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„Starke Werte – neue Wege“: Albert-Schweitzer-Realschule wird 100 Jahre alt (mit Video)
Jubiläum
Die Albert-Schweitzer-Realschule wird 100. Ihr berühmter Namensgeber steht für gegenseitige Achtung, Ehrfurcht und Menschlichkeit. Wie gehen die Schülerinnen und Schüler mit diesem „Erbe“ um?
Die großen schwarzen Buchstaben am Oberlicht der Eingangstür sind unübersehbar. „Ehrfurcht vor dem Leben“, steht dort. Es ist ein Satz von Albert Schweitzer, dem berühmten Mediziner, Philosophen und Theologen – und Namensgeber der Realschule in Nette. Sie feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen: mit einem Festakt am Freitag (6.3.), einer Fotoausstellung im Mai und einem Schulfest im September.
„Ehrfurcht vor dem Leben“. Die täglich mehrfache Erinnerung über dem Eingang klingt wie ein Menetekel – in einer Zeit, in der sprachliche Verrohung in sozialen Netzwerken alltäglich ist, in der Respekt manchmal wie ein unbekanntes Fremdwort klingt, in der Rassismus den gesellschaftlichen Zusammenhalt vor eine Zerreißprobe stellt.
Welche Bedeutung hat das Wort von der Erfurcht?
Am 8. Oktober 1959 besuchte Albert Schweitzer die damals noch in Mengede ansässige Realschule. Das ist knapp 61 Jahre her. Hat sein Wort von der Ehrfurcht heute noch eine Bedeutung? Und: Wer war überhaupt Albert Schweitzer?
Paraskevi, Semra, Thea und Kilian sitzen in der Schülerbibliothek. „Test bestanden“, könnte man sagen – logisch in diesen Jubiläumstagen. Aber spielt der runde Geburtstag im Leben der Schüler überhaupt eine Rolle?
Semra wird den Festakt auf der Bühne co-moderieren. „Das ist schon aufregend“, sagt sie, „wenn man sieht, was die Schule bedeutet“. Die Zehntklässlerin verlässt im Sommer die ASR und will an einer Gesamtschule ihr Abi machen.
Paraskevi versorgt mit einigen Mitschülern beim anschließenden Jubiläums-Empfang die Gäste mit Fingerfood und Getränken. „Für uns ist das Jubiläum nichts Besonderes“, sagt die Neuntklässlerin. „Aber es kommen wichtige Leute.“ Für Thea und Kilian ist es „ganz normal“. Fast ganz normal zumindest: Denn die Siebtklässler haben am Freitag schulfrei.
Realschule spiegelt die Gesellschaft im Stadtteil wider
Viele Worte werden beim Festakt aus den Lautsprechern schallen: wohlformulierte Glückwünsche, Erinnerungen an Meilensteine in der Geschichte, politische Statements von Bildungsoffenheit und Chancengleichheit. Keine Frage: Das war der Wille schon bei der Gründung der Mittelschule. Mitte der 1920er-Jahre waren ein Fünftel der Schüler Bergarbeiterkinder.
Auch heute spiegelt die ASR die Gesellschaft im Stadtteil wider. Semras Familie hat albanische Wurzeln, Paraskevis griechische und Kilians deutsche. Thea stammt aus einer alteingesessenen Netter Familie. Wofür aber steht die Schule, deren Schulbänke sie sprichwörtlich sechs Jahre drücken?
Es ist ein weiteres Schild, an der Wand hinter der Eingangstür, das für diesen zeitgemäßen täglichen Auftrag steht: „Schule ohne Rassimus – Schule mit Courage“. Seit 2018 trägt die Albert-Schweitzer-Realschule diese Selbstverpflichtung – unterschrieben von Schülern, Eltern und Lehrern.
Und die Vier in der Schülerbibliothek lassen überhaupt keinen Zweifel, wie wichtig ihnen dieses Siegel ist. „Natürlich tanzt mal ein Kind aus der Reihe“, sagt Paraskevi. „Aber das Ganze funktioniert.“ Kilian findet die Schule sehr bunt. „Die vielen Kulturen geben ihr eine besondere Art.“ Und Thea sagt: „Wir lernen dadurch mehr.“
Schulleiterin Christel Stegemann ist während des Gesprächs in ihrem Büro. Sie wirft vor dem Festakt einen letzten Blick in die Gründungschronik. Vieles von dem, was früher für eine Mittlere Schulbildung stand, gelte auch heute, sagt sie.

Schulleiterin Cheistel Stegemann schaut vor dem Festakt ein letztes Mal in die Gründungschronik der Albert-Schweitzer-Realschule. © Uwe von Schirp
„Der Wunsch vieler Eltern ist es immer noch, ihren Kindern eine starke schulische und berufsvorbereitende Bildung zu ermöglichen.“ Seit zehn Jahren ist sie Chefin und stellt sich mit dem Kollegium dieser Herausforderung. Der Bildungspass im Mengeder Schulnetzwerk und das Berufswahlsiegel sind nur zwei Beispiele dafür. Alls das findet sich auch im Motto des Jubiläums: „Starke Werte – neue Wege“.
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
