Vogelspinne Jessica musste das nicht mehr miterleben. Die „Graue Chile-Vogelspinne“ (Grammostola porteri) hat schon vor der Nachricht das Zeitliche gesegnet. „Sie war schon steinalt“, sagt Tobias Müller, Tierpfleger im Dortmunder Zoo. Jessica war einer seiner Lieblinge im Amazonashaus, dessen Bewohner Müller zusammen mit drei weiteren Tierpflegern und -pflegerinnen schwerpunktmäßig betreut.
Das 30 Jahre alte Tropenhaus schließt wegen der maroden Bausubstanz und der damit verbundenen hohen Energiekosten dauerhaft zum Jahresende. Eine Sanierung war wirtschaftlich nicht umsetzbar. Die Nachricht kam für Müller und seine Kollegen zwar nicht wirklich überraschend, aber doch sehr plötzlich. „Im ersten Moment war es ein Schock“, erinnert er sich im Gespräch mit dieser Redaktion.

„Das war eine schwere Entscheidung“, betont auch Zoodirektor Dr. Frank Brandstätter. „Als ich die Entscheidung gefällt hatte, hatte ich das ja schon hinter mir. Aber es hat hoffentlich jeder eingesehen, dass das nicht mehr rentabel war.“
„Was passiert mit den Tieren?“
Tobias Müller nickt: „Man wusste, dass das Haus als Teil des Südamerika-Reviers nicht mehr im besten Zustand ist. Allen ist klar, dass es so nicht mehr tragbar ist. Die Schließung ist die einzig vernünftige Entscheidung. Aber dass es jetzt so schnell geht...“
Nach dem ersten Schock war Müller vor allem traurig: „Ich war rund sieben Jahre in dem Haus. Der erste Gedanke war: Was passiert mit den Tieren? Und dann: Was passiert mit uns?“
Auf Müller wartet ein anderes Revier im Zoo. Was mit den einzelnen 150 Tieren aus 35 Arten wie den Großen Anakondas oder den Waldschildkröten passiert, ist noch nicht in allen Fällen ausgemacht. „Das Wichtigste ist, dass sie vernünftig untergebracht werden“, sagt Müller.
Zuchtprogramme entscheidend
Welches Tier in einen anderen Zoo umziehen muss und welches bleiben kann, entscheiden letztlich die Europäischen Erhaltungszuchtprogramme (EEP) beziehungsweise das „EAZA Ex situ“-Programm. So seien die Kaimane bereits vermittelt, berichtet der Zoodirektor.
Um die beiden Brauen-Glattstirnkaimane Paco und Ella tut es Tobias Müller besonders leid: „Das finde ich echt schade.“ Der Vogelspinnen-Fan – er selbst hält 30 Vogelspinnen in Terrarien bei sich zu Hause – hat auch eine Beziehung zu den Kaimanen aufgebaut. Vor allem Paco hat Zutrauen zu ihm. „Paco hat das allererste Mal Futter von der Zange genommen, und das von mir“, sagt der Tierpfleger nicht ganz ohne Stolz.

Man könne Krokodile trainieren wie Hunde, sagt Tobias Müller: „Sie kennen ihren Namen und kommen auf Zuruf.“ Und Zoodirektor Dr. Frank Brandstätter ergänzt: „Die sind nicht so doof, wie man glaubt.“
Neues Haus in Planung
Auch wenn das Amazonashaus jetzt dauerhaft schließt, ist diese Zoo-Attraktion nicht für immer verloren; denn innerhalb der nächsten fünf Jahre wird ein neues Amazonashaus mit geänderter Gesamtkonzeption direkt neben dem alten entstehen. Die Tierbestandsplanung will Brandstätter bereits Ende des Jahres abgeschlossen haben.
Schon jetzt ist Tobias Müller erwartungsfroh über das, was da kommt, nämlich eine größere Krokodil-Art als die bisherigen Kaimane: „Darauf freue ich mich.“ Müller spricht da auch für seine Kolleginnen und Kollegen: „Wir bauen das mit vereinter Power auf. Wir haben schon ganz viele Ideen, darunter auch Anregungen aus anderen Zoos.“
Das tröstet ihn allerdings nur schwer über den möglichen Abschied von den flinken Zwergseidenaffen und den putzigen Kaiserschnurrbarttamarinen hinweg, die sich im Amazonashaus und im angeschlossenen Außengehege tummeln.
Fütterung aus der Hand
Die Zwergseidenaffengruppe hat Tobias Müller vor einigen Jahren selbst mit aufgebaut. „Sie waren anfangs sehr scheu. Jetzt fressen sie einem die Lieblingsleckerchen aus der Hand, und zwei, drei hüpfen einem bei der Fütterung immer auf die Schulter.“

Ein Tier im Amazonashaus, das den Tierpflegern gleichermaßen wie den Besuchern ans Herz gewachsen ist, ist das freilaufende Faultier Lenta. „Eine Kollegin kennt Lenta schon seit 30 Jahren“, sagt Müller.
Zoodirektor Brandstätter lässt sich zwar noch nicht in die Karten gucken, was die Zukunft der einzelnen Tiere betrifft, aber bei Lenta macht er eine Ausnahme: „Lenta kommt in den polnischen Zoo Wroclaw.“ Die Papiere liegen dazu bereits auf Brandstätters Schreibtisch.
„Das ist ein schöner Zoo“, sagt Tierpfleger Müller, „ich war selbst letztes Jahr da. Lenta hat da ein gutes Zuhause.“
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