„So viele ausgesetzte Katzen wie aktuell hatten wir noch nie“ Katzenschutzverein schlägt Alarm

Ausgesetzte Katzen in Dortmund: Das Problem wächst
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Ausgesetzte Katzen, überfüllte Pflegestellen, kaum noch freie Plätze im Tierheim: Wer derzeit beim Katzenschutzverein Dortmund anruft, hat oft nicht nur eine Katze zu melden – sondern macht sichtbar, wie ernst die Lage insgesamt geworden ist.

„So viele ausgesetzte Katzen wie aktuell hatten wir noch nie“, sagt Dr. Gudrun Heinisch, langjährige Mitarbeiterin des Vereins. Was sich auf der Straße abspielt, lässt sich nicht mehr ignorieren: Immer häufiger treffen die Ehrenamtlichen auf Tiere, die den Umgang mit Menschen kennen – und plötzlich draußen um Futter kämpfen. Viele seien nicht verwildert, sondern schlicht abgeschoben worden.

Die Gründe? Vielschichtig. Manche Besitzer könnten sich die Haltung nicht mehr leisten, andere hätten falsche Vorstellungen vom Aufwand. Einige geben ihre Tiere bewusst bei Nacht und Nebel „in die Freiheit“ – mit der Hoffnung, dass sich schon jemand kümmert.

In diesem Jahr werden frühzeitig Jungtiere gefunden.
In diesem Jahr werden frühzeitig Jungtiere gefunden. © Giulia Marchetti

Immer mehr Fundtiere

Viele dieser Katzen wurden offenbar einfach ausgesetzt. Und obwohl Dortmund seit 2020 eine Kastrationsverordnung hat, fehlt es an Kontrolle und Aufklärung. „Die meisten wissen gar nicht, dass sie ihre Freigänger kastrieren lassen müssen“, so Heinisch. Gerade unkastrierte Kater seien ein Haupttreiber der unkontrollierten Vermehrung.

Zugleich fehlt es an niedrigschwelliger tierärztlicher Versorgung. „Die Gebührenordnung wurde verschärft, viele Tierärzte nehmen keine neuen Patienten an“, erklärt Heinisch. Gerade in einkommensschwächeren Haushalten führe das dazu, dass Katzen gar nicht erst behandelt oder später ausgesetzt würden. In manchen Fällen komme das Veterinäramt hinzu – doch bis dahin seien die Tiere meist in schlechtem Zustand.

Vermehrung außer Kontrolle

Die Lage ist angespannt. Das Tierheim sei seit zwei Jahren durchgängig überfüllt, sagt Heinisch. Viele Katzen können nicht aufgenommen werden, weil kein Platz mehr ist – auch nicht für beschlagnahmte Tiere. Gleichzeitig fehlen dem Verein geeignete Pflegestellen und Rückzugsorte für besonders scheue oder chronisch kranke Tiere.

„Es ist wie ein Rattenschwanz: Wir bekommen immer mehr Fälle – aber haben immer weniger Möglichkeiten, sie unterzubringen.“ Dabei gehe es nicht nur um die Versorgung der Tiere selbst, sondern auch um Fahrten, Absprachen mit Tierärzten, Vermittlungen – und immer wieder emotionale Entscheidungen.

Die eigentliche „Katzenschwemme“ steht noch bevor

Schon jetzt, im April, betreut der Verein fast 20 Katzenbabys – ein Wert, der sonst erst im Mai oder Juni erreicht wird. Die eigentliche „Katzenschwemme“ steht noch bevor. Heinisch spricht von einem „sehr, sehr heftigen Sommer“. Die Organisation lebt fast ausschließlich vom Ehrenamt – und davon, dass Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, obwohl die Umstände oft überfordernd sind.

Gleichzeitig fehle es an politischer Unterstützung. Zwar werde die Problematik wahrgenommen, doch konkrete Lösungen – wie eine bessere Kontrolle der Kastrationspflicht oder finanzielle Förderung von Pflegestellen – blieben aus.

Zur Not kommen Katzen auch in eine Hundepension

Was bleibt, ist die Frustration – und ein fast schon bewundernswerter Pragmatismus. „Es gibt oft keinen Ort, an den wir ein Tier bringen können. Und trotzdem finden wir meistens irgendwie eine Lösung“, sagt Heinisch. Im Notfall auch mal mit einer Hundepension. „Aber leicht ist das nicht – und es wird definitiv nicht leichter.“

Die ständige Überforderung und das Wissen, nie genug helfen zu können – all das hinterlässt Spuren – und doch: Aufgeben kommt für niemanden infrage, auch weil der Verein langfristig plant, ein eigenes Katzenhaus für schwer vermittelbare, kranke oder alte Tiere einzurichten.