Kurt Späth bringt sich jeden Abend zum Bluten - das ist sein Beruf „Ich mache, was die Leute nicht sehen wollen“

„Ich mache das, was die Leute eigentlich nicht sehen wollen“
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Kurt Späth wollte Zauberer werden, riesige Illusionen auf der Bühne zeigen. Der neue David Copperfield sein. Heute steht er in der Dortmunder Manege des „Zirkus des Horrors“ und verletzt sich mit Spritzen und Nägeln im Gesicht, bis das Blut fließt. Keine Tricks, keine Illusion. „Meine Name war nicht Copperfield, das war das Problem“, sagt Späth (47).

Viel lieber würde er noch immer seine Zuschauer mit großen Illusionen begeistern. „Aber davon gibt es Tausende. Die Zeit ist vorbei. Mit normalen Dingen kann man das Publikum nicht mehr erreichen.“

Kurt Späth: Extremkünstler seit fast 30 Jahren. Anders als Fakire verletzt er sich mit den Nägeln extra – damit es blutet.
Kurt Späth: Extremkünstler seit fast 30 Jahren. Anders als Fakire verletzt er sich mit den Nägeln extra – damit es blutet. © Joscha F. Westerkamp

Seit 27 Jahren tritt Späth nun als Artist in Zirkussen, Diskotheken und Fernsehshows auf, mal unter seinem echten Namen, mal als „Mr. Extreme“. 2010 war er im Finale des „Supertalents“, der TV-Show mit Dieter Bohlen, 2016 auch in der tschechischen Ausgabe des Formats.

Videos seiner Auftritts haben mehrere Millionen Aufrufe. Und immer wieder macht er das Gleiche: tut sich vor aller Augen weh, bringt sich teils sogar in Lebensgefahr. Wie hat das angefangen?

Als die Illusionen nicht mehr reichten

Ganz klassisch: mit der Begeisterung für den Zirkus. Dann mit Riesen-Illusionen á la Copperfield, alle selbst entwickelt. Und schließlich der Erkenntnis, dass die nicht mehr reichen. „Da hab ich mich gefragt: Was mach ich Neues? Ich bin dann in den Baumarkt gegangen und hab geguckt, was ich für eine Show benutzen kann.“

So sind unter anderem lebensgefährliche Stunts mit Kreis- und Motorsägen entstanden. Einen davon führt er auch in Dortmund auf: Er steckt sich eine riesige Schlagbohrmaschine, während sie läuft, in den Hals. Wie Schwertschlucken, nur krasser. „Ich war auch weltweit der erste, der mit einer Bohrsäge in die Nase reingebohrt hat“, sagt er.

Inspiration holt sich Späth im Baumarkt. Noch bis zum Anschlag schluckt er diesen Bohrer.
Inspiration holt sich Späth im Baumarkt. Noch bis zum Anschlag schluckt er diesen Bohrer. © Joscha F. Westerkamp

Sein Prinzip bei allem, was er zeigt: „Ich mache das, was die Leute eigentlich nicht sehen wollen.“ Denn das sei das, was kein anderer zeigt. Guckt man sich seine Show an, will man wirklich lieber weggucken. Aber Späth sagt: In all den Jahren sei es letztlich nie schlecht beim Publikum angekommen. „Das wäre ja das Schlimmste, wenn sie es nicht annehmen würden.“

Horrorvorstellung: Publikum nicht erreichen

Im Gegenteil, so unangenehm seine Tricks seien, würden sie gerade deshalb das Publikum packen. So auch der erste Trick, den er in Dortmund aufführt: Er schiebt sich drei Spritzen durchs Gesicht, die er anschließend von Zuschauern wieder rausziehen lässt.

Die erste Spritze so in den Mund rein, dass sie außen durch die Wange wieder rauskommt. Die zweite durch die vordere Haut des Halses, die dritte entlang der Stirn. „Es gibt keinen Ort auf der Welt, wo es keine Spritzen gibt“, sagt er. „Jeder weiß, wie scheiße das ist.“

Die Spitzen schiebt sich Späth so durch die Haut, dass sie auf der anderen Seite wieder rauskommen. Wenn er eine Vene trifft, fließt besonders viel Blut.
Die Spitzen schiebt sich Späth so durch die Haut, dass sie auf der anderen Seite wieder rauskommen. Wenn er eine Vene trifft, fließt besonders viel Blut. © Joscha F. Westerkamp

Er selbst habe früher panische Angst vor Spritzen gehabt. „Beim Zahnarzt habe ich immer gesagt: Bitte keine Spritze.“ Irgendwann habe er es dann mal auf dem Arm ausprobiert, sei dann immer extremer geworden, bis nun im Gesicht. „Wenn man eine Vene trifft, läuft das Blut die ganze Zeit“, sagt er. „Aber Blut tut nicht weh. Ich habe einfach einen ständigen Blutwechsel.“

