Warum die Stadt Dortmund kein Anwohner-Parkhaus bauen will „Würde 250 Euro für Stellplatz zahlen“

Trotz Parkplatznot: Warum die Stadt kein Anwohner-Parkhaus bauen will
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Erst neulich wieder. 20 Minuten sei er abends mit seinem Auto auf der Suche nach einem Stellplatz durchs Kreuzviertel in Dortmund gekurvt, erzählt Anwohner David Alltay. „Nichts zu machen“, sagt der 36-jährige Langstreckenpilot einer Luftfahrtgesellschaft. Notgedrungen habe er seinen Wagen auf einem Carsharing-Platz abgestellt. „Als ich endlich zu Hause war, war mein Essen kalt“, schildert Alltay. Seinen Wagen habe er dann am nächsten Morgen eilig umgeparkt.

Schon mittags sei die Lage im Kreuzviertel angespannt. „Abends ist sie katastrophal“, meint der Anwohner. Zu gern würde er sich in ein Quartiersparkhaus einmieten. Ein sicherer und videoüberwachter Parkplatz in einem Parkhaus für Anwohner? „Ich wäre bereit, 250 Euro im Monat dafür zu zahlen“, sagt Alltay. „Wenn nur ein Viertel der Autos von den Straßen im Kreuzviertel verschwände, sähe das Stadtbild hier schon anders aus.“

Anwohner Olaf Schlienkamp steht in der MSA-Siedlung in Dortmund-Scharnhorst neben seinem Auto.
Parken in der MSA-Siedlung in Scharnhorst: Vom Gehweg bleibt kaum noch etwas. Olaf Schlienkamp dringt auf Alternativen für die Anwohner. © RN

Dabei steht das Kreuzviertel stellvertretend für viele Wohngebiete. In den Nachbar-Quartieren wie dem Klinik- und dem Saarlandstraßenviertel sieht es nicht anders aus. Selbst in den Außenbezirken wie in der MSA-Siedlung in Scharnhorst oder auch in Hombrucher Wohngebieten herrscht oft schiere Parkplatznot. Die Folge: Autos werden so abgestellt, dass sie den Verkehr behindern, Rettungs- und Müllfahrzeuge kaum durchkommen und Fußgängern gerade noch ein Stückchen vom Gehweg bleibt. Ein Problem, das vor allem in älteren und dicht bebauten Wohnquartieren mit schmalen Straßen auftaucht.

"Oft fehlt es an Flächen"

Aber wohin sollen Anwohner mit ihren Autos? Die Zulassungszahlen in Dortmund steigen weiter. Ende 2022 waren 295.767 Pkw angemeldet, 2023 waren es 299.094 und im vergangenen Jahr erstmals mehr als 300.000 (300.750). Auf der anderen Seite gehen immer mehr Parkplätze im öffentlichen Raum verloren, was teilweise politisch gewünscht ist. Ersatz gibt es kaum. Es wird eng, vor allem in den Innenstadt-Quartieren.

Anwohner-Parkhäuser sind zwar kein Allheilmittel. „Sie könnten aber durchaus weiterhelfen, wenn es darum geht, ein ambitioniertes und umfassendes Parkraum-Management im Einklang mit einer nachhaltigen Stadt- und Mobilitätsentwicklung umzusetzen“, sagt Dr. Janina Welsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS). Sie hat sich in einer Studie „Wohin mit den Autos? Quartiersgaragen und Parkraummanagement im Bestand“ ausführlich mit dem Thema befasst und kommt unter anderem zu dem Ergebnis: Quartiersgaragen seien effizient, wenn sie als Parkhäuser für Anwohner aus einem bestimmten Umkreis angelegt werden und so das Parken auf privaten Grundstücken oder im öffentlichen Raum ablösten.

