Wer zu Elektro- und Indie-Musik tanzen wollte, den führte Ende der 2000er-Jahre der Weg ins Brückcenter. Dort war der Club Le Grand zu Hause. Betreiber Ali Sabbagh probierte hier viel aus.

Dortmund

, 06.10.2018, 04:34 Uhr / Lesedauer: 5 min

Für Ali Sabbagh ist das Le Grand etwas Großes. Das hat sich bis heute nicht geändert. Für ihn war der Club mit dem stolzen Namen ein Heimathafen in einer Stadt, die etwas auf sich hält. So wie andere Städte ein Grand Hotel haben, so hatte Dortmund eben einen Grand Club, sagt er. Es war ein Ort, an dem er sich seiner Liebe zur Musik hingeben konnte. Und so wie er das konnte, so sollten es auch seine Gäste tun können: „Das war mir immer sehr wichtig.“

Bevor Ali Sabbagh seinen Heimathafen im Dortmunder Nachtleben fand, hatte er zunächst hier und da nach dem richtigen Rezept gesucht.

Die ersten Bekanntschaften mit dem Nachtleben

Ali Sabbagh war elf Jahre alt, als er nach Dortmund kam. Seine Familie stammt aus dem Libanon. Sie musste fliehen, damals 1989, vor dem Krieg in der Heimat. In Dortmund, der neuen Heimat, entdeckte Ali Sabbagh seine Liebe zur Musik. Mit 17 oder 18 legte er das erste Mal auf. Hip-Hop und R’n’B. Das war damals die Musik, die ihn am meisten beeinflusste.

Und so ergab es sich recht schnell, dass er erste eigene Veranstaltungen organisierte und rund um die Jahrtausendwende seinen ersten Club betrieb: das Space Jam am Schwanenwall (dort, wo später die Suite 023 zu Hause war). Das Space Jam hatte es davor schon ein paar Monate gegeben, Ali Sabbagh übernahm es, spielte dort erst vor allem Black Music, später elektronische Musik, weil die ihn schon immer fasziniert hatte. Das Space Jam hielt sich aber nur ein Jahr, danach zog es Ali Sabbagh weiter – an die Kleppingstraße.

Wie ein Käsewagen in Holland bei der Namenswahl half

Dort hatte er die Möglichkeit, bei einem anderen Club mitzuwirken: dem Clubbing 69. Ein House- und Elektroclub mit einer „einmaligen After-Hour“, sagt Sabbagh, und edlem Marmorboden. Doch weil es Probleme mit dem Vermieter gegeben habe, war auch das Clubbing 69 nach kurzer Zeit schon wieder Geschichte. Und Ali Sabbagh widmete sich der Musik von einer anderen Seite. In der Ludwigstraße betrieb er gemeinsam mit einem Freund einen Plattenladen, City Disk. Und unter dem Label Trust Your Tribe veröffentlichte er selbst Platten.

2006 aber ergab sich für ihn die Möglichkeit, die ehemaligen Clubbing-69-Räume an der Kleppingstraße wieder zu mieten, einen neuen Club aufzumachen. Dieses Mal habe er sich viel Zeit genommen, um ein Konzept auszuarbeiten, sagt er. „Ich wollte anders auftreten und verschiedene Musik-Einflüsse unter ein Dach bringen.“

Nach drei Monaten eröffnete das Le Grand. Eigentlich hatte es The Grand heißen sollen. Aber dann habe er zufällig in Holland auf einem Käsewagen den französischen Begriff gelesen. „Und es klang einfach besser“, sagt Ali Sabbagh.

Im Le Grand wurde zu verschiedenen Musikstilen gefeiert - von Hip-Hop bis Indie.

Im Le Grand wurde zu verschiedenen Musikstilen gefeiert - von Hip-Hop bis Indie. © Le Grand

Das Le Grand wurde zu einem Ort für viele Musikrichtungen. Dienstags gab es Jazz, mittwochs Reggae, donnerstags Salsa – und vorher einen Tanzkurs. Am Wochenende dominierte die elektronische Musik in all ihren Facetten. „Es ist ein Rock’n’Roll-Club (im weiteren Sinne), aber eben kein abgerockter“, schrieben die Ruhr Nachrichten 2007.

