
© Felix Guth
Anke Weber: Die wütende Grüne aus Dortmund mit dem entspannenden Hobby
Bundestagswahl 2021
Prof. Dr. Anke Weber tritt im Wahlkreis Dortmund II für Bündnis 90/Die Grünen an. Auf einem Spaziergang im Wald spricht sie, über das, was sie antreibt. Einmal wird sie in der Idylle wütend.
Wenige Wochen vor der Wahl ist Anke Weber dort, wo der Trubel dieser Tage weit weg scheint: in der Natur. Im Niederhofener Wald im Dortmunder Süden ist Zeit für eine „kurze Runde“. Wandern ist ihr Hobby. Knapp 5000 Schritte wird diese am Ende lang sein.
Anke Weber ist 39, war sie in der Schweiz, USA, Italien, Luxemburg sowie Guinea, Ruanda, Tansania und Kenia und hat nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre eine akademische Karriere gemacht.
Wahlkampf in der vorlesungsfreien Zeit
2016 kehrte sie für eine Stelle als Professorin an der Hochschule Lippstadt-Hamm nach Deutschland zurück. Dort ist sie Studiengangsleiterin für „Intercultural Business Psychology“ und erstellt unter anderem „vergleichende empirische Studien zu den Auswirkungen von ethnischer und kultureller Vielfalt auf Politik, Bildung und Wirtschaft“.
Im Moment ist vorlesungsfreie Zeit. Also macht sie Wahlkampf. Zum ersten Mal bewirbt sie sich um ein Bundestagsmandat für die Grünen.
„Das ist für mich die Möglichkeit, für die Themen einzutreten, die mir wichtig sind.“ Die Grünen stellen erstmals zwei Personen zur Bundestagswahl auf, weil die Möglichkeit besteht, dass die Stimmenanteile für mehr als einen Dortmunder Platz im Parlament ausreichen.
Anke Weber sitzt deshalb gerade nicht über Lehrmaterial, sondern steht am Wahlkampfstand und geht mit Bürgerinnen und Bürger auf eine Fahrradtour. Zwischendurch trifft sie Vertreterinnen und Vertreter des Handwerks oder spricht mit dem CEO von Wilo.
In lockerem Gesprächston spricht Anke Weber ernste Themen an
Kontrastreich und manchmal anstrengend sei das. Aber die lockere Art, in der Weber während des Spaziergangs über die ernsten politischen Themen dieser Tage spricht, zeigt: Das alles macht ihr Freude.
Sie beginnt viele Sätze mit einem Lachen, erklärt, warum sie Klimaschutz, Verkehrswende und Bildung für zentrale Aufgaben hält.
„Der Klimawandel war bisher für die meisten Menschen sehr wenig erlebbar“, sagt sie beim Gang unter dem dichten Buchen-Dach im Niederhofener Wald. Die Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz habe das noch einmal verändert, das sei in Gesprächen auf der Straße zu spüren.
Auf den ersten 400 Metern geht es bergauf. Anke Weber ist eindeutig besser im Training als ihr Wander-Begleiter an diesem Tag. Mit Partner und Kind macht sie sich an Wochenenden regelmäßig zu Tages-Wandertouren im Dortmunder Umland auf. Wenn die Familie verreist, dann am liebsten in die Berge.
Gegenwind für grüne Ideen - das ist auch belastend
Die Kuppe des Hügels ist erreicht. Die Strecke schlägt Kurven, die den Umfrageergebnisse der Grünen gleichen. Sie könnten dennoch Teil der neuen Regierung werden. Anke Weber spürt gerade auch den Gegenwind, den das auslöst.
Negativ-Kampagnen wie die „Grüner Mist“-Plakate deutet sie zum einen als Zeichen, dass die Ideen ihrer Partei ernst genommen und von bestimmten Gruppen als Gefahr gesehen würden. „Aber es ist auch einfach anstrengend“, sagt sie und verzieht das Gesicht. Zu absurd seien die Zusammenhänge, die hergestellt würden. Dennoch merke sie in Gesprächen mit Menschen im Wahlkampf, dass häufig ein Teil davon hängenbleibe.
Der Wanderweg ist leicht abschüssig, als der emotionalste Teil des Nachmittags beginnt. Weber spricht über das, was sie bewogen hat, sich als Kandidatin aufstellen zu lassen.
Worüber sich Anke Weber richtig aufregen kann
„Die Art und Weise, wie in der Corona-Krise mit Kindern und Jugendlichen umgangen worden ist, hat mich sehr berührt und wütend gemacht“, sagt sie.
In Schulen werde seit eineinhalb Jahren zugesehen - und offenbar gehofft, dass sich Probleme von allein lösen. „Verantwortung wird von der einen Seite zur anderen geschoben.“
Sie sagt das als Politikerin, die sich für eine Kinder-Grundsicherung und einen Wandel in der Bildungspolitik einsetzt. Aber auch als Mutter einer damals eineinhalbjährigen Tochter, die wie viele andere im April 2020 vor geschlossenen Spielplätzen stand. Bis heute fehlten viele Strukturen, die es vor Corona gab.
Der Wald lichtet sich, hinter einem Feld ist der Niederhofer Kohlenweg zu sehen. Die Emotion ist etwas abgekühlt. Schließlich hat Anke Weber die Chance selbst etwas daran zu ändern. Wenn es auch eine unsichere Chance ist in einem Wahlkreis mit Sabine Poschmann (SPD), einer etablierten Bundestagsabgeordneten mit stabilem Rückhalt in Dortmund.
„Aber wenn wir noch ein bisschen zulegen, sieht es gar nicht so schlecht aus“, macht sich Anke Weber Mut.
Gegen die grünen Klischees
Umweltbewusst, sozial eingestellt, akademisch geprägt – Anke Weber entspricht in vielem dem Bild, das grünen Politikerinnen oft zugeschrieben wird. Bei Instagram beschreibt sie sich selbst als „Feministin, Europäerin und Mutter“.
Aber sie hebt sich auch von den Klischees ab:
Sie sei „Flexitarierin“, ernähre sich also häufig vegan, isst aber auch Fleisch. Sie fährt viel Rad, sieht sich aber nicht als dogmatische Radfahrerin. „Man kann Menschen nicht dafür verurteilen, ob sie ein umweltfreundliches Verkehrsmittel nutzen. Man muss die Bedingungen schaffen und ihnen die Entscheidung geben.“
Anke Weber hat viele unterschiedliche Orte auf der Welt kennengelernt. Dortmund ist ihr Zuhause geworden.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
