„Toll war das, was man nicht durfte“ Anke Holz (80) über ihre Kindheit in der Postkutsche

Anke Holz erinnert sich: Die „Mama“ war Kassiererin in der Postkutsche
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Die Postkutsche in Aplerbeck steht vor einer ungewissen Zukunft. Als die Nachricht sich verbreitete, löste die Sorge um die Zukunft auch viele schöne Erinnerungen an die Vergangenheit aus.

Die Aplerbecker Filmbühne ist auch für Anke Holz viel mehr als „nur“ ein Kino. Die heute 80-Jährige verbindet damit die schönsten Erinnerungen an ihre Kindheit - und an ihre 2004 verstorbene Mutter. Denn die, so erzählt Anke Holz, war eine der ersten Kassiererin an der Kinokasse.

Anke Holz im Alter von drei, vier Jahren mit ihrer Mutter Isolde.
Das ist das einzige Foto aus den jungen Jahren ihrer Mutter, das Anke Holz heute besitzt. Datiert ist das Foto nicht; Anke Holz ist da etwa drei, vier Jahre alt. © privat

Ihre Mutter war damals berufstätig, eher die Ausnahme in jener Zeit. 1954, als das erste Mal in der Postkutsche das Licht anging, war Anke Holz zehn Jahre alt. Wenn die Mama zur Arbeit musste, ging Anke mit. Ob sie musste oder mit wollte, „ich kann mich nicht daran erinnern“, sagt die heute 80-Jährige. Fest steht: Es war für sie immer wie ein kleines Abenteuer. „Toll war vor allem das, was man nicht durfte“, sagt sie heute und lacht.

„Manchmal habe ich heimlich hinterm Vorhang einige Filmszenen geschaut“, daran erinnert sich Anke Holz genau. Wenn es dabei um Filme ging, die erst ab zwölf Jahren zugelassen waren, galt es aufzupassen: „Der damalige Besitzer August Meering war sehr streng“, berichtet Holz. Mama Ingeborg war da „gnädiger“ und ließ das Töchterchen gucken, während die Mama an der Kasse Kinokarten für 50 Pfennig und Süßigkeiten verkaufte.

Welche Filme sie da hinterm Vorhang verfolgte, hat sich nicht eingeprägt bei Anke Holz - nur an einen Titel erinnert sie sich noch: „Mädchenjahre einer Kaiserin“ mit Romy Schneider.

Erinnern kann sich aber Anke Holz, dass das Kino damals oft so voll war, dass „die Leute bis auf die Straße standen“, obwohl es damals noch zwei weitere Kinos in Aplerbeck gab (Capitol und Scala).

Weit war der Weg für Anke und ihre Mutter nicht, die Familie wohnte, damals Anfang der 1950er Jahre, an der Schüruferstraße. Dort hatte man kurz zuvor eine Wohnung bezogen: „Wir hatten das erste Mal eine richtige Wohnung mit Schlafzimmer, Küche, Bad und ein Wohnzimmer mit Kohleofen“, erinnert sich Anke Holz. Zuvor hatte die Familie - nachdem man bei einem der letzten großen Bombenangriffe auf Dortmund an der Saarlandstraße ausgebombt worden war - Zuflucht in einer Tenne in der Vieselerhofstraße gefunden.

Immer wieder tauchen bei Anke Holz Bruchstücke aus der Kindheit auf, wenn die Postkutsche ins Spiel kommt: Der kleine Lebensmittelladen nebenan, in dem Mutter anschreiben lassen konnte (und bezahlte, wenn der Vater, Bergmann auf der Zeche Hansa) mit der Lohntüte nach Hause kam. Oder an den Gang in die Bäckerei Arens mit dem Auftrag, ein frisches Brot zu kaufen. Kosten: 95 Pfennig. Als Belohnung durfte sie zu Hause den „Knapp“ essen.

An einen Tag kann sich Anke Holz auch heute noch genau erinnern: Es war der 13. Dezember 1959. Zu Hause in der schönen neuen Wohnung an der Schüruferstraße knallt es plötzlich ganz fürchterlich. Die junge Anke blickt aus dem Fenster der Dachgeschosswohnung und sieht eine große schwarze Wolke am Himmel: Es ist der Tag, als im Aplerbecker Ortskern an der Marsbruchstraße ein Mehrfamilienhaus explodiert. Mit dramatischen Folgen: 26 Menschen sterben. An den Rettungsarbeiten beteiligen sich auch hunderte britische Soldaten aus den nahe gelegenen Kasernen.

Keine Kinobesuche mehr

Heute ist Anke Knapp in der Berghofer Mark zu Hause. Seit fast 50 Jahren wohnt sie in der Obermarkstraße. Ihr ganzes Leben hat sie im Dortmunder Süden verbracht, von der Schüruferstraße ging es zur Schwerter Straße, dann nach Hombruch und dann 1976 in die Berghofer Mark.

In der Postkutsche oder überhaupt in einem Kino war Anke Holz seit Jahren nicht. „Irgendwie ist das doch heute nicht mehr dasselbe“, sagt sie. „Es war ein anderes Leben damals“.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals am 17. Dezember 2024.