So fing alles an: Adolf Winkelmann mit seiner ersten „Bauer“-Filmkamera vor dem U-Turm, auf dem seit elf Jahren die „Fliegenden Bilder“ flimmern.

© Dieter Menne (A)

Adolf Winkelmann wird 75: Wie die Fliegenden Bilder auf den U-Turm kamen

rnDortmunder Filmemacher

Schon als Filmemacher war er „Dortmund-Botschafter“. Mit den „Fliegenden Bildern“ am U-Turm schuf er ein neues Dortmunder Wahrzeichen. Jetzt feiert Adolf Winkelmann seinen 75. Geburtstag.

Dortmund

, 10.04.2021, 11:35 Uhr / Lesedauer: 3 min

Wenn man 75 Jahre alt wird, kann man schon mal seine Memoiren unters Volks bringen. Adolf Winkelmann hat es getan. Das Buch „Die Bilder, der Boschmann und ich“ ist frisch im Verlag Henselowsky Boschmann erschienen, pünktlich zum 75. Geburtstag von Adolf Winkelmann am Samstag (10.4.).

Es ist eine Art Autobiografie in Gesprächsform. Werner Boschmann, Verleger und Taubenzüchter, interviewt Adolf Winkelmann, der die Tauben auf den U-Turm brachte. Die Schilderung, wie es zu der verrückten Idee der „Fliegenden Bilder“ am U-Turm kam, bei denen Tauben die volle Stunde anzeigen und die inzwischen ein Dortmunder Wahrzeichen sind, ist nur eine von vielen Anekdoten, die Winkelmann im Interview mit Werner Boschmann erzählt.

Aber es ist natürlich viel zu kurz gegriffen, Winkelmann auf seine „Vaterrolle“ für die Fliegenden Bilder zu reduzieren. Er ist selbst eine Art Wahrzeichen des Ruhrgebietes. Bodenständig, ausgestattet mit bisweilen schrägem Humor und einer Neugier, die Voraussetzung für innovatives Denken ist.

Regisseur Adolf Winkelmann im Einsatz. 2011 erarbeitete er für die Ruhr Nachrichten eine Dokumentation mit Amateur-Filmaufnahmen aus Dortmund unter dem Titel „So war das“.

Regisseur Adolf Winkelmann im Einsatz. 2011 erarbeitete er für die Ruhr Nachrichten eine Dokumentation mit Amateur-Filmaufnahmen aus Dortmund unter dem Titel „So war das“. © Dieter Menne

Bewegte Bilder spielen dabei immer eine Rolle. Das fing schon in der Schule an, als Adolf Winkelmann mit einer Doppel-8-Kamera, einem Geschenk seines Vaters, die Zeltlager der Wandergruppe des Helmholtz-Gymnasiums in der Nordstadt dokumentierte. Dass er als Einziger seines Abitur-Jahrgangs Künstler werden wollte, brachte ihm die erste Zeitungsschlagzeile ein.

„Als ich 1965 in Dortmund mein Abitur machte, war es üblich, die Namen der Abiturienten mit ihrem Berufswunsch in Klammern in der Tageszeitung zu veröffentlichen. Dieser Artikel war bei meinem Abitur mit der Überschrift versehen: ‚Einer entschied sich für Kunst!‘ Eine Stadt wie Berlin lebt von ihrer Kunst- und Kulturszene, und es ist stinknormal, sich für Kunst zu interessieren. Wenn sich einer in Dortmund so was traut, steht es in der Zeitung“, berichtet Winkelmann im Gespräch mit Boschmann.

Experimente als Film-Student

Winkelmann studierte an der damaligen Werkkunstschule Kassel, wo er auch seinen ersten Experimentier-Film produzierte. Für „Adolf Winkelmann, 9.12.67 11.54 h“ filmte er sich mit einer selbstgebauten Konstruktion bei einem Spaziergang durch die Innenstadt von Kassel - wahrscheinlich eines der ersten Selfies der Filmgeschichte. Kamera, Stativ und Plakat zu dem Werk sind zurzeit übrigens in der Ausstellung „Immer ich. Faszination Selfie“ im zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig zu sehen.

Spaziergang mit Bratwurst - mit einem „Selfie“-Experimentalfilm sorgte Adolf Winkelmann 1967 in Kassel für Aufsehen.

