Modernisierung im Dortmunder Althoffblock Anwohner: Pläne „vergiften“ das Viertel

Warum es in Dortmunds schönstem Innenstadtviertel einen großen Streit gibt
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Beginnen wir mit einem Blick weit in die Vergangenheit hinein. Der Althoffblock liegt vor 100 Jahren am Rande von Feldern. Hinter dem bis heute charakteristischen Torbogen läuft die Althoffstraße auf ein Meer aus Schornsteinen zu. Der rechteckige Wohnblock um die Straße herum ist der Einzige, der damals schon steht.

Viertel mit Geschichte

Der Blick zurück in die 1920er-Jahre zeigt, wie viel Geschichte in diesen Häusern steckt. Ihre Optik mit zum Teil kunstvoll verzierten Fassaden und Eingängen ist einer von mehreren Gründen, warum das Viertel zu den am stärksten nachgefragten in Dortmund zählt.

Zugleich gilt: Wer hier eine Wohnung hat, der gibt sie so schnell nicht mehr ab.

Der Großteil der Häuser ist im Besitz der Genossenschaft Spar- und Bauverein, der mittlerweile etwas moderner unter dem Namen Sparbau firmiert.

Das hohe Alter des Viertels ist allerdings auch der Auslöser für erhebliche atmosphärische Störungen im Quartier. Seit dem vergangenen Jahr setzt Sparbau eine aus Sicht des Unternehmens notwendige Sanierung und Modernisierung mehrerer Häuser um.

Der Althoffblock vor 100 Jahren, also wenige Jahre nach seiner Erbauung. In der Bildmitte ist der Torbogen zu sehen, von dort führt die Althoffstraße in Richtung Unionviertel.
Der Althoffblock vor 100 Jahren, also wenige Jahre nach seiner Erbauung. In der Bildmitte ist der Torbogen zu sehen, von dort führt die Althoffstraße in Richtung Unionviertel. © Spar- und Bauverein eG

Harsche Kritik einiger Mitglieder

Seitdem sieht sich die Genossenschaft harscher Kritik von einigen ihrer Mitglieder ausgesetzt. Andere Bewohner des Viertels wiederum sehen in den Umbauten einen Fortschritt.

Es geht um den grundsätzlichen Umgang miteinander in diesem Genossenschaftsmodell. Es geht um Detailfragen wie die, was Sanierung und was möglicherweise mit zusätzlichen Kosten verbundene Modernisierung ist.

Wohnblock ist kein Parlament

Und es geht um die Frage, wer eigentlich die Mehrheit in einem Wohnviertel mit mehreren Tausend Bewohnerinnen und Bewohnern darstellt. Eine Frage, die besonders schwierig zu beantworten ist. Schließlich ist ein Wohnblock kein Parlament.

Nächste Rückblende, diesmal nicht so weit, in den Juli 2023. Knapp 40 Menschen stehen vor der Verwaltung von Sparbau an der Kampstraße und machen ihrem Ärger Luft. Sie fühlen sich überrumpelt vom Beginn der Arbeiten, bei dem beispielsweise über Jahre gepflegte Vorgärten zerstört worden waren.

Proteste im Juli und Oktober

Sie sind dabei auch im direkten Gespräch mit Franz-Bernd Große-Wilde, dem Vorstandvorsitzenden der Spar- und Bauverein eG. Die Stimmung ist aufgeheizt an diesem Sommertag, aber es bleibt weitgehend sachlich.

Mit rund 70 Teilnehmenden wiederholt sich dieses Szenario noch einmal im Oktober, diesmal ohne Dialog. Erneuert untermauert die Gruppe ihre Forderungen.

„Unsere zukünftige Energieversorgung, ein sorgfältiger Umgang mit unseren grünen Oasen, ressourcenschonender Umgang mit Renovierungen, Lichtverschmutzung und bezahlbare Nutzungsgebühren“, nannte Beatrice Akper, ein Mitglied dieser Gruppierung im Oktober als die dringendsten Themen.