Ein Auto fährt im Kreuzviertel in Dortmund in eine Parklücke.
In vielen Wohnquartieren wie hier im Kreuzviertel wird um jede Parklücke gekämpft - und die Stellplätze werden in Zukunft weniger. © RN

Das Problem: Quartiersparkäuser oder -tiefgaragen werden in aller Regel in Neubaugebieten errichtet und sind vom jeweiligen Investor von vornherein in die Projektentwicklung eingepreist. Sie ersetzen oft den Parkplatz vor der Haustür. Ausgerechnet in Altbaugebieten aber, in denen die Not besonders groß ist, gibt es solche Anwohner-Parkhäuser nicht. „Ein Neubau ist zunächst einmal sehr teuer, und oft fehlt es an geeigneten Flächen“, sagt Welsch. Ein Neubau in einem Bestandsgebiet setzte zwingend voraus, dass die öffentlichen Stellplätze in den jeweiligen Vierteln konsequent bewirtschaftet und kontrolliert würden.

Zahlungsbereitschaft gering?

Ähnlich argumentiert die Stadtverwaltung. Sie verweist auf den Versuch, einen Investor für den Bau eines Anwohner-Parkhauses auf dem Telekom-Parkplatz an der Zwickauer Straße im Saarlandstraßenviertel zu gewinnen. Das Projekt sei gescheitert, weil das Invest als „zu hoch erachtet“ worden sei, heißt es. Das war vor rund zwei Jahren. Im November 2024 startete die Politik einen neuen Versuch: Sie nannte vier konkrete städtische Flächen in Hombruch und Scharnhorst und beauftragte die Verwaltung, die Grundstücke für den Bau von Quartiersparkhäusern zu prüfen - und ggf. ein Finanzierungskonzept zu entwickeln.

Die Antwort der Planer enthält nur eine einzige Botschaft: „Bringt nichts – zu teuer.“ Die Zahlungsbereitschaft der Anwohner sei zu gering, um „die Herstellungs- und Betriebskosten auch nur annähernd zu decken“, heißt es im Schreiben an die politischen Gremien. Mit einem solchen Vorhaben, das nur rote Zahlen abwerfe, werde der städtische Haushalt „massiv belastet“. Dadurch werde lediglich der Kfz-Verkehr subventioniert und attraktiver gemacht – und das laufe den Zielen der Verkehrswende und des Klimaschutzes in Dortmund zuwider.

Auf eine technische und planungsrechtliche Bewertung hat die Verwaltung von vornherein verzichtet. Es sei nicht sinnvoll, eine solch zeit- und personalintensive Prüfung vorzunehmen, wenn vorab bekannt sei, „dass die wesentlichen Rahmenbedingungen für eine Umsetzung nicht gegeben sind.“

Uwe Waßmann, Vize-Fraktionschef der CDU Dortmund.
Uwe Waßmann will nachlegen: „Die Verwaltung ist auf den Prüfauftrag gar nicht eingegangen.“ © Oliver Schaper

Politik bleibt hartnäckig

Die Verwaltung zeigt zwar die kalte Schulter. Doch die Politik will die Abfuhr nicht hinnehmen. „Das Thema lässt sich nicht einfach so wegschieben“, zürnt SPD-Ratsfraktionsvize Olaf Schlienkamp. „Die Verwaltung ist auf den Prüfauftrag gar nicht eingegangen“, sekundiert CDU-Fraktionsvize Uwe Waßmann. Sogar Thomas Eltner, sachkundiger Bürger der Grünen im Ausschuss für Stadtentwicklung, zeigt sich von der Antwort irritiert. Er plädiert trotzdem für eine erneute Initiative. „Ich bin dafür, ein Pilotprojekt in einem der Innenstadtviertel zu starten“, sagt der studierte Raumplaner und Uni-Dozent.

Ihr „Nein“ begründet die Verwaltung mit dem Beispiel einer Mitte 2024 eröffneten Quartiersgarage in Wiesbaden, die in der hessischen Landeshauptstadt als „innovativer und hochmoderner Mobilitätshub“ gefeiert wird. Die Anlage am Elsässer Platz sei das bundesweit einzige Quartiersparkhaus, das in einem bereits bestehenden Wohnquartier gebaut worden sei, heißt es in Wiesbaden. Die Anlage hat 429 Stellplätze. 421 sind mit E-Ladepunkten ausgestattet, acht weitere mit Schnellladesäulen. Zudem gibt es Plätze für Carsharing-Anbieter.

