Es ist der Abend, auf den sich Zulikhan, Ruben und Annika seit Jahren freuen: In nicht allzu langer Zeit steht ihr Abiball an. Die Vorbereitungen darauf laufen seit Monaten auf Hochtouren. Vieles muss organisiert werden: vom Outfit, über die Dekoration bis hin zu Pullis und T-Shirts. Doch die Abiturjahrgänge haben ein Problem: Ihr Abschluss ist nicht nur der Beginn eines neuen Lebensabschnitts, sondern auch mit großen finanziellen Herausforderungen verbunden. Da stellt sich die Frage: Sind Abifeiern überhaupt noch bezahlbar? Oder sind schlicht die Ansprüche zu hoch?
Die drei besuchen die zwölfte Klasse des Phoenix-Gymnasiums in Dortmund-Hörde. In der zweiten großen Pause sitzen sie an einem langen Tisch im Schulgebäude. Es sind noch knapp zwei Monate bis zum letzten Schultag ihres Lebens. Dann beginnen die Abiturprüfungen. Es folgt eine Zeit, die Ruben Caravante, Zulikhan Chahin und Annika Fischer viel abverlangen wird. Umso besser soll der krönende Abschluss werden. Ein festlich geschmückter Saal, leckeres Essen, gute Musik. Die Erwartungen sind groß. Doch in ihrem Organisationsprozess holte sie die Realität schnell ein. Alles nach der genauen Vorstellungen zu machen, sei zu teuer. „Deshalb konzentrieren wir uns auf gutes Essen“, berichtet Ruben Caravante.

Das Dortmunder Unternehmen „abigrafen“ plant und organisiert alles rund um Abifeiern. Aus Sicht von Geschäftsführerin Regina Kreutner sind auch die Ansprüche der Schüler gestiegen. „Das ist eine ganz klare Entwicklung. Der Trend kommt aus Amerika.“ Früher habe man noch in den jeweiligen Aulas der Schule gefeiert, heute reiche das nicht mehr aus. Auch bei den Abizeitungen sieht sie Veränderung: Früher haben Abiturienten die Gestaltung noch selbst in die Hand genommen, heute würde ihr Unternehmen zunehmend für das Layout angefragt. „Alles soll richtig schick aussehen“, erklärt Kreutner.
„Alles soll richtig schick aussehen“
In der Aula des Phoenix-Gymnasiums zu feiern war für Zulikhan, Ruben und Annika keine Option. „Für uns war von Anfang an klar, woanders zu feiern“. Das hänge aber in erster Linie mit der Größe der Stufe zusammen. Etwa 100 Personen besuchen die 12. Klasse der Schule, hinzu kommen Eltern und Geschwister. Zum inoffiziellen Teil des Abends werden dann noch Freunde dazustoßen. „Wir rechnen mit 400 bis 450 Personen“, erzählt Zulikhan. Die räumlichen Gegebenheiten des Gymnasiums geben das nicht her.
Ein Problem, was sie bei der Suche nach einer passenden Lokalität begleitete. „Viele Locations waren einfach zu klein“, erzählen die drei. „Oder zu teuer.“

Philip Winterkamp kennt das Problem der Preisfrage. Abibälle seien so eine Sache. „Der Aufwand ist extrem hoch, die Erwartungen immens“, sagt der Gastronom, der unter anderem den Freischütz betreibt. „Wenn wir den Schülern ein Angebot machen, scheint das vielen zu teuer.“ Doch viele wüssten nicht, was in dem Preis alles enthalten sei. „Nur 50 Prozent landet bei uns.“ Der Rest sei etwa für die Programmgestaltung oder die Musik vorbehalten.
„Man muss Auftrag und Ertrag ins Verhältnis setzen“, findet Winterkamp. „Bei einer Hochzeit habe ich das Brautpaar, die Trauzeugen und eventuell die beiden Eltern. Der Rest sind Gäste. Bei einem Abiball habe ich 100 Brautpaare“, erzählt er lachend.
