Nach Fehlern bei der Heizungs-Ablesung Stephanie Sauer soll 2000 Euro an Eon nachzahlen

Fehler bei der Ablesung: Stephanie Sauer soll 2000 Euro nachzahlen
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Dass dieser Herbst und Winter für viele Menschen ruppig wird, ist schon lange klar. Mieterinnen und Mieter im Grollmannsweg in Dortmund-Westerfilde hat es doppelt hart getroffen: Ihnen wurde nicht nur der Abschlag drastisch erhöht, sondern auch eine fette Nachzahlung für die Wärmerechnung von 2021 präsentiert.

Stephanie Sauer wohnt seit über sieben Jahren hier. Im September bekam sie Post von ihrem Energieversorger Eon, der die ganze Siedlung mit Fernwärme versorgt. Darin wurde sie von dem Unternehmen aufgefordert, für das Jahr 2021 insgesamt 1934,12 Euro nachzuzahlen.

Eon verwirrt mit Begründung

Eon begründet das mit Problemen bei der Ablesung: Bei der Endablesung 2021 seien „seitens der Messdienstfirma bei den ausgebauten Heizkostenverteilern fiktive Werte abgelesen/aufgenommen“ worden, heißt es in dem Schreiben an Stephanie Sauer. Die abgelesenen Daten hätten somit „leider nicht für Ihre Abrechnung verwendet werden können“, schreibt Eon.

Sauer vermutet, dass diese Formulierung auf einen Defekt am Ablesesystem hinweisen könnte. Mit „fiktiven Werten“ könnten also falsch angezeigte Werte gemeint sein. „Ich habe diese Zeilen von Eon damals so verstanden, dass die Ablesung nicht korrekt gewesen ist“, sagt Stephanie Sauer. Sie erinnert sich, dass bei der Endablesung 2021 gleichzeitig neue Funk-Ablesegeräte installiert worden sind. Das alte System mit farbigen Glasröhrchen gibt es nicht mehr.

Ein Funkzähler hängt an der Heizung in Stephanie Sauers Wohnung.
Die neuen Funkzähler wurden bei der Endablesung für das Jahr 2021 an den Heizkörpern der Mieter angebracht, auch in Stephanie Sauers Wohnung. Sie übermitteln die Verbrauchsdaten per Funk an einen zentralen Zähler im Hausflur des Gebäudes. © privat

Weil sie sich im Recht sieht und nicht weiß, wie sie die Summe von fast 2000 Euro bezahlen soll, legte Stephanie Sauer Einspruch gegen die geforderte Nachzahlung ein. Doch diesen Einspruch wies Eon im Oktober zurück. In einem neuen Schreiben klang die Begründung für die Nachzahlung aber plötzlich anders.

Eon schrieb nun: „Leider hat der Ableser, trotz mehrmaliger Ankündigung, bei der Jahresablesung zu sehr vielen Wohnungen keinen Zutritt erhalten.“ Stephanie Sauer sagt, ihr Bruder sei bei ihr zu Hause gewesen, um den Ableser reinzulassen. „Bei mir im Haus waren auch alle Nachbarn da“, meint Sauer. Doch laut Eon hätten für über 25 Prozent der Gesamtfläche des Wohnblocks (Grollmannsweg 13-19) keine verwendbaren Ableseergebnisse vorgelegen.

Eon gesteht Fehler ein

Wie kann es sein, dass der Energieversorger nach dem Einspruch die genannte Begründung für die Nachzahlung ändert? Soll Stephanie Sauer das Geld nun nachzahlen, weil die Ablesung falsch war oder weil zu viele Grollmannsweg-Bewohner die Heizungsableser nicht reingelassen hatten?

Eine Eon-Sprecherin teilt auf Anfrage unserer Redaktion mit, „dass es bei der Verbrauchserfassung 2021 durch einen externen Messdienstleister zu fehlerhaften Ablesungen gekommen ist.“ Ein Zusammenhang mit der Umrüstung auf die neuen Funkablesegeräte bestehe allerdings nicht.

