„Auch in Familien mit sterbenden Kindern wird gelacht und Unsinn gemacht“

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„Auch in Familien mit sterbenden Kindern wird gelacht und Unsinn gemacht“

rnSterbe- und Trauerbegleitung

Die Begleitung von Kindern und Jugendlichen, die sterben werden, ist für die Dortmunderin Monika Jost eine Herzensangelegenheit. Ein Gespräch über Hilfe für Familien, einen speziellen Kneipenbesuch und ein kleines Wunder.

Dortmund

, 10.06.2021, 07:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Tod, Tränen, Abschiedsschmerz, Einsamkeit - das fällt vielen wohl zuerst ein, wenn sie von Hospiz- und Trauerarbeit hören. Geht es dabei um Kinder oder Jugendliche, die sterben werden, sind viele völlig überfordert.

Anders Monika Jost: In ihrem Berufsleben hat sie neben der ambulanten Hospizarbeit ganz bewusst einen Schwerpunkt auf Hospiz- und Trauerangebote für junge Menschen gelegt. Die Dortmunderin hat sich dafür über 25 Jahre engagiert, zuletzt als Leiterin der Malteser Hospizdienste in Dortmund und Schwerte. Jetzt steht der Ruhestand an. Zuvor blieb Zeit für ein Gespräch, das klar macht: Es um viel mehr als Tränen und Trauer.

Vorurteile und Befangenheit

„Ein Glück, sie sind ja gar nicht schwarz angezogen.“ Ein Satz, den die Dortmunderin oft gehört hat, wenn sie Familien zum ersten Mal besucht hat. Und der gut zeigt, wie falsch das Bild ist, das viele von der Hospizarbeit haben.

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Ein zweites Vorurteil: „Wollen die wohl ständig über den Tod reden?“ - diese Frage treibe viele um, die sich mit den Angeboten des Malteser Hospizdienstes auseinandersetzen. „Von uns aus machen wir das gar nicht. Über die Gesprächsinhalte entscheiden ganz allein die Menschen selbst“, sagt Monika Jost.

Die Gesprächsthemen sind zugleich ein Punkt, der viele Familien, in denen jemand sterben wird, einsam macht, so die Erfahrung der 63-Jährigen. „Je weiter die Krankheit voranschreitet, umso mehr ziehen sich viele Freunde zurück.“ Oft hört man von Befangenheit: „Ich weiß nicht, wie ich das aushalten soll, was ich sagen soll.“

Hemmschwelle ist groß, wenn Kinder betroffen sind

Sind Kinder betroffen, sei die Hemmschwelle noch größer: „Viele Freunde haben die Sorge: Wie muss ich mich benehmen? Darf ich von unserem Familienurlaub erzählen? Darf ich erzählen, dass meine Tochter jetzt schwimmen gelernt hat?“

Monika Jost wirbt für einen möglichst unbeschwerten Umgang: „In Familien mit schwerkranken Kindern wird genauso gelacht wie in anderen Familien auch - auch da ist Leben in der Bude, wird Unsinn gemacht.“

Angebote für Sterbende und Angehörige

Was bedeutet Trauer- und Hospizarbeit eigentlich?

Die Malteser Hospizdienste in Dortmund und Schwerte bieten an, Sterbenden, egal welchen Alters, und ihren Familien während der letzten Lebenszeit in ihrem gewohnten Umfeld beizustehen. Ehrenamtliche besuchen die Betroffenen regelmäßig. Sorgen für Ablenkung, haben ein offenes Ohr oder schaffen Freiräume für pflegende Angehörige. Wie genau das aussehen kann, wird individuell mit den Betroffenen geklärt. Es gibt zudem spezielle Angebote für Kinder und Jugendliche, in deren Familien die Themen Tod und Trauer auftauchen. Die Angebote enden nicht mit dem Tod des Menschen - auch danach sind die Ehrenamtlichen für die Angehörigen da.

Auch in diesen Familien „gibt es zum Glück immer entspannte Phasen. Aber das kann sich eben in Sekunden ändern, wenn ein Kind Luftnot bekommt. Dann sind sofort alle auf das Kind ausgerichtet. Selbst in aller Entspannung ist immer eine Wachheit da, genau hinzuhören, präsent zu sein. Das ist eine enorme Anforderung an Familien“, so Jost.

Besondere Bedürfnisse von Familien beachten

Ein Grund, warum ihr Unterstützungsangebote für Familien immer wichtig waren. Ein anderer Grund: In ihren ersten Jahren in der Hospizarbeit gab es immer wieder Situationen, die deutlich machten - Familien, in denen ein Erwachsener oder ein Kinder unheilbar krank sind, haben besondere Bedürfnisse und Probleme.

