Arzt (67) nach Corona-Scheinimpfungen verurteilt „Er hat geglaubt, über dem Gesetz zu stehen“

Arzt (67) verurteilt: „Er hat geglaubt, über dem Gesetz zu stehen“
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Erstes Urteil im Prozess um Hunderte Corona-Scheinimpfungen durch einen Arzt (67) im Recklinghäuser Paulusviertel: Die 12. Strafkammer am Bochumer Landgericht verurteilte den Mediziner, der vor seiner Festnahme im Mai 2022 in Dortmund-Oespel gelebt hat, am Donnerstag (29.6.) für 207 Fälle zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft – der Arzt nahm seine Strafe äußerlich ohne Regung entgegen.

Auch am Urteilstag waren wieder zahlreiche Sympathisanten des umstrittenen Mediziners unter den Zuschauern im großen Schwurgerichtssaal A0.10. Einige forderten auf entsprechend bedruckten T-Shirts oder Umhängern „Freiheit“ für den Arzt. Einige schickten kurz vor dem Urteil noch schnell mit ihren Armen symbolische Herzen in Richtung Anklagebank.

„Rechtsfeindliche Gesinnung“

Die Richter halten es für erwiesen, dass der Mediziner, der kurz nach Prozessbeginn noch unter Tränen Fehler eingestanden, dann aber alles widerrufen hatte, in 207 Fällen Patienten eine Corona-Schutzimpfung bescheinigt hat, ohne diese tatsächlich durchgeführt zu haben. „Er hat geglaubt, über dem Gesetz zu stehen, hat geglaubt, dass Normen für ihn nicht gelten“, hieß es in der Urteilsbegründung.

Zwar habe man nicht außer Acht gelassen, so die Richter, dass der 67-Jährige wohl vordergründig vom Gedanken der Hilfeleistung geleitet worden ist. Insgesamt sei bei seinem Vorgehen jedoch „eine rechtsfeindliche Gesinnung“ zum Ausdruck gekommen.

Abgestritten hat der 67-Jährige die Vielzahl von Scheinimpfungen in seiner Praxis nie, die die Staatsanwaltschaft ihm vorgeworfen hat. Offiziell hat er jedoch nach der Hinzuziehung eines bekennend impfkritischen Verteidigers geschwiegen.

Der Anwalt, der in den Corona-Impfstoffen eine Art Biowaffe sieht, hatte behauptet, der Arzt habe aus ethischen Gründen in Not oder unter Impfdruck geratenen Patienten geholfen, habe sie vor Nebenwirkungen der Corona-Impfung geschützt.

Das Gericht beurteilte diese vermeintlichen Rechtfertigungen als absolut unhaltbar, zudem am Thema vorbei. Notwehr oder eine Notstandslage gegen Gesetze sei überhaupt nicht zulässig. „Die Patienten hätten rechtlich gegen die Regelungen vorgehen müssen“, hieß es.

Die Staatsanwaltschaft, die für den Arzt drei Jahre und drei Monate Haft beantragt hatte, hatte die Scheinimpfungen durch den Arzt „Selbstjustiz“ genannt, die sich nicht legitimieren lasse.

Gelbe Impfausweise liegen auf einem Tisch
Ein in Recklinghausen praktizierender Arzt hat Corona-Impfausweise ausgestellt, ohne ein Vakzin zu injizieren. © dpa

Das Urteil lautet auf unrichtige Dokumentation einer Corona-Schutzimpfung und Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse in insgesamt 207 Fällen. Ein Großteil der Fälle ist laut Gericht bewiesen durch den Fund unverbrauchter Chargen verschiedener Covid-19-Impfstoffe am Rande einer Praxisdurchsuchung Anfang 2022.

Die dazugehörigen Chargen-Etiketten seien bei Patientenimpfpässen eingeklebt und vom Arzt gestempelt gewesen. Darüber hinaus hätten aber im Prozess auch mehrere Zeugen „bestätigt, dass sie keine Impfung erhalten haben“.

Festgestellt wurde im Urteil auch, dass der Arzt in einzelnen Fällen Patienten statt Impfstoff eine Kochsalzlösung gespritzt hat. In einem Fall sei das beispielsweise explizit auf Anfrage eines Vaters passiert, um seinen jugendlichen Sohn glauben zu lassen, er sei tatsächlich geimpft.

Nach einer Prozesspause geht am 28. Juli der Prozess gegen den Arzt und dessen Ehefrau (57) aus Herten weiter. Ursprünglich angeklagt waren knapp 600 Scheinimpfungen. Die jetzt beurteilten 207 Fälle waren mit Blick auf Entscheidungsreife für ein Teilurteil (nur gegen den Arzt) abgetrennt worden.

Revision möglich

Sollte gegen den Arzt, der seit 13 Monaten in U-Haft sitzt, im weiteren Verlauf eine zusätzliche Strafe verhängt werden, muss am Ende eine Gesamtstrafe gebildet werden.

Das jetzt verkündete Urteil kann der Mediziner durch Revision anfechten. Dann müsste der Bundesgerichtshof (BGH) eine rechtliche Prüfung vornehmen.

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