist so wie in Italien und an der Wand hängt am Turm eine Uhr, die nicht nur aufgemalt war, sondern wirklich lief. Darauf hatte Ursula Edle von Graeve immer geachtet. Jetzt steht sie schon seit geraumer Zeit, die Batterie ist leer.
Der Kunstmaler, der auch in der Sixtinischen Kapelle gearbeitet hat, hatte übrigens an der Aufgabe in Wichlinghofen seine Freude, daran erinnert sich Adolf Edler von Graeve noch gut: „Er fand’s hier nicht langweilig. Nur in der römischen Kapelle, dort habe er fünf Jahre lang auf einem Gerüst auf dem Rücken gelegen und gemalt.“
Hoffnung bleibt
Noch muss die Familie viel in Kisten packen. Sogar die Tischdecken liegen noch auf manchen Tischen. Auch einige seiner Oldtimer hat Adolf Edler von Graeve „eingepackt“: Für die Wagen gibt es nun Stellplätze im Nachbargebäude. Aber eben nicht für die große Brescia-Kulisse. Und auch wenn die von Graeves inzwischen abgeschlossen haben mit diesem besonderen Projekt für Dortmund – dass diese Kulisse vielleicht auf den Müll wandern könnte, tut weh. Noch hoffen sie. Wer Verwendung für dieses Werk hat, kann sich unter Tel. 0172/2320220 bei der Familie melden.
