Anwalt Maximilian Stahm über Sitzblockade Darf ich Aktivisten von der Straße ziehen?

Sitzblockade als Nötigung: Anwalt Stahm schätzt die Rechtslage ein
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Zahlreiche Autos standen am Mittwochmorgen (22.2.) auf der Ruhrallee im Stau, weil fünf Aktivisten der Klimaschutz-Gruppe „Letzte Generation“ die Straße blockiert haben. Nach wenigen Minuten hat die Polizei sie von der Fahrbahn getragen, nun folgen Anzeigen wegen Nötigung.

In anderen Städten ist das Festkleben nicht mehr ganz so neu, demzufolge gebe es bereits eine klare Rechtsprechung zu solchen Fällen, sagt der Dortmunder Rechtsanwalt Dr. Maximilian Stahm. Der Experte für Verkehrsrecht erklärt, es handele sich um sogenannte Zweite-Reihe-Rechtsprechung.

„Das Hinsetzen allein reicht nicht für eine Nötigung“, sagt Stahm. Denn im Gesetz steht, dass man dafür „Gewalt oder Drohung“ anwenden müsse. Aber: „Mit meinem Auto bin ich der Stärkere“, so der Anwalt. Als schwacher sitzender Fußgänger könne man gar nicht so eine starke Drohung darstellen.

Was den Fall jedoch zur Nötigung mache, sei eben die zweite Reihe. Mit der Sitzblockade mache man das erste Auto, das vor einem halten muss, zum „Nötigungswerkzeug“ gegenüber allen Wagen dahinter, so der Jurist.

Polizeikräfte haben Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ von der Ruhrallee getragen.
Polizeikräfte haben Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ von der Ruhrallee getragen. © picture alliance/dpa

Wer zum ersten Mal so negativ auffällt und keine Vorstrafen hat, muss in der Regel eine Geldstrafe zahlen. In München sind Ende Januar drei Demonstrierende zu je 450 Euro verurteilt worden. In einem Berliner Fall sind beispielsweise 600 Euro verhängt worden.

Doch inwiefern darf man sich gegen Nötigung zur Wehr setzen? „Jemanden sachte aber nachdrücklich zur Seite zu schieben, ist kein Straftatbestand“, sagt Maximilian Stahm. Es dürfe aber nicht zu einer Körperverletzung kommen - und wenn jemand mit der Hand fest an den Boden geklebt ist, können falsche Bewegungen durchaus Verletzungen hervorrufen.

Freiheitsberaubung möglich

Weiterhin strafrechtlich relevant: Selbst wenn jemand Aktivisten legal von der Straße schiebt, darf man sie nicht lange festhalten. „Die Dauer eines ‚Vater unsers‘ kann Freiheitsberaubung sein“, so der Anwalt. Wer jemanden so lange festhält wie es dauert, dieses bekannte Gebet auszusprechen, könne Probleme bekommen. Und wenn man schnell spricht, sind das weniger als 15 Sekunden.

Also rät Maximilian Stahm: „Ich wäre da vorsichtig.“ Deutlich besser sei es, die Polizei zu alarmieren und sie die Räumung der Straße übernehmen zu lassen. Aber vielleicht hilft in dringenden Situationen ja auch ein freundliches Gespräch mit der Frage, ob die Aktivisten einen mit vernünftiger Begründung die Blockade passieren lassen.

Rechtsanwalt Dr. Maximilian Stahm ist spezialisiert auf Arbeitsrecht, Vertrags-, Sport- und Verkehrsunfallrecht. Außerdem ist er als Dozent an der International School of Management tätig. Als RN-Experte beurteilt und kommentiert er für uns aktuelle Rechtsfragen.

Dr. Maximilian Stahm: Fachanwalt für Arbeitsrecht und spezialisiert auf Verkehrsrecht

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