Forderung nach Arbeitspflicht für Bürgergeld-Empfänger Was sagen Dortmunder Experten?

„Jedes System braucht Regeln, und es muss Sanktionsmöglichkeiten geben“
Lesezeit

Die Stadt Essen will Menschen im Bürgergeld künftig zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten. Der Essener Dezernent für Arbeit und Soziales, Peter Renzel, hat ein entsprechendes Konzept für das NRW-Arbeitsministerium geschrieben. In Dortmund steht man dem Vorschlag skeptisch gegenüber.

Bürgergeld: 563 Euro Regelsatz

Bürgergeld bekommen Menschen, die ihre Existenz nicht durch Erwerbstätigkeit sichern können, zum Beispiel weil sie länger arbeitslos sind, krank sind oder mit ihrer Arbeit nicht genug verdienen. Der Regelsatz für Singles liegt aktuell bei 563 Euro im Monat.

Verbunden ist das Bürgergeld mit bestimmten Auflagen, die dazu führen sollen, Menschen wieder in Arbeit zu vermitteln. Werden diese Auflagen missachtet, sind schon jetzt Sanktionen möglich.

Argumente für und wider

Die Argumentation der Befürworter einer Arbeitspflicht folgt zwei Linien: Zum einen sei die geforderte gemeinnützige Arbeit eine Gegenleistung an die Allgemeinheit für das Bürgergeld. Zum anderen können demnach Menschen, die bereits seit vielen Jahren nicht mehr arbeiten, so wieder an Arbeit herangeführt werden.

Dem gegenüber steht zum einen, dass sich der Anspruch auf ein gesichertes Existenzminimum unmittelbar aus dem Grundgesetz ergibt und nicht an eine Gegenleistung geknüpft ist. Zum anderen werden organisatorische und ökonomische Bedenken gegen eine Arbeitspflicht angeführt.

Wie die Stadt das Thema sieht

Nach dem Vorstoß aus der Fast-Nachbarstadt Essen gefragt, ist die Rückmeldung der Dortmunder Amtskollegin eindeutig: „Die Arbeitsmarktpolitik der Stadt Dortmund setzt darauf, die Menschen bei ihrer Reintegration in den Arbeitsmarkt bestmöglich zu unterstützen. Unsere Erfahrung zeigt, dass dies dann besonders gut gelingt, wenn die angebotenen Jobs den Fähigkeiten und Qualifikationen der betroffenen Menschen entsprechen. Bei uns gibt es keine Diskussion darüber, dies über Zwang durchzusetzen“, so Sozialdezernentin Birgit Zoerner.

Für diejenigen, die Angebote konsequent ablehnen, gebe es bestehende Sanktionen. „Wir halten es auch für richtig, dass Sanktionen seit einiger Zeit wieder möglich sind“, so Zoerner weiter.

Instrumente reichen aus

Marcus Weichert ist Geschäftsführer des Dortmunder Jobcenters. In seinen Verantwortungsbereich fallen die rund 60.000 erwerbsfähigen Bezieher und Bezieherinnen von Bürgergeld in Dortmund. Weniger als ein Prozent davon gelte als sogenannte „Totalverweigerer“, also Menschen, die partout nicht arbeiten wollen, obwohl es Gelegenheiten dazu gäbe. Ein paar hundert.

„Jedes System braucht Regeln und es muss auch Sanktionsmöglichkeiten geben, für diejenigen, die sich daran nicht halten wollen“, sagt Marcus Weichert. „Ich halte es aber für eine Scheindebatte, sich an der kleinsten Gruppe abzuarbeiten.“

Birgit Zoerner, Sozialdezernentin der Stadt Dortmund
Birgit Zoerner, Sozialdezernentin der Stadt Dortmund © Stephan Schütze (A)

Auch auf der sachlichen Ebene sieht Weichert Probleme mit der Pflicht zur gemeinnützigen Arbeit. „Das müssten ja Tätigkeiten sein, die private Unternehmen nicht gewinnbringend machen können.“ Oft werde als Beispiel die Pflege von Grünanlagen genannt. In diesem Bereich sei das aber durchaus möglich. „Es besteht also die Gefahr, dass eine Arbeitspflicht dazu führt, dass bei entsprechenden Unternehmen Aufträge wegfallen und dann Arbeitslosigkeit erzeugen.“

Dem Grundgedanken hinter der Arbeitspflicht stimmt Weichert hingegen zu: „Jeder muss in unserer Gesellschaft einen Beitrag leisten. Dazu gehört auch, arbeiten zu gehen.“ Die bestehenden Instrumente seien dem Grunde nach ausreichend, dieses Ziel zu erreichen. Sie müssten nur effizienter angewandt werden.

„Ich finde den Diskurs wichtig. Aber je komplexer die Frage ist, desto schwieriger sind einfache Antworten.“