André Klimmek (59) lebt als Privatier in „Frührente“ „Nicht warten, bis ich tot umfalle“

André Klimmek schließt Küchenstudio und wird mit 58 Jahren Privatier
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Mit Ende 50 Jahren einen beruflichen Schlussstrich ziehen zu können, das ist für viele Menschen eine reizvolle Aufgabe. Der Unternehmer André Klimmek (59) aus Lütgendortmund hat es gemacht – allerdings nicht ganz freiwillig. Denn: „Ich wollte nicht warten, bis ich tot umfalle“, sagt er. Deshalb zog er im Sommer 2024 die Reißleine und schloss aus gesundheitlichen Gründen seine gut laufende Firma „Klimmek’s Küchenland.“

Der ehemalige Unternehmer André Klimmek steht in seiner Küche in Lütgendortmund.
Seine bislang letzte Küche hat André Klimmek Anfang des Jahres 2025 in seinem eigenen Haus in Lütgendortmund eingebaut. © Beate Dönnewald

Heute ist André Klimmek Privatier, das Wort Rentner will ihm nicht über die Lippen kommen. Vor allem seine Frau und gute Freunde hätten ihn lange bedrängt, in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen. „Sie hatten große Angst um mich“, sagt der 59-Jährige. Denn gerade in den letzten Jahren habe er immer mehr gesundheitliche Probleme bekommen. Die körperlichen Warnschüsse hätten ihn schließlich auch zur Einsicht gebracht.

Kaum freie Wochenenden

Früher aus dem Berufsleben auszuscheiden, sei aber nur möglich gewesen, weil er schon in jungen Jahren begonnen habe, fürs Alter vorzusorgen, betont der ehemalige Unternehmer. Zudem habe er immer hart und viel gearbeitet: Er blicke auf 44 Berufsjahre zurück, die Hälfte davon als selbstständiger Unternehmer. 60 Stunden-Wochen seien für ihn normal, freie Wochenenden eher die Ausnahme, Urlaube in den ersten Jahren gar nicht möglich gewesen.

„Als Selbstständiger gibst du immer 120 Prozent.“ Viele Jahre hätten ihm die hohe Arbeitsbelastung und die wenige Freizeit nichts ausgemacht. Denn der Verkauf und die Montage von Küchen seien seine große Leidenschaft gewesen, die er mit Herzblut und Perfektionismus ausgefüllt habe. „Auf meine Gesundheit habe ich dabei keine Rücksicht genommen. Einen Krankenschein hatte ich nie. Ich war maximal einen Tag zu Hause, um das Fieber auszukurieren.“

Keinen Monteur gefunden

Die Belastbarkeit nehme im Laufe der Jahre aber ab, sagt André Klimmek. Das müsse man sich einfach eingestehen. Das berühmte Fass zum Überlaufen gebracht habe schließlich der Fachkräftemangel: Nachdem 2022 sein Monteur weggezogen sei, habe er für ihn keinen adäquaten Ersatz mehr gefunden.

Der ehemalige Unternehmer André Klimmek sitzt am Esstisch in seinem Haus in Lütgendortmund.
André Klimmek aus Lütgendortmund gefällt sein neues Leben als Privatier. Dafür hat er 44 Jahre lang hart gearbeitet. © Beate Dönnewald

Die Folge: Er habe monatelang doppelt und dreifach arbeiten müssen. Plötzlich habe er neben seinen vielen anderen Aufgaben wieder jede Küchen-Montage selbst ausführen müssen. „Der Körper hat nur noch geschmerzt.“ Genau wie er habe auch seine Verkäuferin deutlich mehr arbeiten müssen: „Ich war ja viel weniger im Laden als sonst.“ Sie habe ihn bis zum Schluss großartig unterstützt, dafür sei er ihr bis heute dankbar.

Eigentlich wollte er sein Geschäft zum 1. Juli 2024 schließen. Geklappt habe das aber erst Ende Juli. „Denn als bekannt wurde, dass ich aufhöre, sind viele Kunden in den Laden gekommen und haben noch schnell eine Küche bestellt.“

Keine Werbung nötig

Trotz der Mehrarbeit habe er sich über diese Anerkennung natürlich gefreut. Schließlich sei es nicht einfach gewesen, sich in der Branche zu etablieren und einen guten Ruf zu erarbeiten. Die ersten zehn Jahre, als sich das Geschäft in einem Hinterhof an der Provinzialstraße befand, seien die schwersten gewesen. Mit dem Umzug in die erste Reihe an derselben Straße sei es schnell bergauf gegangen. Auf Werbung habe er schnell komplett verzichten können, so Klimmek. „Das lief alles über Mundpropaganda.“

Insgesamt blicke er auf ein erfülltes Arbeitsleben zurück. 6000 Küchen, schätzt Klimmek, habe er in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut. Aber auch unschöne Erlebnisse gab es für den Lütgendortmunder: etwa mit einem Mitarbeiter, der ihn betrogen habe, oder mit einem zahlungsunwilligen und unzufriedenen Kunden, mit dem er schließlich vor Gericht gelandet sei: „Der Gutachter war auf meiner Seite, da ist er dann ausgeflippt.“

Zuerst Metzger gelernt

Die Küchen-Branche habe er über Umwege für sich entdeckt, sagt Klimmek. „Nach der Schule habe ich meiner Mutter zuliebe zunächst eine Ausbildung als Metzger gemacht.“ Weil hier Freude und Spaß gefehlt hätten, habe er sich umorientiert und über das Arbeitsamt einen Job als Lkw-Fahrer in der Möbelbranche gefunden. Durch glückliche Fügungen führte der Weg schließlich zu einer Küchenfirma: „Man hat mein großes Talent als Monteur schnell erkannt.“ Mit Ende 30 sei schließlich der Wunsch entstanden, sich selbstständig zu machen.

Gerne hätte er einen Nachfolger für sein Lebenswerk gefunden. Doch die Suche verlief erfolglos: „Wirtschaftliches Risiko, 24/7 arbeiten, drei Jahre kein Urlaub, da laufen die doch alle schreiend weg“, sagt der 59-Jährige.

Kein Druck mehr

Bei aller Freude, die ihm der Beruf und sein Küchenstudio bereitet haben: Wehmütig sei er nicht, dass nun alles vorbei ist. Aufzuhören sei die richtige Entscheidung gewesen, sagt der zweifache Vater und dreifache Großvater. „Man kann das Rad nicht zurückdrehen.“ Gesundheitlich ginge es ihm deutlich besser, und Langeweile habe er auch keine.

Er liebe vor allem die neue Spontanität in seinem Leben, feste Strukturen brauche er nicht mehr, so André Klimmek. Er gehe ins Fitnessstudio, er höre viel Musik, er koche gerne. Alles nach Lust und Laune. Seine große Leidenschaft sei das Tauchen.

Was er aber vor allem genieße: Dass der Druck und die Verantwortung, die er gerade in den letzten 22 Jahren als Selbstständiger und Chef sieben Tage pro Woche gespürt habe, nicht mehr Bestandteil seines Lebens sind.

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