Gebaut hat das Parkhaus kein Privater. Sondern die Stadt Wiesbaden. Betrieben wird es vom kommunalen Bauträger WiBau. Parken ist rund um die Uhr möglich, auch Kurzzeit- und Nachtparkern steht die Anlage offen. Anwohner, die einen Stellplatz ergattern, zahlen 80 Euro pro Monat. „Alle Stellplätze sind vermietet“, sagt Verwaltungssprecher Maximilian Birk, Referent für Verkehr und Mobilität. „Obendrein haben wir eine Warteliste mit rund 500 Bewerbern, es gab sogar Leute, die sich in das Parkhaus einklagen wollten.“

Besonders verblüffend: Wer seinen Wagen als Anwohner weiterhin draußen im öffentlichen Raum abstellt, zahlt erheblich weniger: Ganze 10 Euro im Monat kostet dort das Anwohnerparken, 120 Euro im Jahr. Das Quartiersparkhaus ist also teurer - es läuft aber trotzdem voll. „Weil die Leute die ewige Parkplatzssuche einfach leid sind“, sagt Birk.

Eine Quartiersgarage in Wiesbaden.
Mitte 2024 als „innovativer Mobilitätshub“ eröffnet, gilt die Quartiersgarage in Wiesbaden inzwischen als Vorzeigeprojekt. © privat

Vorzeigeanlage in Wiesbaden

Die Gesamtkosten (inklusive Ladesäulen) für die Vorzeigeanlage betrugen 23,7 Millionen Euro. Zwölf Millionen Euro flossen als Zuschuss von Land und Bund. Die Dortmunder Verwaltung hingegen nimmt den Mobilitätshub in Wiesbaden eher als warnendes Beispiel: In ihrer Antwort an die Ratsvertreter rechnet sie vor, dass die Anlage trotz Vollvermietung jährlich rote Zahlen in Höhe von 188.000 Euro (Betriebskosten) produziere. Lege man allein die Betriebskosten um, werde jeder einzelne Mieter im Parkhaus jährlich mit fast 440 Euro subventioniert.

Eine exakte Zahl, wie hoch das Defizit ausfällt, möchte Birk auf Nachfrage in Wiesbaden nicht nennen. Er sagt aber: „Nach unserer Einschätzung sind 188.000 Euro etwas zu hoch gegriffen. Zudem sind wir überzeugt, absehbar auf eine schwarze Null zu kommen, weil wir Sparpotenzial sehen.“ Beispielsweise bei den Sicherheitsdiensten. Die seien an eine Fremdfirma vergeben, sollen aber künftig von Mitarbeitern der kommunalen WiBau übernommen werden. „Das ist preiswerter für uns“, sagt Birk. Und das Thema Subventionierung des Kfz-Verkehrs? Dazu sagt der Verwaltungssprecher: „Auf der anderen Seite muss man ja auch sehen, dass der öffentliche Raum neu aufgeteilt wird und somit auch anderen Nutzungen bzw. der Allgemeinheit zugute kommen kann.“

Über eine so hohe Auslastung wie in Wiesbaden würde sich Simon Kinz freuen. Er ist Geschäftsführer des mehrheitlich kommunalen Dortmunder Parkhaus-Betreibers Dopark. Das Unternehmen hatte zwischenzeitlich die früherere Telekom-Tiefgarage im Wohngebiet an der Landgrafenstraße betrieben. „Von 189 vermietbaren Stellplätzen waren gerade zwei Drittel ausgelastet“, konstatiert Dopark-Chef Kinz. „Und das bei einem Tarif von 75 Euro pro Monat.“

Wie hoch steigen die Gebühren?

Ein möglicher Grund dafür: Die Tiefgarage liegt am Rande einer von aktuell zwölf Dortmunder „Bewohnerparkzonen“. Wer dort die grüne Anwohner-Parklizenz hinter der Windschutzscheibe auslegt, zahlt 30,70 Euro fürs Parken im öffentlichen Raum – im Jahr. Nur: Eine Parkplatzgarantie hat er damit nicht.

