
Weitere Zeitverzögerungen bei der Planung des Radschnellwegs Ruhr in Dortmund muss Planungsdezernent Ludger Wilde einräumen. © Volmerich/Menne
3 Millionen pro Kilometer: Radschnellweg in Dortmund wird deutlich teurer
Verkehrsplanung
Die Planungen für den Radschnellweg Ruhr (RS1) kommen in Dortmund weiterhin nur im Schneckentempo voran. Die Stadt nennt jetzt einen neuen Zeitplan - und erklärt deutlich höhere Kosten.
Seit dem 1. Dezember ist das erste Teilstück des Radschnellwegs Ruhr (RS1) in Dortmund offiziell eröffnet. Der Schönheitsfehler: Die als Fahrradstraße ausgewiesene Strecke durch die Große Heimstraße und Teile der Sonnenstraße im Kreuzviertel ist gerade einmal knapp einen Kilometer lang - einer von insgesamt 24 Kilometern Strecke, die der RS1 auf Dortmunder Stadtgebiet haben soll.
Und wann es mit dem Um- oder Neubau der Strecke weitergeht, steht weiterhin in den Sternen. Es bahnt sich aber eine weitere Verzögerung an, die sogar auf mehrere Jahre anwachsen könnte.
Zur Erinnerung: Eigentlich hatte die Verwaltung schon im Frühjahr vergangenen Jahres angekündigt, Planungsaufträge für die weiteren Bauabschnitte des RS1 in Dortmund bald zu vergeben. „Die Planungen für alle Bauabschnitte in der Baulast der Stadt sollen noch 2021 begonnen werden“, kündigte die Stadt damals an.
Für die Bauabschnitte in der Baulast des Landes, die von externen Ingenieurbüros bearbeitet werden, sollten ebenfalls 2021 erste Aufträge vergeben werden, genauso wie an Gutachterbüros für Untersuchungen zum Umwelt- und Naturschutz.
Jetzt scheint alles ein Jahr weitergerutscht zu sein. Am Dienstag teilte Planungsdezernent Ludger Wilde nach der Sitzung des Verwaltungsvorstands mit, dass sich „im Jahr 2022 definitiv etwas tun wird“.
Angekündigt wird nun, dass in diesem Jahr die Vorentwurfsplanungen für die Strecke westlich des Kreuzviertels bis zur Schnettkerbrücke und östlich bis zur Ruhrallee bearbeitet werden. „Auch die Bearbeitung der weiteren Teilstücke in der Baulast der Stadt sollen in der Planungsverwaltung möglichst noch in 2022 begonnen werden.“
Auftragsvergaben in diesem Jahr
Auf die Stadt entfällt allerdings nur ein Anteil von etwa sieben Kilometern an der 24 Kilometer langen Strecke des RS1 in Dortmund. Nach einer Planungsvereinbarung mit dem Land sollen sich die städtischen Verkehrsplaner aber auch um die freie Strecke kümmern, die in die Baulast des Landes fällt - wobei die Vergabe an externe Büros vorgesehen ist. Daraus ist 2021 aber offensichtlich ebenfalls nichts geworden.
„Die Vergabeverfahren für erste Teilstücke in Wambel, Brackel und Wickede sollen im Sommer 2022 gestartet werden“, teilt die Stadt jetzt mit. Der Aufwand für die Teilstücke sei besonders hoch. Für die Vorentwurfsplanung sollen so mehrere Varianten geprüft werden. Nicht zuletzt sind aufwendige und teure Brücken zu planen.
Umweltgutachten stehen noch aus
Und es gibt ein weiteres Problem, das den Zeitplan noch gehörig durcheinander wirbeln könnte: Vor einer Vorentwurfsplanung müssen noch die Umweltauswirkungen der geplanten Trasse geprüft werden, die in Richtung Osten weitgehend der Strecke der S-Bahn-Linie 4 folgen soll.
