150.000 Euro für Tat-Hinweise Firma rechtfertigt sich und der Staatsanwalt gibt Antwort

150.000 Euro für Tat-Hinweise: Firma rechtfertigt sich - Staatsanwalt gibt Antwort
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Angefangen hatte alles mit einem Aufruf in den sozialen Medien. Das Velberter Chemieunternehmen Chemprox GmbH war in mehreren Dortmunder Kanälen in die Offensive gegangen. Sehr direkt wurde hier ab Ende Juni nach Hinweisen zu einem Diebstahl von circa 100.000 Litern Desinfektionsmittel aus dem Jahr 2020 gesucht. Wir berichteten.

Sowohl die Polizei Dortmund als auch die Staatsanwaltschaft Wuppertal fanden einige Details, die nicht so ganz ins Bild passten. Nach der Veröffentlichung hat sich nun die Geschäftsführerin von Chemprox bei der Redaktion gemeldet. In einer sehr detaillierten Beschreibung legt sie den Fall aus ihrer Sicht schriftlich dar und widerspricht den Beamten teilweise. Eine Rekonstruktion:

Wenige Tage nach der Berichterstattung klingt das Telefon in der Redaktion. Die Geschäftsführerin der Firma Chemprox möchte ein paar Dinge klarstellen. Sie erklärt den Fall aus ihrer Sicht dieser Redaktion schriftlich:

Mitarbeiter der Chemprox sollen den Raub des Desinfektionsmittels aufgedeckt haben. Durchgeführt wurde dieser angebliche Diebstahl, laut der Geschäftsführerin, von „zwei leitenden Mitarbeitern der Chemprox GmbH“ im Zeitraum März bis August 2020.

Chemprox kündigte den zwei betroffenen Mitarbeiter fristlos, nachdem „der chemisch-technische Berater die Vorwürfe bestätigt hatte“, wie die Geschäftsführerin behauptet. In dramatischen Worten beschreibt die Firma weiter, wie sie Anklage gegen die Mitarbeiter erhebt und gleichzeitig von diesen verklagt wird – ein großes Hin und Her beginnt. Zum Überblick: Chemprox strebt einen Strafprozess wegen Diebstahls gegen die beiden Mitarbeiter an. Die beiden wollen sich das aber nicht gefallen lassen und klagen ihrerseits gegen die fristlose Kündigung. Neben dem Strafprozess beginnt also vor dem Arbeitsgericht zusätzlich ein Gerichtsverfahren mit dem Thema „Kündigungsschutz“.

Dr. Maximilian Stahm ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Dortmund.
Dr. Maximilian Stahm ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Dortmund. © Rechtsanwälte Stahm

„Ab einer Mitarbeiterzahl von elf Personen braucht es einen Kündigungsgrund“, erläutert Jurist Dr. Maximilian Stahm. Das Gesetz kenne drei Gründe – für diesen Fall relevant ist die verhaltensbedingte Kündigung, sagt der Jurist. Hierbei muss der Arbeitgeber ein Fehlverhalten beweisen. „Wenn er das nicht kann, dann scheitert die Kündigung“, sagt Stahm. Wenn das Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt wird, helfe das natürlich dem Arbeitnehmer – und schade dem Unternehmen.

Im Fall von Chemprox ist genau dies das Problem der Geschäftsführung. Denn der Strafprozess gegen die leitenden Angestellten von Chemprox scheiterte. Die Staatsanwaltschaft konnte den beiden beklagten leitenden Mitarbeitern die vorgeworfene Tat nicht nachweisen – der Hauptzeuge zog seine Aussage zurück. Laut Staatsanwaltschaft auf Druck des Unternehmens, was die Chemprox-Geschäftsführerin indes bestreitet. „Völliger Blödsinn“, sei das. Sie behauptet, die Sachverhalte seien durch die Beklagten „mit krimineller Energie“ konstruiert worden.

Wolf-Tilman Baumert, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wuppertal, betont: Die Tatvorwürfe sind nicht nachweisbar. Es fehlt ein stichhaltiger Beweis – ein Augenzeuge, der die Tat der beiden Beschuldigten bestätigen kann. Die aktuelle Beweislage reiche nicht für eine strafrechtliche Verurteilung aus. Solange dies nicht erfüllt ist, gilt in Deutschland der Grundsatz „In dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten.

Auf sich beruhen lassen will die Firma das unrühmliche Ende des Strafprozesses nicht. Immerhin geht es für sie um viel. Sie hat nun Beschwerde eingelegt. Die Akten des Strafprozesses landen jetzt auf dem Schreibtisch des Generalstaatsanwaltes in Düsseldorf. Dieser soll entscheiden, ob die Entscheidung der Wuppertaler Kollegen richtig war. „Das ist ihr gutes Recht“, sagt Sprecher Baumert. Beschwerde gegen den Ablauf des Verfahrens des Staatsanwaltes darf in Deutschland jeder einlegen, gegen den der Staat ermittelt. Also auch Chemprox.

Aber wie steht es um das Strafverfahren? Gibt der Düsseldorfer Generalstaatsanwalt dem Velberter Unternehmen recht? Telefonisch winkt Pressesprecher Holger Heming ab. Der Fall sei gerade erst in Düsseldorf gelandet. Die Prüfung der Sachverhalte werde sich noch einige Wochen hinziehen, bevor man etwas Konkretes zu dem besonderen Fall aus Wuppertal sagen könnte. Er bittet um Geduld.

Die einzige Chance für Chemprox ist nun die erfolgreiche Suche nach einem neuen Hauptzeugen. Aus Sicht des Wuppertaler Staatsanwaltes Baumert ist der Aufruf in den sozialen Medien ein nachvollziehbarer Schritt. Wenn sich bei der Firma Chemprox ein Zeuge meldet, dann kann diese das Strafverfahren wieder aufnehmen.

Laut Chemprox-Chefin ist der Online-Zeugenaufruf bisher sehr erfolgreich. Es gebe zahlreiche Kontaktaufnahmen. „Wir hoffen auf einen Superzufall“, erzählt die Chefin. Auf die Nachfrage, ob es schon einen Volltreffer gab, antwortet sie ausweichend. Es bleibt also spannend, ob ein Dortmunder den entscheidenden Hinweis gegen die Beschuldigten liefern kann. Immerhin bietet die GmbH eine Belohnung von 150.000 Euro für den entscheidenden Hinweis.

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