Archäologen entdecken spätantikes Gräberfeld am Grafenhof

© Oliver Volmerich

Archäologen entdecken spätantikes Gräberfeld am Grafenhof

rnAusgrabungen

Bei Ausgraben im Innenhof des neuen Gesundheitsamtes am Grafenhof sind Archäologen auf Spuren der frühen Stadtgeschichte gestoßen. Sie reichen gut 1500 Jahre zurück.

Dortmund

, 13.03.2019, 14:03 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es ist wie ein Mosaik aus rechteckigen Feldern, der sich im Lehmboden hinter dem Gesundheitsamt am Grafenhof abzeichnet. „Ein Gräberfeld“, erklärt Stadtarchäologe Ingmar Luther. Und es führt weit zurück in die Stadtgeschichte.

Überraschend weit. Dass bei Bauarbeiten in der City, in diesem Fall für den geplanten Drogenkonsumraum im Innenhof des Gesundheitsamtes, mit historischen Relikten gerechnet werden muss, war klar. Deshalb werden Erdarbeitern im Stadtzentrum auch immer von geschulten Archäologen begleitet, erklärt Luther. Ein so reichhaltige Fund ist aber auch für die Experten überraschend.

Dunkele Verfärbungen im Boden

Neun Gräber haben die Archäologen freigelegt. Die rechteckigen Umrisse sind gut zu erkennen. Um zu sehen, dass es historische Gräber sind, braucht es aber schon ein geschultes Auge. „Knochen bleiben in diesem Boden nicht zurück“, erklärt Luther. Die dunkelen Verfärbungen im Boden sind für die Experten aber ein Hinweis auf historische Spuren, in diesem Fall Holzreste. Sie stammen von der Einfassung von Kammergräbern, erklärt der Experte.

Archäologe Hanns Neidhardt legt ein weiteres Grab frei. Die dunklen Stellen stammen von Holzresten.

Archäologe Hanns Neidhardt legt ein weiteres Grab frei. Die dunklen Stellen stammen von Holzresten. © Oliver Volmerich

Aus welcher Zeit sie stammen, darauf weisen die Grabbeigaben hin, die das Team der Genossenschaft „Archäologie am Hellweg“ inzwischen geborgen hat. Dazu gehört eine Tonscherbe aus der Spätantike. „Sie stammt aus dem 4. oder 5. Jahrhundert“, schätzt Luther. Auf diese Zeit geht auch der „Dortmunder Goldschatz“ mit mehr als 450 römischen Gold- und Silbermünzen zurück, der 1907 nicht weit vom Grafenhof entfernt an der heutigen Ritterstraße gefunden worden war. Er wird heute im Museum für Kunst und Kulturgeschichte gehütet.

Ein Schatz fürs Museum

Die Scherbe aus dem Gräberfeld ist so gut erhalten, dass sie möglicherweise bald ebenfalls im Museum einen Platz finden könnte. „Es wäre schade, wenn sie irgendwo in einem Karton im Archiv landet“, sagt Luther.

Aus der Spätantike stammt die Scherbe, die in einem der Gräber am Grafenhof gefunden wurde.

Aus der Spätantike stammt die Scherbe, die in einem der Gräber am Grafenhof gefunden wurde. © Oliver Volmerich

Dass im Bereich Grafenhof deutlich vor der Gründung der Stadt Dortmund in der Zeit von Karl dem Großen Menschen gelebt haben, bestätigen auch frühere Funde in der Umgebung. Schon bei Ausgrabungen beim Bau der Thier-Galerie 2009 wurden Spuren von Bestattungen aus der Eisenzeit und aus dem 4. und 5. Jahrhundert gefunden.

Die Glasperlen gehören vermutlich zu einem Kindergrab.

Die Glasperlen gehören vermutlich zu einem Kindergrab. © Oliver Volmerich

Die spätantike Scherbe ist aber nicht das einzige Fundstück im Gräberfeld am Grafenhof. Aus einem kleinen, fast quadratischen Grab haben die Archäologen winzige Perlen geborgen. „Das war vermutlich ein Kindergrab“, erklärt Grabungsleiter Hassan Bakko. In einer anderen Grabkammer wurde eine Lanzenspitze gefunden, die aus Schutzgründen nun in Gips verpackt ist. Sie soll in einem speziellen Labor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) untersucht werden, kündigt Luther an.