Für das östliche Stadtgebiet sei bereits ein externes Gutachterbüro beauftragt worden, berichtet Wilde. Mit der Studie soll geklärt werden, ob für das nötige Planungs- und Baurechts eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig ist. Wäre das der Fall, wäre ein aufwendiges Planfeststellungsverfahren nötig - was einen weiteren zeitlichen Verzug um zwei Jahre bedeuten würde.

Parallel zur S-Bahn-Brücke soll der RS1 die Ruhrallee überqueren. © Oliver Volmerich
Bis Mitte des Jahres soll das Gutachten für den östlichen Teil vorliegen, das für den Westen im Laufe des Jahres vergeben werden, kündigt die Stadt an.
Der Baubeginn für den größten Teil der RS1-Strecke steht damit noch in den Sternen. Und auch für die weitere innerstädtische Strecke in alleiniger Zuständigkeit der Stadt, will man sich noch nicht festlegen. „Zum jetzigen Zeitpunkt kann noch keine Aussage für einen möglichen Baustart der beiden nächsten Abschnitte getroffen werden“, heißt es nun.
Planungsamtsleiter Stefan Thabe hatte im Sommer vergangenen Jahres einen Start der Entwurfs- und Ausbauplanung nicht vor 2025 prophezeit. Mit einem Baubeginn für den Abschnitt des RS1 durch die östliche Innenstadt wäre damit nicht vor 2027 oder 2028 zu rechnen.
In jedem Fall sei für die weitere Planung bis zum Bau zusätzliches Personal im Tiefbauamt nötig, merkt die Verwaltung einmal mehr an. Man habe sich bereits verstärkt, sagt Wilde. Die Arbeitsbelastung im Verkehrsbereich sei aber generell sehr hoch, zusätzliches Personal nur schwer zu finden.
Baukosten laufen davon
Neu kalkulieren muss die Stadt aber nicht nur den Zeitplan für den RS1, sondern auch die Kosten, die das Land trägt. Auf 13 Millionen Euro beziffert Wilde allein die Planungskosten, die von der Stadt teilweise vorfinanziert werden müssen. Und er macht die Rechnung auf, dass bei einem üblichen Anteil der Planung von 10 Prozent die Gesamtkosten rund 130 Millionen Euro betragen könnten. Bislang war von rund 75 Millionen Euro die Rede.
„Die Kostenansätze der Machbarkeitsstudie haben sich in der Praxiserfahrung zu Radschnellwegen als nicht realistisch herausgestellt“, stellt die Stadt nun fest. Das sei zum größten Teil auf die enorm gestiegenen Baukosten der letzten Jahre zurückzuführen. Besonders die Brücken, die rund die Hälfte der Kosten ausmachten, fielen dabei ins Gewicht.

So sahen die ersten Überlegungen für eine RS1-Galerie neben dem S-Bahnhof Stadthaus aus - eine von mehreren aufwendigen Brücken für den Radschnellweg. © Stadt Dortmund
Nach den Erfahrungen anderer Kommunen geht man inzwischen von Durchschnittskosten von 3 Millionen Euro pro Kilometer aus. Das wären für die Dortmunder Strecke 72 Millionen Euro. Üblicherweise komme dazu bei der Kalkulation ein Zuschlag von 20 Prozent für unvorhersehbare und unkalkulierbare Sondersituationen, zukünftige Preissteigerungen und mögliche zusätzliche Gutachten - in diesem Fall 14,4 Millionen.
Bei Brückenbauten wird der Zuschlag sogar bei 50 Prozent angesetzt, um auf der sicheren Seite zu sein, erklärt die Stadt. Bei 17 nötigen Brücken für den RS1 in Dortmund fällt das erheblich ins Gewicht - und man wäre nicht mehr weit von den genannten 130 Millionen Euro entfernt. Diese Summe sei aber keinesfalls belastbar, weil die Entwicklung der Preise nicht absehbar sei, betont Wilde.
Schließlich ist der RS1 mehr denn je ein Langzeitprojekt. Zuletzt war von einer Fertigstellung bis 2030 die Rede. Jetzt, im Mai 2022, sagt Ludger Wilde: „Wir wollen den RS1 in den nächsten zehn Jahren realisieren“.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