Doch wieder sei es schwierig geworden mit dem Vermieter, deshalb habe er sich nach einem neuen Ort für seinen Club umgesehen, sagt Sabbagh. Im Brückcenter an der Brückstraße wurde er fündig. Im Obergeschoss stand der Laden leer, in dem einst das Oma Rock gewesen war, danach ein griechischer Club. Ali Sabbagh renovierte den Laden, gab ihm ein neues Design, „einen eigenen Charakter“, sagt er. Im August 2007 eröffnete das Le Grand im Brückcenter. Und blieb lange.

Ali Sabbagh (r.) führte seinen Club mit „Liebe zur Musik“. Hier stößt er mit DJ Mr. Oizo (Mitte) auf eine gelungene Party an.

Ali Sabbagh (r.) führte seinen Club mit „Liebe zur Musik“. Hier stößt er mit DJ Mr. Oizo (Mitte) auf eine gelungene Party an. © Le Grand

Ali Sabbagh probierte viel aus, testete viele Partys und Musikrichtungen. Nicht alles funktionierte, nicht alles war wirtschaftlich. „Aber wir haben immer alles mit Liebe gemacht“, sagt er. So bekam zum Beispiel die Indie-Musik, vor allem die elektronische Indie-Musik, lange Zeit ein Zuhause im Le Grand. „Das war damals eine echte Nische“, sagt DJ Stefan Moerken. „Es war immer voll und immer gut.“

Moerken war damals häufiger im Le Grand feiern bei der Indie-Party, die sein Freund Fabian Saavedra-Lara veranstaltete. Später legte er dann mit ihm gemeinsam bei ein paar Partys im Le Grand auf. „Das war quasi der Start meines DJ-Daseins“, sagt der Dortmunder. Das Le Grand sei zwar immer ein schicker Club gewesen, aber trotzdem offen für Nischen wie die Indie-Szene.

Als Mr. Oizo da war, drehten die Partygäste richtig auf.

Als Mr. Oizo da war, drehten die Partygäste richtig auf. © Le Grand

2009, sagt Ali Sabbagh, sei für ihn der Höhepunkt gewesen. Vor allem ein Abend Ende Mai: Da hatte er es geschafft, den französischen DJ Mr. Oizo ins Le Grand einzuladen. Mr. Oizo hatte 1999 mit dem Lied „Flat Beat“ einen Welthit, mindestens genauso berühmt wie das Lied wurde das gelbe Plüschtier aus dem Video zum Song – Flat Eric, die Puppe, die so halsbrecherisch mit dem Kopf nicken konnte und so grazil Wurstgitarre rauchte.

Mr. Oizo, Produzent beim französischen Elektro-Label Ed Banger, jedenfalls reiste nach Dortmund – und brachte das Brückstraßenviertel an diesem Abend im Mai zum Beben. Mit 400 Leuten war das Le Grand voll. „Aber da warteten noch 1000 Leute in der Schlange und kamen nicht rein“, sagt Ali Sabbagh. „Es hat nie von der Decke getropft, aber an diesem Tag schon.“

Wartende Gäste im Brückcenter: Sie alle wollten dabei sein, als Mr. Oizo auflegte.

Wartende Gäste im Brückcenter: Sie alle wollten dabei sein, als Mr. Oizo auflegte. © Le Grand

An diesen Abend, diese Nacht kann sich auch Stefan Moerken noch sehr gut erinnern. „Das war eine ziemlich krasse Party“, sagt er. „Es war rappelvoll.“ Es hatte sich damals ergeben, dass er Mr. Oizo fuhr, ihn vom Flughafen abholte, zum Hotel brachte, dann zum Le Grand. Und später sollte er ihn auch wieder zurückbringen.