Dann räumt die Sprecherin ein, dass bei der Zurückweisung von Sauers Einspruch ein Fehler unterlaufen ist. Die genannte Begründung, wonach zu viele Kunden die Tür nicht geöffnet hätten, sei falsch gewesen: „Durch einen internen Fehler ist ein Teil unserer Kunden leider mit Schreiben kontaktiert worden, die den erwähnten Textbaustein enthielten. Wir bedauern den Fehler und entschuldigen uns für die dadurch entstandenen Unannehmlichkeiten.“

Von dieser verspäteten Entschuldigung hat Stephanie Sauer wenig: „Ich vertraue ja als Kundin darauf, dass richtig abgelesen wird. Jetzt hab ich natürlich den Salat.“ Und auch die Höhe der Nachzahlung macht Stephanie Sauer stutzig.

Nach der ungültigen Ablesung hatte Eon das weitere Vorgehen gegenüber Sauer so dargestellt: Aufgrund gesetzlicher Vorgaben der Heizkosten-Verordnung sei man gezwungen, die Gesamtkosten des Jahres 2021 nun „anhand der Fläche auf die Nutzer“ zu verteilen. Der Gesamtverbrauch wird also anteilig auf die Wohneinheiten verteilt, ungeachtet des realen Verbrauchs.

Nachzahlunghöhe unterschiedlich

Für Stephanie Sauer ergibt das laut Eon-Brief die Summe von 1934,12 Euro. Doch bei ihren Nachbarn habe Eon teils deutlich weniger nachgefordert. „Alle meine Nachbarn in diesem Haus haben wie ich 3,5 Zimmer und knapp 73 Quadratmeter. Da müssten wir ja eigentlich alle die gleiche Summe nachzahlen“, erklärt die Dortmunderin.

Das Wohnhaus von Stephanie Sauer am Grollmannsweg in Dortmund-Westerfilde.
Seit sieben Jahren lebt Stephanie Sauer am Grollmannsweg in Dortmund-Westerfilde. © privat

Das sei allerdings nicht der Fall. Ihre Nachbarn hätten alle unterschiedliche Nachzahlungsforderungen erhalten, meint Sauer: „Meine Nachbarin über mir hat dieselbe Größe wie ich, muss aber nur 800 Euro nachzahlen. Andere im Haus müssen um die tausend Euro nachzahlen.“ Wie lässt sich das erklären?

Eine Konzern-Sprecherin: „Die Höhe der Nachzahlung kann auch bei gleicher Wohnfläche unterschiedlich ausfallen, da bei ihrer Berechnung die bereits geleisteten Abschlagszahlungen der Kunden (in unterschiedlicher Höhe) sowie die Kostenverschiebung aufgrund der geänderten Abrechnung berücksichtigt werden müssen.“

„Woher soll ich das Geld nehmen?“

Da ihr Einspruch abgelehnt wurde, bleibt es für Stephanie Sauer dabei: Sie muss die fast 2000 Euro wohl oder übel nachzahlen. Das lässt sie verzweifeln: „Ich weiß überhaupt nicht, woher ich dieses Geld nehmen soll.“ Und findet die große Nachzahlung ungerecht: „Ich habe letztes Jahr definitiv nicht mehr geheizt als 2020.“

Mit Ratenzahlungen will Stephanie Sauer nun versuchen, die Summe nach und nach abzustottern. „Bisher zahle ich das alles von meinem Lohn plus Kindergeld und Unterhalt für meine beiden Kids.“ Sie habe auch schon darüber nachgedacht, ihren 15-Stunden-Job aufzugeben und stattdessen nur noch Sozialleistungen zu beziehen, sagt Stephanie Sauer. Dadurch würde ein Großteil der Energiekosten vom Staat übernommen werden.