Er steche sich immer wieder durch dieselben drei Punkte im Gesicht, seit etlichen Jahren. „Ich hab in meinem Leben um die 50.000 Nadeln dringehabt.“ Mittlerweile sei seine Haut an den Punkten vernarbt, da sei das nicht mehr so schlimm. Dass es dennoch blutet, sei wichtig, um die Zuschauer zu beeindrucken. So auch bei einem Trick mit Nägeln. „Fakire machen das immer mit stumpfen Nägeln, aber da fließt kein Blut.“

Am gefährlichsten: ein Trick, bei dem er einen Zuschauer an seiner Zunge durch die Manege zieht. Dafür befestigt er einen Kleiderhaken in einem Loch in seiner Zunge. An diesem Kleiderhaken hängt eine Kette, an der ein rollbarer Hocker befestigt ist, auf dem der Zuschauer sitzt.

Keine Illusion, kein Motor im Hocker: Späth zieht den Zuschauer tatsächlich mit seiner Zunge. Das ist schon zweimal schiefgegangen.
Keine Illusion, kein Motor im Hocker: Späth zieht den Zuschauer tatsächlich mit seiner Zunge. Das ist schon zweimal schiefgegangen. © Joscha F. Westerkamp

„Ich hatte schon zwei massive Verletzungen an der Zunge. Ich hab mal bei einem Auftritt ein bisschen übertrieben, da hab ich mir ein Loch von vier, fünf Zentimetern reingerissen.“ Aber auch das sei mit der Zeit allein wieder zugewachsen. „Die Routine ist das Problem, die macht unvorsichtig.“

Die Gefahren nehmen mit der Routine zu

Ob seine Shows ihm nicht auf Dauer schadeten? Er zuckt mit den Schultern. „Bisher nicht.“ Auch von seinem Arzt kriege er mittlerweile keinen Ärger mehr. „Am Anfang war das eine Katastrophe.“

An die Folgen denke er gar nicht. „Ich kann nicht ich auf die Bühne gehen mit dem Gedanken, dass was schiefgehen könnte.“ Es müsse einfach funktionieren. Er könne seine Stunts ja auch nicht wirklich üben. „Ich entwickele alle Ideen im Kopf. Dann mache ich einfach.“

Wirklich üben kann Späth seine Stunts nicht. So auch den hier, wo er zwei Zuschauer mit einem einem zum Ende spitzen Stab an seinem Hals schiebt.
Wirklich üben kann Späth seine Stunts nicht. So auch den hier, wo er zwei Zuschauer mit einem einem zum Ende spitzen Stab an seinem Hals schiebt. © Joscha F. Westerkamp

Von seinem einstigen Ziel, Zauberer zu werden, ist mittlerweile nicht mehr viel geblieben. Hin und wieder führe er Entfesselungsshows auf. Doch auch bei denen gebe es keinen echten Trick: Wenn er es nicht schnell genug schaffe, sei er tot. Allein einen einzigen führt er beim Zirkus des Horrors in Dortmund noch auf.

Ganz zum Ende, nachdem Spritzen, Nägel und Kleiderhaken längst wieder raus sind, bindet Späth sich seinen linken Arm ab und schneidet mit einem Messer so tief rein, dass das Blut nur so strömt. Das sei eine Illusion, sagt er. Seine beste.

Und tatsächlich: Auch wenn man weiß, dass das unmöglich echt sein kann, sieht es so real aus wie alles davor. Das Kunstblut mischt sich mit dem echten. Bis zum Ende der Show kleben die Blutflecken auf dem Boden der Manege.

Noch ganz am Ende der Show kleben Blutflecken auf dem Boden. Das Publikum applaudiert.
Noch ganz am Ende der Show kleben Blutflecken auf dem Boden. Das Publikum applaudiert. © Joscha F. Westerkamp

  • Neben Späth treten beim „Zirkus des Horrors“ unter anderem Artisten auf dem Schleuderbrett und Todesrad auf, aber auch Jongleure und Akrobaten.
  • Das Zelt steht auf dem Parkplatz E2 der Westfalenhallen.
  • Shows finden dienstags bis samstags um 19.30 Uhr statt. Samstags gibt es eine zusätzliche Show um 15.30 Uhr. Sonntags beginnt die Show um 18 Uhr. Montags ist aufführungsfrei.
  • Die letzte Aufführung ist am 15. Oktober.
  • Karten kosten je nach Tag und Platz zwischen 17,50 und 45 Euro.
  • Mehr Infos und Reservierung unter zirkusdeshorrors.de.

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