Bundespolizeisprecher Hendric Bagert zieht eine Bilanz der Waffenverbotszone im Hauptbahnhof Dortmund.

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18 Messer in 5 Tagen gefunden: Waffen vor allem bei jungen Schülern beliebt

rnJugendliche mit Messern

Immer wieder berichtet die Bundespolizei, dass Klappmesser bei Jugendlichen einkassiert werden. Ein Schulleiter sagt, dass soziale Medien dabei eine große Rolle spielen.

Dortmund

, 12.03.2022, 18:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Zur Zubereitung von Speisen brauche er es, meinte ein 17-Jähriger als Bundespolizisten Mitte Februar ein Einhandmesser bei ihm gefunden haben. Es braucht nur eine kurze Bewegung des Daumens, um die Klinge schnell aus dem Griff zu schieben. Im Hauptbahnhof Dortmund wurde der Jugendliche kontrolliert und sein Messer einkassiert.

Zwei Wochen später wollte ein Gleichaltriger aus Unna vor Bundespolizisten weglaufen, weil er keinen Mund-Nasen-Schutz trug. Auch er hatte ein Klappmesser dabei. Mit neun Zentimeter langer Klinge. Eine 16-Jährige hatte am 26. Februar gleich zwei Einhandmesser griffbereit in ihrer Jackentasche.

Ganze elf Zentimeter lang und beidseitig geschliffen war die Klinge des Messers, das ein anderer 17-Jähriger am 3. März bei sich trug. Auch er war wegen einer fehlenden Maske aufgefallen, rannte aus dem Hauptbahnhof und wurde erst an der Stadtbibliothek gestellt.

Wegen solcher Vorkommnisse wird der Hauptbahnhof Dortmund regelmäßig zur Waffenverbotszone erklärt. Mit dieser immer nur temporären Maßnahme hat die Bundespolizei eine bessere Handhabe, um in Taschen zu schauen und (vor allem männlichen) Jugendlichen ihre Messer abzunehmen.

Fast alle Messer sind frei verkäuflich

In den fünf Tagen, in denen die Verbotszone Mitte Februar galt, sind im Hauptbahnhof Dortmund 18 verschiedene Messer aufgefallen. „Grundsätzlich sind fast alle Messer frei verkäuflich“, erklärt Bundespolizei-Sprecher Hendric Bagert: „Nach dem Waffengesetz ist nur das Führen reglementiert.“

Die sogenannten Einhandmesser seien zum Beispiel außerhalb von Waffenverbotszonen für Handwerker, Logistiker oder Angler unproblematisch. „Wenn allerdings beispielsweise ein Jugendlicher dies aus Gründen der Selbstverteidigung mit sich führt, ist dies vom Gesetz her kein ‚anerkannter Grund‘ und daher rechtswidrig.“

Solche Messer stellen die Bundespolizisten regelmäßig im Hauptbahnhof sicher.

Solche Messer stellen die Bundespolizisten regelmäßig im Hauptbahnhof sicher. © Bundespolizei

Etwas verschärft ist die Situation bei sogenannten Butterfly-Messern mit zwei schwenkbaren Griffen. Die sind zwar ebenfalls frei erhältlich: „Jedoch ist grundsätzlich das Führen nach dem Waffengesetz unter Strafe gestellt“, so Bagert.

Die Erfahrung durch die Kontrollaktionen zeige, „dass eine Vielzahl der kontrollierten Personen, welche ein Messer mit sich führten, dies aus Gewohnheit tun.“ Die Zahl der Waffenfunde sei tagsüber an Wochentagen genauso hoch wie in den Nächten des Wochenendes.

Schule stellt Strafanzeige bei der Polizei

Diese Beobachtung spiegelt sich demnach auch an manchen Schulen in Dortmund wider. Ein Schulleiter sagt beispielsweise: „Das höre ich nicht zum ersten Mal.“ Seinen Namen möchte er in diesem Zusammenhang nicht veröffentlicht sehen, um seine Schule vor einem Generalverdacht zu schützen.

Rund um den jüngsten Jahreswechsel habe das Kollegium zum bislang letzten Mal den Hinweis bekommen, dass ein Schüler ein Messer mit zur Schule gebracht habe. Die Folge, wenn sich dieser Verdacht bestätigt: „Wir stellen dann Strafanzeige bei der Polizei“, so der Schulleiter. Außerdem ist ein Schulverweis für eine bestimmte Dauer möglich.

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Der betroffene Schüler sei erst in der siebten oder achten Klasse gewesen. „Die Großen haben da nix mit am Hut“, sagt der Lehrer: „So etwas triggert eher die sechsten bis neunten Klassen.“

Der Einsatz eines Messers bei einem Streit sei ihm nicht bekannt, sagt der Schulleiter. Vielmehr würden die Jugendlichen Dinge projizieren, die sie aus sozialen Netzwerken kennen. Schließlich zeigen sich vor allem Rap-Musiker, vermeintlich erfolgreiche harte Leute, schon lange mit Waffen in ihren Videos. Und inzwischen haben viele Jugendliche als Mikro-Influencer selbst eine mächtige Reichweite durch ihre Kanäle.

Brände in Schultoiletten als Social-Media-Trend

„Wir merken durchaus gewisse Tiktok-Trends, die an der Schule ankommen“, sagt der Dortmunder Schulleiter. Beispielsweise seien Videos gerade angesagt, in denen kleine Brände in den Mülleimern von Schultoiletten gelegt werden. „Manche sind erpicht, sich so zu präsentieren“, sagt der Pädagoge.

Tippt man bei Youtube „Butterfly Messer“ in die Suchzeile, schlägt die Autovervollständigung „Tricks“ vor, mit denen man andere offenbar beeindrucken soll. Da gibt es dann Menschen wie den „Kampfkünstler“ mit dem Nutzernamen Turbo Torben, dessen Kanal 32.300 Menschen abonniert haben.

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Ein Trainingsmesser mit stumpfer Klinge lässt er in einer Hand hin- und hertanzen wie in Filmen. „Ich hatte auch mal ein scharfes Messer. Das wurde mir leider von der Polizei weggenommen“, erzählt „Turbo Torben“ im Video.

Da sei er etwa 14 Jahre alt gewesen, was schon „sehr sehr lange“ her sei. Zu diesem Messer sagt er: „Das hab ich damals auf dem Schulhof gekauft bei dem Russen meines Vertrauens. Aber das ist eine andere Geschichte.“

„Wer Waffen dabei hat, läuft Gefahr, sie einzusetzen“

Die Bundespolizei appelliert nach wie vor, Waffen und andere gefährliche Gegenstände nicht mit sich herumzutragen. Hendric Bagert sagt: „Denn wer ein Messer oder eine Waffe mit sich führt, läuft Gefahr, diese im Zweifelsfall auch einzusetzen.“

So wie im Fall des 21-Jährigen, der gestanden hat, einen Gleichaltrigen im Juni am Westpark offenbar in Notwehr erschossen zu haben. Eryk Klein, der mit einer abgebrochenen Bierflasche auf den Schützen zugelaufen sein soll, ist jetzt tot. Und der Angeklagte ließ seinen Anwalt im Gericht vortragen: „Ich bitte Sie, mir zu glauben dass ich nie im Leben den Eryk töten wollte. Das Ganze tut mir unendlich leid.“