„Genossenschaft von unten statt Genossenschaft von oben“ lautet ein weiterer Punkt. Das beinhaltet auch Kritik daran, wie Sparbau mit den Zweiflern umgehe.

„Ich finde das gut“

Inwieweit das die Mehrheitsmeinung im Viertel abbildet, ist eine Frage der Perspektive. Denn die kann auch sein, die Sache aus dem Blick von Birgit R. und Petra F. zu sehen, die in einem der Häuser wohnen, die bereits modernisiert worden sind.

„Ich finde das gut“, sagt F.. Ihre Lebenspartnerin R. ergänzt: „Ich bin froh, dass wir nicht mehr in dem vergammelten Kasten von früher wohnen.“ Sie erkennt vor allem Vorteile in den Umbauten, etwa die bessere Lärmdämmung durch neue Fenster.

Wie beide von ihrem Viertel und den Veränderungen reden, wirkt nicht unreflektiert, sondern offen. Sie streuen immer wieder auch Anekdoten kleinerer Dispute mit dem Vermieter aus der Vergangenheit ein. Aus ihren Worten wird aber ein insgesamt sehr vertrauter Umgang unter vielen Bewohnern deutlich.

R. äußert auch Verständnis für die Unsicherheit einiger Nachbarn. „Viele haben Angst vor Kostensteigerungen.“

Aber beide wissen nach eigenen Worten auch: Dass sie die Pläne der Genossenschaft unterstützen, macht sie auf der Seite der Protestierenden nicht beliebter. „Es spaltet das Viertel“, sagt Petra F. Und Birgit R. ergänzt: „Es ist vergiftet. Manche sprechen gar nicht mehr miteinander. Es herrscht die Haltung vor: Wenn du nicht für uns bist, bist du gegen uns.“

An dem Tag, an dem sie das sagen, sitzt auch der Genossenschaftsvorsitzende Franz-Bernd Große-Wilde eine Zeitlang mit am Tisch. Das Treffen in der Wohnung der beiden Frauen soll auch den Zweck haben, zu zeigen, dass der Konflikt mehrere Seiten.

Das Unternehmen sei weiterhin im Dialog mit den Kritikern. Man sei auf einige Punkte eingegangen, etwa bei den Themen Beleuchtung oder die Frage nach der Zukunft alter Pappel-Bäume in einem Innenhof, die nun erhalten bleiben sollen.

Strategische Linie

„Wir müssen eine strategische Linie haben, aber diese auch an die Bedürfnisse der Menschen anpassen. Von der Mehrheit erhalten wir positive Rückmeldung“, sagt Große-Wilde.

Da ist sie wieder, diese schwierige Frage nach der Mehrheit.

Rechts die bereits sanierten Häuser, links der alte Bestand.
Rechts die bereits sanierten Häuser, links der alte Bestand. © Felix Guth

Wie wird sie beantwortet? Das Unternehmen wird weiter umbauen. Wie stark der Kontrast ist, zeigt sich auf der Roseggerstraße. Auf der einen Seite liegen die modernisierten Häuser, strahlend weiß und mit neuem Eingangsbereich. Auf der gegenüberliegenden Seite ist noch nichts passiert. Auch diese Häuser sind schön anzusehen, aber von außen sichtlich in die Jahre gekommen.

Das nächste konfliktträchtige Thema ist bereits an den Horizont gezeichnet. In 3000 Wohnungen steht in den nächsten Jahren die Umstellung auf Fernwärmeversorgung bevor.

Kritiker treffen sich weiter

Die Gruppe der Kritiker, die sich „Solidaritätsnetzwerk Dortmund“ nennt, trifft sich weiter. Es gibt laut Terminen auf einem an alle Haushalte verteilten Flyer regelmäßige Stammtische und Plenumssitzungen. Es geht längst nicht mehr nur um den Althoffblock, sondern auch um Systemfragen.

Das ermöglicht eine durch und durch diplomatische Sichtweise: Vielleicht haben auch alle ein bisschen recht: die Befürworter, die Kritiker und das Unternehmen. Und im Altbau-Paradies gibt es vielleicht die Chance auf ein Ende des Streits.

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