Man kommt sich am ehesten näher, wenn man sich persönlich trifft. So nimmt Dortmunds angestrebte Städtepartnerschaft mit der ukrainischen Großstadt Schytomyr Gestalt an, seit im Juni eine Delegation der Dortmunder Stadtverwaltung, begleitet von Journalistinnen unter anderem dieser Redaktion, Schytomyr besucht hat.
Als die beiden Städte im Februar ein vorgeschaltetes Solidaritätsabkommen abschlossen, erfolgte das noch online. Nun gibt es auch persönliche Eindrücke von der 260.000-Einwohner-Stadt, die rund 120 Kilometer westlich von der ukrainischen Hauptstadt Kiew liegt.
Und diese Eindrücke waren so vielfältig wie das zweitägige eng getaktete Besuchsprogramm. Ziel der Dortmunder war, das Leben der Menschen in Schytomyr im Krieg zu verstehen. Sie erfuhren, wie es ist, wenn nachts plötzlich Sirenen und Telefon-Apps losheulen, um vor Luftangriffen zu warnen, mit der Aufforderung, Schutzräume aufzusuchen.
Dank und Zuversicht
Einblicke gab es auch in neu errichtete Unterkünfte für geflüchtete Familien, in einen energetisch sanierten Kindergarten, in Forschungsprojekte von zwei Hochschulen, in die Wärmeversorgung der Stadt sowie in eine Tanzakademie. Dort konnten die Besucher die Lebensfreude der Tänzer zwischen vier und 24 Jahren und den Spaß an ihrem Tun spüren. Ebenso die Zuversicht, die überall beteuert wurde, und die Dankbarkeit der Stadtverwaltung und der Menschen für die Spenden aus Dortmund, darunter zwei Drehleiterfahrzeuge der Feuerwehr und drei Nutzfahrzeuge.

Greifbar wurden die Gegensätze in Schytomyr unter anderem beim Anblick einer Schule, die von einer Rakete zerstört wurde, und dem zugleich überwiegend unbeschwerten Alltag in einer grünen Stadt, die den Wiederaufbau als Chance nutzen will, so Schytomyrs Bürgermeister Serhii Sukhomlyn.
Er bekräftigte das Interesse an einer engen Zusammenarbeit seiner Stadt mit Dortmund. Er nannte Themenfelder wie die energieeffiziente Renovierung von Verwaltungsgebäuden und wirtschaftliche sowie kulturelle Kooperationen. Möglicherweise können auch das Klinikum Dortmund und das Gesundheitsamt beim Bau eines neuen zentralen Krankenhauses mit angeschlossener Reha-Station für Soldaten helfen.
Wichtiger Schritt
Die Reise nach Schytomyr werteten die Delegationsteilnehmer Martin van der Pütten und Fabian Zeuch vom Büro für Internationale Beziehungen der Stadt Dortmund als wichtigen Schritt hin zu einer Städtepartnerschaft, die perspektivisch 2025 offiziell beschlossen werden soll.
„Ein persönlicher Besuch vor Ort hilft beiden Seiten enorm, die Stadt zu verstehen und unsere Partnerschaft damit voranzutreiben“, sagt van der Pütten. Sein Kollege Fabian Zeuch ergänzt: „Unsere ersten Eindrücke, dass Schytomyr eine sehr gute Wahl für eine Partnerschaft ist, haben sich mehr als bestätigt. Neben zahlreichen Potenzialen für Kooperationen bleibt die Erkenntnis, dass Schytomyr eine interessante und tolle Stadt mit herzlichen, tapferen und unerschütterlichen Bürgerinnen und Bürgern ist.“
Doch wie geht es jetzt weiter? Man werde sich bei den kommunalen Zukunftsfragen austauschen und die Kontakte zur jeweiligen Wirtschaftsförderung und den Hochschulen ausbauen, kündigt van der Pütten an.
Jugendaustausch geplant
Darüber hinaus ist geplant, Jugendlichen aus Schytomyr noch 2023 einen mehrtägigen Aufenthalt in Dortmund zu ermöglichen. Drei konkrete Einladungen wurden von Dortmund ausgesprochen: Bürgermeister Sukhomlyn soll sobald wie möglich Dortmund besuchen und die Stadtgesellschaft kennenlernen. Außerdem möchte die Stadt Gäste aus Schytomyr bei den internationalen Tagen der Digitalen Woche (25. bis 29. September) und beim geplanten Gipfeltreffen gegen Antisemitismus (29. November bis 1. Dezember) begrüßen.
Für Dortmund ist es offiziell bislang nur eine Solidaritätspartnerschaft, Schytomyr ist schon weiter und spricht bereits von der Städtepartnerschaft.
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