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„Manchmal war die Erkrankungen von Mutter oder Vater schon sehr weit fortgeschritten, und der Ehrenamtliche fragte: Wissen ihre Kinder schon Bescheid? Und dann stellte sich heraus: Mit denen hat niemand gesprochen, um sie zu schonen, zu schützen. Aber Kinder spüren es natürlich, haben Antennen dafür - gerade, wenn etwas nicht gesagt wird. Und die Fantasie ist oft noch schlimmer.“

Wie die Unterstützung für Familien aussehen kann, ist ganz individuell: Manchmal geht es darum, Zeit mit sterbenskranken Kindern zu verbringen, auf sie aufzupassen. Sodass Eltern einfach mal Zeit für sich oder die Geschwisterkinder haben. „Oft ist es Eltern ein Anliegen, dass die Geschwisterkinder neben dem kranken Kind nicht zu kurz kommen.“

18. Geburtstag mit einem Cocktail gefeiert

Manchmal geht man mit den Geschwisterkindern zum Spielplatz. Manchmal führt der Weg auch in eine Kneipe: Einen jungen, aber schwerkranken Mann begleitete eine Ehrenamtliche an seinem 18. Geburtstag dorthin. „Da hat er seinen ersten Cocktail getrunken“, erinnert sich Monika Jost.

Ein Beispiel, das zeigt: Die Angebote zur Sterbe- und Trauerbegleitung haben viel damit zu tun, das Leben bis zuletzt auszukosten. Egal, ob es dabei um Kinder oder Erwachsene geht.

Sehr gerne erinnert sich Monika Jost in diesem Zusammenhang an ein älteres Ehepaar, das das Angebot des Tages-Hospizes angenommen hatte. In entsprechend eingerichteten Räumen der Malteser an der Amalienstraße hatten sie die Gelegenheit, einen Tag zu verbringen.

„Wie ein kleines Wunder“

„Sie wohnten in einer Dachgeschosswohnung ohne Balkon, beide kamen nicht mehr vor die Tür. Und an diesem Tag war es wie ein kleines Wunder. Beide hatten sich schick angezogen, man konnte spüren: Es war ein besonderer Anlass für sie.“ Die Maltester brachten das Paar zur Amalienstraße.

Ein Ehrenamtlicher stand für eine Partie Schach bereit, was sich der Mann sehr gewünscht hatte. Seine Frau unterhielt sich mit einer Ehrenamtlichen, dann wurde nach ihren Wünschen ein Mittagessen gekocht. Eine Pause im Liegesessel, dann auf der Terrasse die Sonne genossen.

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„So viel haben wir gar nicht machen brauchen - aber man konnte sehen, wie sie es genossen haben, wie viel das für die beiden bedeutet hat“, sagt Monika Jost. Für sie das perfekte Beispiel, worum es ihr immer ging: „Die Begleitung in einer Zeit, wenn Sterben, Tod und Trauer in einer Familie sind - für mich ist das eine Lebensbegleitung, etwas sehr Lebendiges.“

Daran Anteil haben zu dürfen, war „ein großes Geschenk“. In ihren Ruhestand, in dem sie ihrem Mann, ihren drei Kindern und drei Enkeln viel Zeit widmen möchte, nimmt sie davon viel mit: „Mir ist viel bewusster als früher, dass das Leben jeden Tag ein Geschenk ist. Sei dankbar für kleine Dinge - gemeinsam einen Kaffee trinken oder spazieren gehen, Zeit für Familie und Freunde haben. Genieße die Zeit.“

Die Nachfolge von Monika Jost übernehmen kommissarisch Karin Budde (l.) und Silke Willing.

Die Nachfolge von Monika Jost übernehmen kommissarisch Karin Budde (l.) und Silke Willing. © Schaper

Zwei Nachfolgerinnen

Neue Leiterinnen für Maltester Hospizdienste

Die Nachfolge von Monika Jost übernehmen Karin Budde (Leitung Kinder- und Jugendhospizdienst) und Silke Willing (Ambulanter Hospizdienst für Erwachsene). Gemeinsam leiten sie kommissarisch auch das Gesamtangebot - also auch den (telefonischen) Besuchsdienst und die Trauerbegleitung der Malteser Hospizdienste St. Christophorus. Neben den Anliegen der kranken und trauernden Menschen und organisatorischen Aufgaben gehört dazu auch, die Belange der rund 130 Ehrenamtlichen im Blick zu haben, so Silke Willing.
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