
© Oliver Schaper
Angriff bei Antifa-Demo in Dortmund: Plötzlich wurde es hektisch
Polizei-Großeinsatz
Zum Jahrestag des Verbots der Neonazi-Organisation NWDO sind rund 350 Personen zu einer Demonstration durch Dortmund gezogen. Gleich aus mehreren Gründen gab es Ärger.
Fast eine Stunde lang waren sie gemütlich unterwegs, da wurde es plötzlich hektisch. Rund 350 Personen sind am Sonntag, begleitet von hunderten Polizisten, durch Dortmund gezogen, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Vom Startpunkt am U-Turm aus verlief der Spaziergang durchs Unionviertel zunächst sehr entspannt.
Über den Königswall und die Lange Straße ist der Tross durch Wohnsiedlungen gezogen, um an das Verbot der Neonazi-Organisation „Nationaler Widerstand Dortmund“ (NWDO) vor genau neun Jahren zu erinnern. Von der Heinrichstraße ist der Demo-Zug auf die Rheinische Straße abgebogen.
Am alten Versorgungsamt vorbei schlenderten die Antifaschisten Parolen rufend auf die Emscher zu, als es plötzlich zweimal laut knallte als wären Böller gezündet worden. So wurde es plötzlich hektisch: Polizisten setzten ihre Helme auf und rannten über die Straße ins Gebüsch, andere hatten einiges damit zu tun, die angegriffenen Demonstranten zu beruhigen und auf der Straße zu halten.
Die Behörde teilte später mit: „Unbekannte warfen Steine in Richtung der Versammlung.“ Dabei ist offenbar niemand verletzt worden. „Im Rahmen der Fahndungsmaßnahmen konnten drei Personen aufgegriffen werden, deren Tatbeteiligung derzeit geprüft wird“, so die Polizei. Eine Strafanzeige sei gefertigt worden, die Sonderkommission Rechts ermittelt.

Dieser vermummte Mann war zu sehen, kurz nachdem offenbar Steine in Richtung der Demonstration geflogen sind. © Oliver Schaper
Von diesem Punkt an war die Stimmung spürbar angespannt. Auf der westlichen Seite der Emscher waren erstmals NPD-Wahlplakate zu sehen, sofort sind auch deutlich mehr Polizeiwagen aufgefallen. Die Demonstration hat sich ihren Weg in das Viertel gebahnt, in dem mehrere bekannte Neonazis leben.
„Dorstfeld ist nie ein Nazi-Kiez gewesen und wird es nie werden“, hat eine Rednerin übers Mikrofon gesagt. Lange war diese Bezeichnung als Graffiti auf einer Wand an der Emscherstraße zu lesen, bis sie vor zwei Jahren übermalt worden ist. Ein Wasserwerfer der Polizei war dort postiert, der aber nicht eingesetzt werden musste.
Reichsflaggen und ein „HTLR“-Banner
An der Einmündung zur Thusneldastraße, in Sichtweite eines Wohnhauses, an dem mehrere schwarz-weiß-rote Flaggen und ein Banner mit der Aufschrift „HTLR“ hingen, hat die Demonstration gestoppt. Viele erinnert die Buchstabenkombination an den Namen Hitler.
Den Organisatoren sei zugesagt worden, auf der Thusneldastraße eine Zwischenkundgebung abzuhalten, sagte ein Sprecher der Antifa-Gruppe. Doch direkt an der Einmündung haben Polizisten die Demonstranten aufgehalten. Antifaschisten und Neonazis brüllten sich über etwa 30 Meter Entfernung an und verglichen, wer die längeren Mittelfinger hat.
Die Kundgebung gab es dann auf dem nahen Wilhelmplatz. Aus einem dortigen Wohnhaus sind die Demonstranten fotografiert worden. Polizisten betraten die entsprechende Wohnung und führten eine sogenannte „Gefährderansprache“ durch.
Bereits im Vorfeld hat es Ärger bei den Organisatoren gegeben, weil Neonazis gegen die geplante Route geklagt hatten. Eigentlich sollte die Demo direkt durch die Emscherstraße an dem Haus mit den Flaggen vorbei führen. Das zuständige Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, sodass die Route geändert werden musste.
Neonazis haben die Route im Vorfeld erfahren
Dem Kläger ist der Name der Demo-Anmelderin genannt worden. Die Linken fragten sich auch, wie die Rechtsextremisten überhaupt von der Route erfahren konnten. Nur sie selbst und die Polizei habe davon gewusst, hieß es.
Wegen der schwarz-weiß-roten Reichsflaggen hat die Polizei ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Das „HTLR“-Banner sei als strafrechtlich nicht relevant bewertet worden, heißt es. Kurz nach 16 Uhr ist die Demonstration am S-Bahnhof Dorstfeld ohne Verletzte beendet worden.
Kevin Kindel, geboren 1991 in Dortmund, seit 2009 als Journalist tätig, hat in Bremen und in Schweden Journalistik und Kommunikation studiert.