„Wohngeld habe ich auch schon beantragt, aber noch keine Bewilligung.“ Statt mit dem Arbeiten aufzuhören, will sie ab kommendem Jahr aber sogar mehr arbeiten:„Ab Januar will ich 35 Stunden pro Woche arbeiten und ich hoffe auch, dass ich meinen Stundenlohn um zwei bis drei Euro erhöht kriege.“

Abschlag wird deutlich teurer

Doch die hohe Nachzahlung bleibt nicht die einzige finanzielle Belastung für Stephanie Sauer. In demselben Brief, mit dem Eon ihr die „frohe Botschaft“ der Nachzahlung übermittelt hat, informierte der Konzern sie auch über weitere Kostensteigerungen.

Ab November soll sie einen deutlich höheren Abschlag für ihre Wärmeversorung zahlen. „Vorher habe ich 58 Euro gezahlt. Dazu kam noch eine Ratenzahlung einer früheren Rechnung. Zusammen kam ich bis Oktober 2022 damit auf 156 Euro“, erzählt Sauer. Doch seit November muss Stephanie Sauer 418 Euro Abschlag pro Monat an Eon zahlen.

Das Energieunternehmen begründet den starken Anstieg gegenüber unserer Redaktion mit den stark gestiegenen Einkaufspreisen für Energie: „Hier wirken sich leider die dramatischen Preissteigerungen der letzten Monate aus.“ Auch bei der Erzeugung von Fernwärme werde das knappe und daher teure Erdgas benötigt.

Es sei aber der Anspruch von Eon, Kunden frühzeitig und transparent zu informieren. Das habe man auch in Westerfilde Ende 2021 sowie zweimal 2022 in unterschiedlichen Kundenanschreiben getan, so der Konzern weiter.

Kosten belasten Sauers Familie

Auf einmal 262 Euro mehr im Monat für den Wärmeabschlag aufzubringen, ist für die alleinerziehende Stephanie Sauer finanziell eine Riesen-Herausforderung. „Ich habe im November erst mal brav den neuen Abschlag gezahlt.“

Einige Nachbarn hatten ihr geraten, trotz der Aufforderung durch Eon erst einmal weiter den alten Abschlag zu zahlen. Dazu hätten ihnen auch die Vermietungsgesellschaft und ein Dortmunder Mieterschutzverein geraten, berichten sie.

Doch Stephanie Sauer zögert, den Rat ihrer Nachbarn aus dem Grollmannsweg anzunehmen: „Ich traue mich auch nicht, einfach den alten Abschlag weiter zu bezahlen, aus Angst, dass dann im Nachhinein wieder so eine Nachzahlung kommt.“

Die Wohnblöcke im Grollmannsweg in Dortmund-Westerfilde auf einem Archivfoto.
In der kompletten Siedlung im Grollmannswegs heizen die Mieter mit Fernwärme. Dabei sind sie auf den Versorger Eon angewiesen. © Beate Dönnewald (Archiv)

Ihre kleine Familie belasten die hohen Kosten sehr, erzählt die Dortmunderin: „Wir versuchen seit November mit 200 bis 300 Euro im Monat über die Runden zu kommen. Ich muss ja auch noch Miete und Strom zahlen.“ Gerade in Zeiten der steigenden Preise sei das schwierig, sie müsse viel sparen, berichtet Stephanie Sauer. „Vor allem für meine Kinder tut es mir leid, die müssen schon extrem zurückstecken“, so die Dortmunderin.

Einziger Anbieter

Was die Situation der Mieter im Grollmannsweg noch dramatischer macht: Sie können ihren Anbieter nicht wechseln. „Eon ist der einzige Konzern, der Fernwärme im Bereich unserer Siedlung anbietet“, erklärt Stephanie Sauer. „Das heißt, wir sind leider auf Eon angewiesen.“

An den Mieterverein will Stephanie Sauer sich zwar selbst auch noch wenden. Aber ihr bleibt nur wenig Hoffnung: „Das wird sicher alles im Sande verlaufen und wir bleiben alle auf den Kosten sitzen.“

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