AfD laut Studie stärkste Partei bei jungen Leuten Wie Matthias Helferich bei TikTok punktet - Experten ordnen ein

AfD laut Studie stärkste Partei bei jungen Leuten - auch dank Tiktok: Experten ordnen ein
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Am Ende kommt der Elektro-Beat. Rund 20 Sekunden hat Matthias Helferich da schon gesprochen. Er steht am Rednerpult des Bundestages, das Video bildet einen Kreis in der Mitte des Smartphone-Bildschirms. Drumherum: ein Rahmen.

Rechts oben prangt Helferichs privates Logo. Um sein Video steht im Halbkreis der Slogan: „Team #Remigration“. Als dann der Beat einsetzt, legt sich winzig kurz ein Video-Filter über Helferich. Sein zentraler Satz wird wiederholt, wie ein Remix. Am Ende des knapp 30-sekündigen TikTok-Videos dann eine Einblendung, weiter mit Beat und Video-Effekt: Komm ins Team, sei dabei!

Jugendliche haben viele Sorgen

22 Prozent der 14- bis 29-Jährigen würden die AfD wählen, so viel schaffe keine andere Partei. Das ist das Ergebnis der Studie „Jugend in Deutschland“, die Sozial- und Bildungsforscher Klaus Hurrelmann vor wenigen Tagen vorstellte. Vor vier Jahren noch habe die AfD bei 9 Prozent gelegen.

Doch Jugendliche und junge Erwachsene hätten viele Sorgen, so Hurrelmann und seine Forschungskollegen: vor Inflation, teurem Wohnraum, Altersarmut und der Spaltung der Gesellschaft, aber auch vor der Zunahme von Flüchtlingsströmen. Genau da dockt Helferich an.

Helferich ohne das AfD-Blau

Dass Helferich zur blauen Partei gehört - auf seinem TikTok-Account fällt es auf den ersten Blick gar nicht auf. Der Dortmunder wurde zwar für die AfD in den Bundestag gewählt, ist dort aber aufgrund inhaltlicher Differenzen nicht Teil der Fraktion, kann sich also auch in den Social-Media-Auftritten wahrheitsgemäß als „fraktionslos“ bezeichnen - was im Subtext ja immer auch mitschwingen lässt: „unabhängig“.

Helferichs Strategie deckt sich zeitlich mit jener der AfD. Die habe sich schon relativ früh auf die Social-Media-Plattformen begeben, auf der sie die Jugend vermutet und dann auch gefunden habe, erklärten die Forscher der Studie „Jugend in Deutschland“. Das sei nicht nur ernst, sondern auch unterhaltend geschehen.

Kurz, zugespitzt, mit Slogans

„Erfolgreiche Kommunikation ist gut verständlich und einfach zugänglich“, erläutert Bernd Weber, Kommunikationsforscher aus Dortmund: Idealerweise beziehe sich Kommunikation zudem „auf konkrete Themen oder Situationen aus dem Leben der Zielgruppe. Und sie sollte einen Sprachstil haben, den die Nutzerinnen und Nutzer wiedererkennen.“

Seit 2022 postet Helferich nicht mehr nur auf Facebook, Instagram, Twitter/X oder im Telegram-Kanal, sondern veröffentlicht auch TikTok-Videos: kurz, zugespitzt, gerne mit Slogans versehen, die ihn als Kämpfer gegen das System dastehen lassen, etwa: „Sie rasten alle aus, als ich das anspreche.“

Peick: TikTok gegen die AfD

Dortmunds andere Bundestags-Abgeordnete hingegen sucht man auf TikTok noch vergeblich. Einzige Ausnahme: Jens Peick (SPD). Seit seinem ersten Video im Januar 2024 präsentiert er fast ausschließlich Ausschnitte seiner Reden aus dem Bundestag.

In der Mehrzahl der Fälle bezieht er sich in Inhalt wie Video-Überschrift auf die AfD. Sie sei „rechtsextrem“, „ein falscher Freund“, „menschenverachtend“, ihr seien „die Menschen egal“.

Lassen sich politische Inhalte überhaupt so verkürzt darstellen, wie das auf Instagram, Facebook oder TikTok möglich ist? Bernd Weber sagt: ja.

„Gekürzt heißt nicht unbedingt verkürzt. Und was kurz und knapp ist, das hängt auch vom Thema und der Aufbereitung ab. Auch Jüngere schauen sich nicht nur 15-Sekunden-Videos an, wenn der Inhalt lebensnah und zielgruppengerecht aufbereitet ist.“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Jens Peick steht am Rednerpult.
Jens Peick - hier beim SPD-Parteitag in Dortmund - sitzt im Bundestag. © Stephan Schuetze

13.600 zu 700 Follower

13.600 Nutzer folgen AfD-Mann Helferich. SPD-Politiker Peick kommt auf etwas über 700. „Wer die Wählerinnen und Wähler erreichen will, muss dahin gehen, wo sie sich aufhalten und Inhalte wahrnehmen“, mahnt Weber: „Junge Wähler sind auf den Social-Media-Plattformen unterwegs. Welche das sind, das ändert sich im Laufe der Zeit.“

„Ich glaube, dass man das nicht auf die Kommunikation reduzieren darf“, sagt hingegen Dierk Borstel, Politikwissenschaftler an der FH Dortmund. Bei den Jugendlichen gebe es derzeit einfach „eine sehr verbreitete Angst, einen verbreiteten Pessimismus und keinen großen Glauben an die Lösungskraft von Politik“.

„Guter Nährboden für die AfD“

Erst Corona, dann die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, all das begleitet von vielen Wirtschafts- und Zukunfts-Sorgen - „da haben die AfD und der Rechtspopulismus einen sehr guten Nährboden“, folgert Borstel. Der AfD sei es zwar gelungen, viele Jugendliche und junge Erwachsene anzusprechen. Aber: Sie habe es auch leichter:

„Die Erwartungshaltung an eine Opposition ist eine andere als an eine Regierung“, so Borstel.

Wo sich SPD, Grüne und FDP in der Ampel mühen müssten, auf eine gemeinsame Linie zu kommen, könne eine Oppositionspartei einfach sagen: dagegen! Und dass man es mit einer solchen Haltung traditionell bei einer jüngeren Generation einfacher habe - logisch.

Prof. Dr. Dierk Borstel
Prof. Dr. Dierk Borstel ist Extremismusforscher. © FH Dortmund

Ein Viertel noch unschlüssig

Parteien müssten sich generell öffnen, wenn sie wieder die Jugend erreichen wollten, findet Borstel. Es stimme ja nicht, dass junge Leute sich nicht engagieren würden - nur eben gerne projektbezogen. Da würden schier endlose Ortsverbands-Sitzungen eben nicht attraktiv sein.

Zudem, so der Dortmunder Politikwissenschaftler weiter: Die Jugendstudie besage auch, dass 25 Prozent der 14- bis 29-Jährigen noch nicht wüssten, welche Partei sie wählen würden. Ein enormes Potenzial also.

Helferich sendet weiter seine Botschaften über TikTok. Das aktuellste Video allerdings - veröffentlicht am 17. April - dürfte aber kaum die konkrete Lebenswelt der Zielgruppe beinhalten, so wie es Kommunikationsforscher Weber je generell nahelegt: Es geht um architektonische Baustile.