„Wir saßen nach dem Gig schon im Auto, da fragte Oizo, wie lange die Party denn noch gehen würde“, erzählt Moerken. Als er und Fabian Saavedra-Lara ihm sagten, dass es noch ein bisschen länger gehen würde, fuhren sie wieder zurück und feierten weiter. „Irgendwann ist Oizo dann einfach mit dem Taxi ins Hotel gefahren“, sagt Moerken. Das sei wirklich ein prägender Auftritt gewesen.

Über die Jahre kamen weitere DJs aus dem Hause Ed Banger und auch Bands wie die Midnight Juggernauts aus Australien, um im Le Grand angesagte Indietronics zu spielen.

Jazz-Konzerte gab‘s im Le Grand auch immer mal wieder.

Jazz-Konzerte gab‘s im Le Grand auch immer mal wieder. © Le Grand

Später war es wieder die Black Music, die im Le Grand eine wichtige Rolle spielte. Eine der erfolgreichsten Partys des Clubs wurde die mit dem Namen „Wobbilzm“. Sie brachten den Dubstep in den Club. Über die Jahre gab’s im Le Grand auch Queer-Partys, Jazz-Konzerte und Rap-Nächte.

Ein paar Jahre lang machte sich das Le Grand auch mit seiner After Hour einen Namen – nicht immer nur einen positiven. Wenn die anderen Clubs längst geschlossen hatten, wurde im Le Grand weitergefeiert, oft bis zum nächsten Mittag.

Hören Sie in den Soundtrack des Le Grand hinein

Stillstand war nichts für Ali Sabbagh. Er wollte immer Veränderung, Neues probieren. „Innovation war mir immer wichtig“, sagt er. Einmal im Jahr habe er den Club deshalb renoviert, ihm neue Deko verpasst. Mal dominierte Schwarz, mal waren es Pastelltöne. „Es war immer postmodern“, sagt er. Dafür habe er mit Designern zusammengearbeitet.

So sah das Le Grand zwischenzeitlich aus. Ali Sabbagh hat das Design regelmäßig verändert.

So sah das Le Grand zwischenzeitlich aus. Ali Sabbagh hat das Design regelmäßig verändert. © Le Grand

2009 erweiterte er die Disko gemeinsam mit seinem Bruder Mouhamed Sabbagh um ein Café. Im „Le Grand Café“ konnten die Gäste tagsüber verweilen, bevor es abends zum Feiern ging. „Das war eine tolle Ergänzung“, sagt Stefan Moerken.

Es war im Jahr 2013, als sich für Ali Sabbagh plötzlich andere berufliche Möglichkeiten ergaben, die er gerne ergreifen wollte. Die Energie, parallel auch noch einen Club zu führen, fehlte ihm. Zudem hatte es immer wieder Ärger mit dem Ordnungsamt im Le Grand gegeben. Es sei Zeit gewesen, sich vom Le Grand als Club zu verabschieden. Ende 2013 schloss Ali Sabbagh die Disko.

Das DJ-Pult im Le Grand

Das DJ-Pult im Le Grand © Le Grand

Auf das Le Grand folgte im Brückcenter Ende 2013 der Y-Club. Die Betreiber aus Schwelm setzten auf House und Techno. Nur wenige Monate später war ihr Konzept aber schon wieder Geschichte – wegen interner Probleme. Nachfolger wurde der Techno-Club Twenty Fourteen, der sich aber auch nur ein Jahr hielt.

Ali Sabbagh, mittlerweile 40 Jahre alt, hat dem Nachtleben seit der Le-Grand-Schließung den Rücken gekehrt. Manchmal, sagt er, da juckt es ihn aber doch in den Fingern, wieder mal eine Party zu machen. „Ich habe diese Zeit damals sehr genossen“, sagt er. Und so ganz ausschließen, dass er nochmal zurückkommt, will er nicht.

Die Serie „Legenden des Dortmunder Nachtlebens“: Dortmunds Nachtszene hat in den vergangenen Jahrzehnten etliche Diskos kommen und gehen gesehen. In dieser Serie stellen wir immer samstags einen legendären Laden vor, der seine Gäste besonders geprägt hat.