Klar ist: „Die Grabbeigaben zeigen, dass es wohl besondere Personen waren, die hier bestattet wurden“, stellt Luther fest. Das erinnert an das vor 20 Jahren entdeckte Gräberfeld aus der Merowinger-Zeit in Asseln.

Grabungsleiter Hassan Bakko zeigt eine Lanzenspitze, die am Grafenhof ausgegraben wurde.

Grabungsleiter Hassan Bakko zeigt eine Lanzenspitze, die am Grafenhof ausgegraben wurde. © Oliver Volmerich

Aus der Merowinger-Zeit, also aus dem 5. und 6. Jahrhundert, stammt wohl auch ein Teil der Gräber am Grafenhof. Die Merowinger waren als Herrschergeschlecht die Vorgänger der Karolinger, die die Christianisierung nach Westfalen brachten. Karl der Große soll dabei nicht nur die Syburg erobert und dort die erste Kirche Westfalens gebaut haben, sondern auch am Knotenpunkt zweiter Handelswege eine Königspfalz angelegt haben - der Ursprung der Stadt Dortmund.

Auf der Spur der Martinskapelle

Neben dem Umfeld der heutigen Reinoldikirche war der Grafenhof ein erster Siedlungsschwerpunkt. An beiden Stellen entstanden Kirchen. Die Martinskapelle am Grafenhof ist schon für das 11. Jahrhundert belegt.

Ihre genaue Lage war bislang nicht bekannt. Doch das könnte sich nun ändern. Denn am Rande des Gräberfeldes am Grafenhof wurden auch massive Mauerreste freigelegt, die den Experten noch Rätsel aufgeben. „Die steinernen Mauern belegen, dass es auf keinen Fall ein Profanbau war“, sagt Ingmar Luther. „Es wäre hervorragend, wenn wir klären könnten, dass es sich um die Martinskapelle handelt.“

Das mittelalterliche Stadtbild zeigt die Zeichnung von Detmar Mulher von 1610. Links am Rand der Stadtmauer ist unterhalb des Westentores die Martinskapelle zu erkennen.

Das mittelalterliche Stadtbild zeigt die Zeichnung von Detmar Mulher von 1610. Links am Rand der Stadtmauer ist unterhalb des Westentores die Martinskapelle zu erkennen. © Stadtarchiv

Damit nicht genug: Hölzerne Pfähle, die unter den Mauerresten entdeckt wurden, deuten darauf hin, dass es auch für die hier vermutete Martinskapelle einen Vorgängerbau gab, der möglicherweise bis in die karolingische Zeit zurückreicht. Auch hier hofft Luther noch auf Belege.

Spätestens Ende des Monats wollen die Archäologen ihre Arbeit im Innenraum des früheren Postscheckamtes und heutigen Gesundheitsamtes am Grafenhof beendet haben. Dann sollen die Bauarbeiten für den Drogenkonsumraum beginnen. Die archäologischen Funde werden bis dahin akribisch dokumentiert und vermessen. Denn sie sind eine wichtige Quelle für die frühe Stadtgeschichte.

Ausgrabungen an mehreren City-Baustellen


Überreste der Stadtmauer entdeckt

  • Die Ausgrabungen am Grafenhof sind nicht die einzige aktuelle Baustelle für die Archäologen. Sie begleiten auch die Bauarbeiten der DEW am Westentor und der Stadt am Ostwall.
  • Am Westentor wurden im Februar Überreste des Westenrondells, einem Teil der Stadtbefestigung gleich neben dem Westentor freigelegt.
  • Am Ostwall wurde bereits im vergangenen Jahr ein Teil der alten Stadtmauer entdeckt. Bei den aktuellen Arbeiten am Außenring wurden nun Teile der Vormauer ausgegraben, die der eigentlichen Stadtmauer und dem sie umgebenden Wassergraben vorgelagert war.
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