Noch gut erinnert sich der Gastronom an einen Vorfall von vor zwei Jahren. „Die hatten eine Getränkeflat bis 22 Uhr gebucht.“ Um viertel vor zehn hätten Schüler begonnen, sämtliche Weinflaschen einzusammeln und auf und unter einem Tisch zu lagern. Winterkamp schritt ein, sagte, dass das nicht die Idee dahinter sei. Daraufhin musste er sich von einem Vater beschimpfen lassen. Er sei ruhig geblieben und weggegangen, doch die Dreistigkeit an diesem Abend hat er nicht vergessen.
Auch deshalb will Winterkamp zukünftig nur noch Abibälle mit Getränkeflatrate anbieten. „Selbstzahler bedeuten einen viel größeren Personalaufwand.“ Man müsse genau im Auge behalten, wer was an welchem Tisch getrunken habe. „Es ist schon vorgekommen, dass die Feiern vorbei waren und wir noch offene Deckel hatten.“ Für Winterkamp und seinen Geschäftspartner ärgerlich.
In diesem Jahr findet kein Abiball im Freischütz statt. Zu Hochzeiten waren es mal 12-14 Abibälle, berichtet Winterkamp. Doch die Preissteigerungen seien im Vergleich zu 2020 extrem. Das habe mit den bekannten Preissteigerungen (Energie- und Personalkosten, Inflation, etc.; Anm. d. Red.) zu tun, die der Betreiber auch an die Gäste weitergeben muss. „In der Businessplanung merkt man schon eine Umsatzdelle, die wird sich aber nicht groß auswirken“, so Winterkamp.
7.000 Euro durch Sammelaktionen
Aleksandra Frings von den Stadteltern Dortmund zeigt sich besorgt über diese Preisentwicklung: „Auch wir als Mitglieder der Stadteltern und Mütter/Väter von noch schulpflichtigen jungen Heranwachsenden wünschen uns, dass die Kosten hier überschaubar und vor allem leistbar bleiben, denn am Ende sollte jede und jeder die Möglichkeit auf eine schöne Abschlussfeier haben, die in guter Erinnerung bleibt“, so Frings. „So ärgerlich es hinsichtlich der Abibälle ist, ist es wohl nicht zu vermeiden, dass auch hier die Kosten steigen und am Ende von den Absolventinnen und Absolventen und Eltern getragen werden.“
Auch die Schüler vom Phoenix-Gymnasium wollten zunächst in den Freischütz, doch das gab das Budget nicht her. Als Alternative haben sich die künftigen Abiturienten für die Rennbahn in Wambel entschieden. „Insgesamt werden wir wohl rund 35.000 Euro bezahlen müssen“, erzählt Annika. Pro Karte werden dann um die 62,50 Euro fällig, „eventuell auch etwas mehr“, erläutert die 17-Jährige. Dass Schüler oder deren Eltern diesen Betrag nicht aufbringen können, hätte sie aber noch nicht gehört.
Um ihren Abiball zu finanzieren, hat sich die Stufe einiges einfallen lassen. Durch den Verkauf von Waffeln, Rosen, Nikoläusen und Eis etwa beim Hörder Brückfest oder der Basketballnacht konnten sie ihre Abikasse etwas füllen. Ebenso durch eine Pfandflaschenkiste im Schulgebäude und Singen auf dem Weihnachtsmarkt. Dabei sind rund 7.000 Euro zusammengekommen. Die Kosten für den Abiball können sie damit aber nicht decken.
Damit an ihrem besonderen Tag nichts schiefläuft, hat die Stufe eine Struktur geschaffen. Insgesamt gibt sechs Komitees: Mottowoche, Ablauf, Dekoration, Finanzen, Abizeitung und Merchandise. „Wir sind ganz gut im Zeitplan“, sagt Ruben. „Wir sammeln noch die Steckbriefe und Fotos von schönen Momenten für die Abizeitung.“ Auch Pullis und T-Shirts soll es vorab für 20 bzw. 40 Euro zu kaufen geben. Viel Arbeit und vor allem viel Verantwortung für Zulikhan, Ruben, Annika und die anderen Mitglieder der Komitees. Immerhin: „Die Organisation macht Spaß.“
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