Das Gemeindehaus am Hombruchsfeld ist bald Geschichte – es wird abgerissen. Die evangelische Philippus-Gemeinde trennt sich von dem Haus, das auch den Kirchsaal beherbergt. Damit verschwindet ein Stück Stadtteilgeschichte. Für viele Menschen geht auch ein Bestandteil ihres Lebens – mit diesen Mauern sind viele Erinnerungen verknüpft.
Eine von ihnen ist Hannelore Dommer. Die 82-Jährige sagt, sie habe für sich persönlich längst Abschied genommen. Dabei sein, als das Gebäude entwidmet wurde - das wollte sie sich nicht antun. Der Termin war am 25. November 2023 im Kirchsaal Am Hombruchsfeld 77.
Hannelore Dommer, Jahrgang 1940, hat seit ihrem fünften Lebensjahr Kontakt zur Gemeinde. Sie ist hier getauft worden; damals gab es den Kirchsaal am Hombruchsfeld noch nicht. Alles fand in einem Klassenzimmer der Schubert-Volksschule an der Stockumer Straße statt.
Dommer erinnert sich noch heute eindrücklich, wie es war in dem Klassenzimmer: „Die Leute haben bis draußen gestanden“, sagt sie. Es sei immer sehr eng und sehr voll gewesen. „Wer am Kaminofen saß, hat geschwitzt. Die anderen, weiter hinten, haben gefroren.“ Es sollte bis Dezember 1953 dauern, bis die Gemeinde auch einen Kirchsaal und ein Gemeindehaus hatte.

Den 20. Dezember 1953 wird Hannelore Dommer nie vergessen: Der Einweihungsgottesdienst im neuen Gemeindehaus findet statt. Ein Feiertag für alle Menschen der Gemeinde - der Saal kann die Menschen kaum fassen.
Hannelore Dommer, damals gerade 13 Jahre alt, ist aus zwei Gründen aufgeregt: Sie darf ihr neues Kleid anziehen, knielang, hellblau und mit weißem Kragen. Man hat damals nur ein Sonntagskleid. Dieses ist schon deshalb besonders, weil es nicht von der Schwester weiter vererbt ist. „Es war ganz neu.“
Und: „Ich habe an diesem Tag die Gesangbücher an die Gottesdienstbesucher verteilt. Das war das Erlebnis des Jahres für mich“, sagt Hannelore Dommer heute. Und so schreiten die Festgäste an ihr vorbei in den Saal - „mit großer Feierlichkeit und Ernsthaftigkeit“. Die Männer mit Hut, die Damen in Kleidern. Alle in feierliches Schwarz oder Dunkelblau gekleidet. „So ist das damals gewesen.“
Die Gäste bekamen von der jungen Hannelore nicht nur das Gesangbuch in die Hand gedrückt, sondern auch etwas Nettes gesagt: „Ich habe das tagelang auswendig gelernt.“ 70 Jahre später kann sie sich an die Begrüßungsformel dann doch nicht mehr genau erinnern.
Flanieren verboten
Aber die Erinnerung an eine Zeit, in der die Treffen in der Gemeinde zum Treffpunkt für viele aus der Umgebung wurden, sind geblieben. Viele Gruppen - und auch Ehen - seien hier entstanden.
Das weiß Hannelore aus erster Hand: Auch sie traf ihren zukünftigen Mann hier regelmäßig. Und natürlich ging es im Gemeindehaus nicht immer nur um Bibelarbeit: „Einmal sind wir vom Jugendkreis noch in den Rombergpark gegangen, über die Gleise und ab in den Park“, sagt Hannelore Dommer. Noch heute wundert sie sich, dass sie sich das getraut habe. Denn zu Hause herrschte ein strenges Regiment. „Flanieren“ auf der Harkortstraße zum Beispiel war ausdrücklich untersagt.
Ein strenges Regiment - das herrschte übrigens auch in der Kirche. „Einmal haben wir vom Bibelkreis den Wunsch geäußert, auch mal feiern zu wollen“, sagt Dommer. Das kam aber nicht in Frage. „Feiern und Tanzen gehören nicht ins Gemeindehaus“, hieß es. Stattdessen mieteten die jungen Leute einen Raum im Restaurant „Zum Kühlen Grunde“. Das Restaurant hat das Schicksal des Gemeindehauses bereits ereilt; es ist inzwischen abgerissen.
Und einmal, lacht Dommer, hat es bei einer Jugendfahrt in die Senne einen ,Vorfall‘ gegeben. Was genau passiert war? „Zwei haben sich geküsst.“ Danach habe es erstmal keine Fahrt mehr gegeben.

Es sind schöne Anekdoten aus einer vergangenen Zeit. Aber Hannelore Dommer erinnert sich auch an ein schreckliches Ereignis, das sie nie vergessen konnte. „Ich hatte 1955 mit einer Freundin für eine Feier ein Stück für Klavier und Flöte eingeübt.“ Nervös wegen der Vorführung seien sie zum Gemeindehaus gegangen. „Da hieß es dann, die Feier ist abgesagt.“ Der Grund: Zwei Mädchen der Gemeinde waren beim Radfahren in Löttringhausen auf Höhe des Ehrenmals in der Kurve von einem Auto erfasst worden. „Ein Mädchen starb, das andere blieb gelähmt.“

Abschied genommen
Obwohl sie zwischendurch in Gelsenkirchen lebt, kommt Hannelore Dommer Mitte der 70er-Jahre wieder nach Dortmund - und in ihre Heimatgemeinde. Sie leitet verschiedene Gruppen und gehört zum Team des Gemeindebriefes. Bei jedem Heft hat sie seit der Erstausgabe von 1985 mitgewirkt.
Ihren persönlichen Abschied von dem Haus, das sie als 13-Jährige selbst mit eingeweiht hat, hat sie bereits genommen. Die Einladung zur Entwidmung hat sie aber abgesagt. „Da kann nicht hingehen“, sagt sie. „Das tut schon sehr weh.“
Und sie kenne niemanden, der mit ihr trauert.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel ist ursprünglich im November 2023 erschienen. Wir veröffentlichen ihn an dieser Stelle erneut.
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