Sophie Klein ist Abiturientin am Käthe-Kollwitz-Gymnasium in der Dortmunder Innenstadt.

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Abi mit Extra-Stress – Wenn jeder einzeln zum Platz geführt wird

rnSchule und Coronavirus

Seit Dienstag (12.5.) laufen an den Dortmunder Gymnasien und Gesamtschulen die Abiturprüfungen unter speziellen Bedingungen. Eine Schülerin erzählt.

Dortmund

, 12.05.2020, 18:01 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es sind die entscheidenden Tage in der Schulkarriere von vielen Dortmunder Schülerinnen und Schülern. Die ersten Abiturprüfungen sind unter besonderen Abstands- und Hygieneregeln gestartet und laufen bis zum 25. Mai.

Die Dortmunderin Sophie Klein (18) gehörte am Käthe-Kollwitz-Gymnasium (KKG) zu den ersten, die zu einer Klausur im Biologie-Kurs in die Schule in der östlichen Innenstadt kommen mussten. Sie spricht von großer Anspannung im Vorfeld, aber auch von großer Erleichterung darüber, dass am Ende dann doch nicht so von dem unterschied, was sie vor den Corona-Einschränkungen erwartet hatte.

Am Käthe-Kollwitz-Gymnasium mussten die Schüler keinen Mund-Nasen-Schutz tragen

Eine große Sorge war den KKG-Schülern schon im Vorfeld genommen worden. Sie mussten während der Prüfung keinen Mund-Nasen-Schutz tragen. „Das hätte ich auch wirklich nur ungern gemacht“, sagt Sophie Klein.

Doch auch ohne Maske: Als die Prüfung am Dienstagmorgen beginnt, ist die Nervosität bei vielen Schülern sichtbar.

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Eine halbe Stunde vor dem Prüfungsbeginn um 9 Uhr müssen die Abiturienten in der Schule sein. Sie dürfen nur in 1,5 Meter Entfernung voneinander stehen und warten. Der gesamte Gebäudekomplex ist seit einigen Wochen mit Pfeilen versehen, die den Abstand deutlich machen. „Das Warten war merkwürdig, wie schon in den letzten Wochen“, sagt Sophie Klein.

Händewaschen vor und nach der Klausur

Sie berichtet, dass sie Schüler einzeln zu ihren Plätzen geführt worden seien. „Wir sollten dann unsere Sachen wegstellen und uns danach die Hände waschen. Dann wurden die Klausuren ausgeteilt“, sagt Sophie Klein. Die Aufgaben einiger Kurse hätten bereits auf den Tischen gelegen, andere Lehrer hätten die Klausuren per Hand ausgeteilt.

Sophie Klein ist Abiturientin am Käthe-Kollwitz-Gymnasium in der Dortmunder Innenstadt.

Sophie Klein ist Abiturientin am Käthe-Kollwitz-Gymnasium in der Dortmunder Innenstadt. © privat

Drei Stunden dauerte die erste von drei schriftlichen Prüfungen, es geht um Neurobiologie und Ökologie. Am Ende müssen sich alle Schüler noch einmal die Hände waschen. Dann ist der erste Schritt getan für den Abiturjahrgang 2020. „Abgesehen vom Reinkommen und Warten war es relativ ähnlich einer normalen Prüfungssituation“, sagt Sophie Klein.

Abiturientinnen hatten kritische Worte zu den Prüfungen geäußert

Das beruhigt die 18-Jährige mit Blick auf ihre nächsten Klausuren. Denn sie gehört zu der Gruppe von Schülern, die sich in den vergangenen Wochen sehr kritisch mit der Situation um das Abitur auseinander gesetzt haben.

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Mit ihrer Stufenkameradin Anastasia Rosenberg hatte sie zum Neustart der Abiturklassen am 23. April ein langes Schreiben veröffentlicht, in dem sie auf die psychische Belastung für die Abschlussjahrgänge hinweisen. Sie hatten wie viele andere Schüler in Deutschland auch unter anderem die Absage der Prüfungen und ein „Durchschnittsabitur“ auf Basis der Vornoten angeregt.

Viele sind mit der ungewohnten Lernsituation überfordert

„Dazu stehen wir auch noch. Es ist für uns alle die erste richtige ernste Prüfungssituation, und ich glaube, dass viele damit überfordert waren, dass sie sich nicht richtig darauf einstellen konnten und in Gruppen lernen konnten“, sagt Sophie Klein. „Aber wir müssen uns der Situation fügen.“

Die erste Biologie-Prüfung hat die Gymnasiastin nach eigener Einschätzung gut hinter sich gebracht. Sie hofft auf eine Note im 1- /2+-Bereich. Doch es wird auch Schüler geben, die durch die veränderten Bedingungen notentechnisch nicht dort landen, wo sie sonst gelandet wären. Das kann geplante Lebenswege gefährden, wenn sie Studienfächer anstreben, die einen bestimmten Notenschnitt erfordern.

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KKG-Schülerin Anastasia Rosenberg sagt nach gerade einmal vier Vorbereitungstagen in der Schule und einem Englisch-Leistungskurs, in dem die Lehrerin zur Risikogruppe gehört: „Ich habe schon etwas Angst, dass das in meinen Schnitt reinhaut.“ Sie hat ihre erste Prüfung am 19. Mai.

Schulen stellen sich auf eine große Anzahl an Widersprüchen ein

Die Schulen stellen sich deshalb bereits jetzt auf eine große Anzahl an Widersprüchen gegen die Prüfungsergebnisse ein.

Die Schüler haben dabei die Möglichkeit „unter Protest“ anzutreten. Mehrere Elternverbände bieten ein Musterschreiben an, in dem verschiedene Gründe dafür angekreuzt werden könne, warum die Prüfung unter widrigen Umständen stattgefunden hat. Dies ist notwendig, um sich die Rechte in einem eventuellen juristischen Verfahren zu sichern.

Der Zusammenschluss der Schulpflegschaften integrierter Schulen auf Landesebene (LeIS) schreibt zu dem Protest-Vordruck: „Wir halten die Benachteiligungen durch die individuellen Lernbedingungen und die extrem unterschiedliche Vorbereitung und Unterstützung durch die einzelnen Schulen für so schwerwiegend, dass aus unserer Sicht eine ordnungsgemäße Prüfungsdurchführung und ein Mindestmaß an Chancengleichheit nicht gewährleistet ist.“

Sophie Klein wird nicht protestieren, bisher auch keiner ihrer Mitschüler, soweit ihr bekannt ist.

Keine Zeugnisvergabe, kein Abi-Ball, Unsicherheit über Uni-Bewerbungen

Fest steht schon, dass keine Zeugnisvergabe stattfinden wird, die Noten kommen per Post. Der Abi-Ball ist am KKG auf Winter/Frühjahr verlegt. Anastasia Rosenberg, die internationales Wirtschaftsingenieurwesen studieren möchte, hängt mit vielen Entscheidungen über Bewerbungen um Universitätsplätze und Wohnheimplätze in der Luft.

Sie sagt: „Wir haben von einigen Seiten Kritik bekommen, dass wir uns nicht beschweren sollen. Aber die Erwachsenen haben ihre Probleme, jeder hat sein Päckchen zu tragen. Und das ist unser Päckchen.“