Spaziergang mit Bratwurst - mit einem „Selfie“-Experimentalfilm sorgte Adolf Winkelmann 1967 in Kassel für Aufsehen. © Stephan Schütze (Archiv)

Nach dem Studium zog es den Filmemacher aber nicht in die große weite Welt, sondern zurück in die Heimatstadt. An der Fachhochschule Dortmund wurde er 1975 „Film-Professor“ und blieb es mehr als 40 Jahre. Heimatverbundenheit zeigte er nicht zuletzt auch mit vielen seiner Filme - bis hin zum Ruhrgebiets-Epos „Junges Licht“, das 2016 in die Kinos kam.

Kult-Filme aus dem Ruhrgebiet

Den Anfang machten mittlerweile zu Kultfilmen avancierte Werke wie „Die Abfahrer“ und „Jede Menge Kohle“, die beide ein Stück Zeitgeschichte für die späten 70er und frühen 80er Jahre im Ruhrgebiet zwischen Malocher-Spießigkeit und rebellierender Jugend sind. Im neuen Buch erinnern Auszüge der Dreh-Tagebücher von Christiane Schäfer, Winkelmanns Ehefrau, an die Dreharbeiten von „Jede Menge Kohle.“

Der große Rest der Filmografie lässt sich nur in Stichworten wiedergeben. Es folgten Spielfilme wie „Nordkurve“, „Peng! Du bist tot“ und „Junges Licht“, Fernseh-Filme und -Mehrteile wie „Der Leibwächter“, „Der letzte Kurier“, „Engelchen flieg!“, und „Contergan“.

Ähnlich zahlreich wie die Filme sind die Auszeichnungen, die Adolf Winkelmann bekommen hat. Er erhielt mehrere Adolf-Grimme-Preise, den „Bambi“, mehrfach den Deutschen Filmpreis und die „Goldene Kamera“, das Bundesverdienstkreuz am Bande und 2020 auch den Dortmunder „City-Ring“.

Immer offen für Innovationen: Sogar schon 3D-Filme brachte Adolf Winkelmann auf den U-Turm.

Immer offen für Innovationen: Sogar schon 3D-Filme brachte Adolf Winkelmann auf den U-Turm. © Oliver Schaper (Archiv)

Das Verhältnis zur Stadtspitze ist - nun ja - ambivalent. Manche Anekdoten, die Winkelmann zur Genese der Fliegenden Bilder am U-Turm erzählt, erinnern an Berichte aus Schilda. Und ganz aktuell hadert der Künstler einmal mehr damit, dass der U-Turm mehr und mehr zugebaut wird - und damit auch der Blick auf die „Fliegenden Bilder“, die gerade für 2,6 Millionen Euro technisch erneuert wurden. Trotzdem bastelt Adolf Winkelmann weiter an Filmen für den U-Turm.

Lob vom Kulturdezernenten

Die Corona-Pandemie sorgt dafür, dass die Feiern zum 75. Geburtstag eher bescheiden ausfallen. „Ich hätte gern groß gefeiert“, gesteht Adolf Winkelmann am Telefon. Jetzt gibt es nur eine kleine Familienfeier.

Aber immerhin auch ein dickes vom Dortmunder Kulturdezernenten. „Adolf Winkelmann ist ein herausragender Filmemacher, Ausbilder und als Künstler ein Glücksfall für Dortmund. Mit seinen Filmen und Büchern, aber vor allem mit den ,Fliegenden Bildern‘ am U ist er einer unserer wichtigsten Kultur-Botschafter“, erklärt Jörg Stüdemann.

Im Winkelmann-Buch klingt das noch skeptisch. „Man wird in Dortmund als Künstler nicht unbedingt lieb gehabt“, sagt Winkelmann da im Gespräch mit Verleger Boschmann mit Blick auf seine Anfangsjahre. Das dürfte sich in seinem Fall inzwischen gründlich geändert haben.

Das Winkelmann-Buch

Das Buch „Adolf Winkelmann: Die Bilder, der Boschmann und ich“ ist im Verlag Henselowsky Boschmann erschienen und für 14,90 Euro im Buchhandel erhältlich (ISBN 978-3-948566-06-7).