Etliche Städte haben die Gebühren für die Anwohnerparkausweise inzwischen deutlich verteuert. In Essen werden 75 Euro/Jahr fällig. In Bochum sollen es künftig 90 Euro statt 22 Euro sein, Mülheim hat von 30 Euro auf 150 Euro erhöht. Manche halten selbst diese Tarife für zu niedrig: Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe etwa, plädiert für eine Gebührenhöhe von mindestens 360 Euro/Jahr. Andere Experten fordern sogar noch weit höhere Gebühren.

Auch Dortmund will die Preise für die Anwohnerparkzonen anheben, eigentlich schon seit 2024. Einen Betrag nennt die Verwaltung trotz erneuter Anfrage noch immer nicht. Kein Wunder: Das Thema ist für viele Bürger hochemotional aufgeladen. Vor der Kommunalwahl im September 2025 wird wohl nichts passieren: „Aufgrund anderer Prioritäten und einer umfangreichen rechtlichen Prüfung“ werde es „voraussichtlich erst Anfang 2026 einen Vorschlag geben“, meldet die Verwaltung.

Thomas Eltner
Parkhaus-Befüworter Thomas Eltner schwebt vor, die Tarife fürs Anwohnerparken langfristig und in Etappen deutlich zu erhöhen. © RN

Dass die Anwohner-Ausweise teurer werden müssten, steht für Parkhaus-Befürworter Thomas Eltner (Grüne) fest. Dabei schwebt ihm tatsächlich ein langfristiger, stufenweiser Anstieg von aktuell 30,70 Euro pro Jahr auf „rund 70 Euro pro Monat“ vor – das wären umgerechnet stattliche 840 Euro pro Jahr. Vor dem Bau eines Anwohner-Parkhauses müssten alle geplanten Anwohnerparkzonen in den Innenstadt-Quartieren fertig ausgewiesen sein und konsequent kontrolliert werden, sagt Eltner. „Das sind die Voraussetzungen, damit ein Quartiersparkhaus funktionieren kann“, meint er.

„Dürfen keinen Gewinn machen“

Über konkrete Tarife fürs Anwohnerparken möchte sich CDU-Fraktionsvize Uwe Waßmann aktuell nicht auslassen. Er weist aber daraufhin, die „Einkommensstruktur der Dortmunder Haushalte im Blick zu behalten.“ Erst einmal gehe es darum, eine zweite Initiative zu starten und der Verwaltung einen „verschärften Auftrag zur Prüfung eines Anwohner-Parkhauses “ vorzulegen. Dafür könnten neben den Außenbezirken wie eben Scharnhorst und Hombruch auch Wohngebiete in den Innenstadtlagen in Betracht kommen, sagt Waßmann.

Ähnlich äußert sich SPD-Pendant Olaf Schlienkamp. Sollte ein Parkhaus in den Außenbezirken nicht infrage kommen, könne er sich dort alternativ „Quartiersgaragen bzw. die Erweiterung von Garagenhöfen“ vorstellen. „Wir werden das zwischen den Fraktionen beraten und der Verwaltung vor der Sommerpause ein Papier vorlegen“, so Schlienkamp.

Würden die Politiker im Rat die Stadt oder eine städtische Tochter tatsächlich mit der Planung und dem Bau eines Anwohnerparkhauses beauftragen, „wäre das grundsätzlich möglich“, heißt es bei der Stadt. Knackpunkte seien neben dem Flächenbedarf die Investitions- und die Betriebskosten für ein solches Projekt. In Wiesbaden jedenfalls ist man zufrieden, wenn das kommunale Anwohner-Parkhaus die berühmte „schwarze Null“ schreibt. Eine großartige Rendite erwartet man ohnehin nicht. „Wir dürfen damit gar keine Gewinne machen“, sagt der dortige Verwaltungssprecher Birk. „Das war eine Vorgabe aus der Förderkulisse.“